Kolonialmacht nur jenseits der See?

In Zuge des Verwüstungskrieges Russlands in Tschetchenien fällt mir was auf:
Muß zwischen einer Kolonialmacht und seinen Kolonien immer Wasser sein?
Die meisten westeuropäischen Länder haben sich zur Zeit der Kolonisationen in Übersee einen Wettlauf um die Besitzergreifung von Kolonien geliefert.
Das Zarenreich hat die Kolonisation „über Land“ gemacht und die Völker und Gebiete bis zur Beringstraße (und darüber hinaus bis nach Alaska) unterworfen. Die UDSSR und als dessen Nachfolgestaat Rußland hat dieses koloniale Erbe übernommen.
Während die westeuropäischen Länder in den vergangenen Dekaden sich (unter teils mächtigem Druck) von ihren Kolonien trennen mußten (bis auf geringfügige Ausnahmen), ist Rußland noch immer eine Kolonialmacht und verweigert vielen Völkern ihre Selbstbestimmung.
Es ist meiner Meinung nach deshalb die letzte Kolonialmacht. Warum wird das nicht in Frage gestellt?

nicht ganz einfach
Hallo Jochen,

bedenke bitte, daß Rußland bis 19… noch ein reines agrarland war. Da sind die Verhältnisse etwas anders.
Vielleicht hilft dir das weiter:
http://…

Gruß
Frank

Team: URL entsprechend der AGB gelöscht

Moin Jochen,

Muß zwischen einer Kolonialmacht und seinen Kolonien immer
Wasser sein?

Nein, selbstverständlich nicht. Für Historiker ist Russland eine Kollonialmacht wie viele andere auch.

Während die westeuropäischen Länder in den vergangenen Dekaden
sich (unter teils mächtigem Druck) von ihren Kolonien trennen
mußten (bis auf geringfügige Ausnahmen), ist Rußland noch
immer eine Kolonialmacht und verweigert vielen Völkern ihre
Selbstbestimmung.

Mit dem Zerfall der UdSSR ist auch hier viel passiert. Anfang der Neunziger Jahre löste sich die UdSSR in ihre 15 Unionsrepubliken auf, die uneingeschränkt souverän wurden. der größte Teil (aber längst nicht alle) davon schloss sich zum losen Staatenbund GUS wieder zusammen. Die meisten der ehemaligen Unionsrepubliken haben das Problem, dass sie weiterhin Vielvölkerstaaten sind. Die Frage ist also, inwiefern eine Dekolonisation im Sinne des von dir angesprochenen „verweigern vielen Völkern die Selbstbestimmung“ überhaupt Sinn macht und praktikabel, bzw. gewollt ist. Tschetschenien nimmt in diesem Konflikt sicherlich eine Sonderstellung ein, aber die Haltung Russlands macht hier im Zusammenhang der Ereignisse um Afghanistan, den Irak etc. durchaus Sinn.

Es ist meiner Meinung nach deshalb die letzte Kolonialmacht.

Nein, das ist Rußland nicht. Auch China (Tibet) und Israel (Palästina) werden z.B. allgemeinhin als Kolonialmacht angesehen im Sinne der Definition von Kolonialismus als „Kontrolle eines Volkes über ein fremdes unter wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Ausnutzung der Entwicklungsdifferenz zwischen den beiden“. (vergl. W. Reinhard: Kleine Geschichte des Kolonialismus, ISBN: 3520475014 Buch anschauen)

Warum wird das nicht in Frage gestellt?

Wird es doch. Grade die Deklaration des Krieges von Russland gegen die Tschetschenen als „Kampf gegen den Terrorismus“ im Kielwasser der USA wird doch zumindest von frei denkenden Menschen durchaus bezweifelt. Inwiefern die Weltmächte hier (mal wieder) einen Deal zur Aufteilung der Vorherrschaftsbereiche mit gegenseitigen Stillhalteübereinkommen erzielt haben, werden wir wohl erst in 50 Jahren erfahren :smile:

Gruss
Marion

Hallo pen,

Inwiefern die Weltmächte hier
(mal wieder) einen Deal zur Aufteilung der
Vorherrschaftsbereiche mit gegenseitigen
Stillhalteübereinkommen erzielt haben, werden wir wohl erst in
50 Jahren erfahren :smile:

Nix für ungut, aber stell’ Dir mal vor, es wäre anders. Vielleicht gäbe es dann in 50 Jahren überhaupt niemanden mehr, der auch nur irgendwas erfahren könnte.*)

