Können Franzosen besser rechnen wegen Zahlen?

Hallo,

ich war vor kurzem in Frankreich und hatte mal wieder ein Problem mit den Zahlen. Einerseits kann ich sie einfach nicht so gut und andererseits muss ich dann tatsächlich nachrechnen, was denn jetzt z.b. quatre-vingt-onze ist (ich sollte dazusagen, dass ich eine Rechenschwäche habe).

Ich habe das Freunden erzählt und es kam folgende Frage auf:

Können französische Kinder früher oder besser mit Zahlen und Mathematik umgehen, weil sie dieses Zahlensystem haben?

LG IA

Hallo IA,

ich war vor kurzem in Frankreich und hatte mal wieder ein
Problem mit den Zahlen. Einerseits kann ich sie einfach nicht
so gut und andererseits muss ich dann tatsächlich nachrechnen,
was denn jetzt z.b. quatre-vingt-onze ist (ich sollte
dazusagen, dass ich eine Rechenschwäche habe).

Dazu braucht man keine Rechenschwäche. Ich habe keine solche und bilde mir ein, sehr gut französisch zu können, und trotzdem geht es mir genau so wie dir. Franzosen splitten ja Telefonnummern immer in Pakete zu je 2 Ziffern auf, und wenn mir da jemand eine Telefonnummer durchgibt, welche Zahlen über 70 bzw. 90 enthält, dann lasse ich mir das immer nochmals ganz langsam wiederholen.

Ich habe das Freunden erzählt und es kam folgende Frage auf:

Können französische Kinder früher oder besser mit Zahlen und
Mathematik umgehen, weil sie dieses Zahlensystem haben?

Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat. Es hat eher etwas mit dem französischen Schulsystem und auch mit der Stellung von Wissenschaft und Technik in der französischen Gesellschaft zu tun. So lernen die Kinder schon in der École Maternelle im Alter von 5 Jahren die Grundlagen des Rechnens. Später, beim Sekundärabschluss, genießt das naturwissenschaftliche Bac S(cientifique) einen sehr hohen Stellenwert, weil es anspruchsvoll ist und sich daher in den Klassen nicht Kreti und Plethi tummelt. Viele Eltern drücken ihre Kinder unabhängig von deren Interessen dort rein, hauptsächlich wegen dem sozialen Umfeld. (Bei den geisteswissenschaftlichen Zügen spielt übrigens Deutsch eine ähnliche Rolle der sozialen Abgrenzung).

Hinzu kommt, dass in Frankreich in den Elite-Gymnasien und den Vorbereitungsklassen für die großen Ingenieursschulen auch heute noch ein ziemlich harter Drill üblich ist, sowohl was die allgemeine Disziplin anbelangt als auch beim Lernen des Unterrichtsstoffs.

Bezeichnend ist auch, dass bei einer der ältesten französischen Fernsehsendungen, „Des chiffres et des lettres“, die seit über 30 Jahren wochentags im Hauptprogramm ausgestrahlt wird, das Rechnen eine wesentliche Rolle spielt. Die Kandidaten müssen dabei sechs vorgegebene Zahlen mit den vier Grundrechenarten so kombinieren, dass das Ergebnis einer bestimmten Zahl möglichst nahe kommt.

Außerdem genießen Physiker, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Ingenieure in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland schon immer ein sehr hohes Ansehen. Und wenn man in Frankreich mit gut situierten Akademikern zu tun hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass da welche darunter sind, die BAC s, Math Sup, Math Spé und eine Grande École d’Ingenieurs durchlaufen haben. Für die ist Rechnen ein Klacks. Und die andern orientieren sich daran und tun ihr bestes, weil es einfach zur guten Allgemeinbildung gehört.

Grüße
Axurit

Hi Iris,
Ich meine die Franzosen denken da gar nicht nach, das ist einfach das Wort für 80.
du hast dir wahrscheinlich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass unsere Zahlworte für nicht Muttersprachler äußerst kompliziert sind, um sie schnell zu erfassen: wir sagen fünunddriessig und nicht Dreissig(und)fünf wie in fast allen anderen Sprachen.
außerdem weichen die Zahlworte für 11 und 12 vom Dezimalsystem in dem wir rechnen ab.
Interessant fände ich einen Artikel, warum die Zahlworte in den einzelnen Sprachen so sind, was ja meist mit der Kulturgeschichte zusammen hängen wird.

Gruss

M@x

Hallo Max,

Ich meine die Franzosen denken da gar nicht nach, das ist
einfach das Wort für 80.

Nun, um „sieben-und-neunzig“ der Zahl 97 zuzuordnen muss man eine einfache Addition im Zehnerbereich machen, neunzig plus sieben = 97. Auf Französisch ist das insofern aufwändiger, als man bei „quatre-vingt-dix-sept“ eben zwei Schritte machen, 80+10=90, 90+7=97, oder zwei zweistellige Zahlen addieren muss, 80+17=97. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass im frz. Lehrplan für die Grundschule von 1945 empfohlen wurde, das Rechnen im Zahlenraum bis Hundert zunächst mit den Begriffen septante, octante und nonante zu lehren und erst wenn dies beherrscht wird auf die üblichen Bezeichnungen überzugehen.

Aber du hast natürlich insofern Recht, als der Muttersprachler irgendwann diese Rechnungen nicht mehr explizit durchführt sondern „quatre-vingt-dix“ ohne Nachzudenken mit dem Ẃert 90 verbindet.

Interessant fände ich einen Artikel, warum die Zahlworte in den einzelnen Sprachen so sind, was ja meist mit der Kulturgeschichte zusammen hängen wird.

Hier und auf den dort verlinkten Seiten findet man recht interessante Informationen zur Herkunft des französischen Zahlsystems, leider nur auf Französisch.

Gruß
Axurit

1 Like

Hallo,

vielen Dank für die Antworten. Das mit dem Schulsystem habe ich mir schon gedacht, die Antwort war sehr informativ für mich.

Danke und Grüße

IA

Hi Axurit,
danke für deine Hinweise
da reichen meine französischkenntnisse nicht,
aber mit der holprigen googleübersetzung :wink:) und meinem „urlaubsfranzösisch“ hab ich doch etwas mitbekommen

Gruss

M@x

Ergänzende Gedanken
Hi
hat mit der ursprünglichen frage nicht direkt zu tun,
finde ich in diesem Zusammenhang aber doch interessant
http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?i…
ob das Babylonische Zahlensystem - 60er System - sich noch in den franz. Zahlworten widerspiegelt und es deshalb keine eigenständigen Zahlworte für größer 60 gibt.
Gruss

M@x

Richtiger Link
richtiger Link

/t/zeiteinteilung-in-stunde-minute-und-sekunde/6561479