Gruss
Bark

*) Ausser natürlich Alice Schwarzer, die mit Sicherheit auch einen Atomkrieg überleben würde :wink:)

ahoi Bark,

Inwiefern die Weltmächte hier
(mal wieder) einen Deal zur Aufteilung der
Vorherrschaftsbereiche mit gegenseitigen
Stillhalteübereinkommen erzielt haben, werden wir wohl erst in
50 Jahren erfahren :smile:

Nix für ungut, aber stell’ Dir mal vor, es wäre anders.
Vielleicht gäbe es dann in 50 Jahren überhaupt niemanden mehr,
der auch nur irgendwas erfahren könnte.*)

Das war von mir lediglich deskriptiv gemeint und keinesfalls wertend, aber dadurch, dass es deine Phantasie angeregt hat (stell dir mal vor), hast du mir zumindest die Arbeit abgenommen darauf hinzuweisen, dass solche Konstellationen nur solange subjektiv unbedenklich sind, wie man nicht die Begehrlichkeiten der Big-Babes weckt. :smile:

*) Ausser natürlich Alice Schwarzer, die mit Sicherheit auch
einen Atomkrieg überleben würde :wink:)

Intelligenz hat schon immer die Überlebenschancen erhöht. Tut mir echt leid für dich Barkley *fg*.

-)

Gruss
Drache

*) Ausser natürlich Alice Schwarzer, die mit Sicherheit auch
einen Atomkrieg überleben würde :wink:)

Intelligenz hat schon immer die Überlebenschancen erhöht. Tut
mir echt leid für dich Barkley *fg*.

ich hab mal gelesen, dass auch kakerlaken einen atomkrieg überleben würden…

(rein deskriptiv gemeint, natürlich)

äh - zwinkersmiley!!

gruss

Intelligenz hat schon immer die Überlebenschancen erhöht. Tut
mir echt leid für dich Barkley *fg*.

ich hab mal gelesen, dass auch kakerlaken einen atomkrieg
überleben würden…

Du meinst, Barkley hätte vielleicht doch eine Chance ?
Tja, kann sein, danke für den Einwand *g*

So, jetzt ist aber Schluss mit Plaudern :smile:)
*Selbstzenzur*

Gruss
Marion

Zensur, nicht Zenzur
Hallo Stiftdrachen :smile:

nurmal so zum Besserwissermodus

und Tschüß…

Ham’ se mal 'ne Kolonie? (für die)
Hallo Jochen,

Die meisten westeuropäischen Länder haben sich zur Zeit der
Kolonisationen in Übersee einen Wettlauf um die
Besitzergreifung von Kolonien geliefert.

Das haben sie wohl. Wobei ich die unterschiedlichen Zwecke, die die Kolonialmächte verfolgt haben, für Unterscheidungen noch interessanter finde, als die Frage welche Elemente sie denn nun auf dem Weg zur Kolonie im einzelnen überwanden.

Das Zarenreich hat die Kolonisation „über Land“ gemacht und
die Völker und Gebiete bis zur Beringstraße (und darüber
hinaus bis nach Alaska) unterworfen.

Wobei Russland nicht nur die Besonderheit aufweist, „über Land“ gegangen zu sein, sondern auch seinen eignen Zwecktypmix hatte.

Die UDSSR und als dessen
Nachfolgestaat Rußland hat dieses koloniale Erbe übernommen.

Die 14 anderen Nachfolgestaaten haben auch etwas Erbe abbekommen. In vielen davon ist jetzt sogar die Titularnationalität eine Minderheit, die kleineren Minderheiten mehr Vorschriften machen darf, als früher die Russen oder Sowjets zusammen. In Russland allerdings nicht so sehr.

Ich halte es nicht für sehr glücklich „die UdSSR“ bereits zur Zeit ihrer Gründung als ein Subjekt zu begreifen, das ein Erbe antrat. Es waren Koalitionen lokaler (auch vieler nichtrussischer) Kräfte, die zum Zwecke der Beherrschung ihrer Nachbarn lieber auf Moskau z.B. via Tblssi setzten, als z.B. auf London via Erevan. (Kaukasusoptionen aus dem Bürgerkrieg) Am Ende kam natürlich wieder so etwas heraus, was zufällig so aussah, wie das Russische Reich. Aber ob die Alternativen nichtimperiale gewesen wären, wage ich doch zu bezweifeln. Es waren nicht einfach die Russen, die sich einfach alles wieder zusammenerobert haben, es waren auch nichtrussische Eliten, die weiter mit und in Moskau Politik machen wollten, was z.B. gewissen Georgieren recht geschickt gelungen ist, während gewisse Usbeken auf halbem Wege stecken blieben. So wie das Russisches Reich auch nie einfach ein russisches Nationalprojekt war, sondern ein konfessionell und spirituell aufgeladenes eurasisches Projekt (Drittes Rom etc.) mit auch viel nicht russischem Einfluss an der Stitze, war natürlich die SU nur in einer sehr verqueren Weise „russisch“. Der Pfusch und der Suff waren russich; aber imperial war das eigentlich nicht sehr; eher ein Stil eines (teils noch andauernden) imperialen Niederganges.

Während die westeuropäischen Länder in den vergangenen Dekaden
sich (unter teils mächtigem Druck) von ihren Kolonien trennen
mußten (bis auf geringfügige Ausnahmen), ist Rußland noch
immer eine Kolonialmacht und verweigert vielen Völkern ihre
Selbstbestimmung.

Manche Völker haben aber auch nur deswegen wenigstens ein bischen Selbstbestimmung, weil sie zu Russland gehören und (noch) nicht von einer dazwischenliegenden Titularnationalität so richtig befreiungsnationalstaatlich kujoniert werden.

In Zuge des Verwüstungskrieges Russlands in Tschetchenien
fällt mir was auf:

Muß zwischen einer Kolonialmacht und seinen Kolonien immer
Wasser sein?

Eigentlich müsste bereits eine Herrschaft, die über eine Kulturdifferenz hinausgestreckt wird, reichen. Machtgefälle bei Kulturdifferenz.

Es ist meiner Meinung nach deshalb die letzte Kolonialmacht.
Warum wird das nicht in Frage gestellt?

Vielleicht, weil heutzutage diese Frage vor keiner Art ihrer Beantwortung mehr schützt. Da wollen doch die Gibraltenos tatsächlich Untertanen ihrer Majestät bleiben, wie schon weiland die Malvineros, Verzeihung, Falklandinsulaner.

Ein „antikolonialer Befreiungskampf“ lohnt sich heutzutage nur noch für Ölquellen- oder Goldminenbewohner. Wer sich in kleinste Einheiten zerspaltet, ruiniert sich als erstes den inneren Markt, wie viele der 14 GUS-Unabhängigkeitsglückskinder schmerzlich erfahren mußten. Der naive Unabhängigkeitsoptimismus war schon in den 60-ger Jahren für viele Länder fragwürdig. Nicht jeder bringt es zu einem Steuerparadies a la Monaco, San Marino oder Andorra, aber verdammt viele bilden sich das wohl ein. Heute würden im Gegenteil viele Potentaten gerne ihre unrentierlichen Landesteile und ungeliebten Landeskinder am liebsten diskret abstossen. Putin allerdings wohl nicht.

Im Economist gab es mal eine Weltkarte, auf die man die jugoslawische Zerstückelungswut übertragen hat und man kam auf ca. 3.200 „Entities“ weltweit. Vom Global Village zum Global Gulag of Favelas (Bras. Elendbezirke). Ich glaube andere Ideen als die Wiederbalebung von staatlicher Unabhängigkeitromantik verdienen mehr unser Nachdenken.

In Zuge des Verwüstungskrieges Russlands in Tschetchenien …

Die russische Kriegsmaschine hat schon ihr eigenes Meistertum in Sachen Verwüstung. Diese Verwüstungen sind paradoxerweise ein Resultat eines spezifischen „taktischen Ungleichgewichts“ in dem Konflikt. Die Tschetschenen sind Meister von Insurgenz und Infiltration; die Russen dagegen von Desorganisation und Chaos. Sie laufen in jede Falle wie im finnischen Winterkrieg, versetzen ihr Gerät und plündern die Gegend, weil sie schlecht geführt und miserabel versorgt sind; und manchmal, bevor alles den Bach runter geht, bombardieren sie Gegend noch mal komplett platt. Die Luftwaffe macht den Unterschied zum Dreißigjährigen Krieg. Am Boden gehts nicht so sehr verschieden davon zu. Ihre Brutalität ist Frucht ihrer Ohnmacht. Während das Leiden der Tschetschenen ironischerweise eine Frucht ihrer kriegerischen Meisterschaft ist. Amerikaner und Israelis können sich dreimal täglich bedanken, dass sie nicht solche Gegner auf einem Terretotrium haben, das sie als das eigene zu behaupten müssen glauben. Sonst hätten sie wohl noch ein paar PR-Probleme mehr, als mit den Analphabeten von den Talibans und den Hamasexperten, von denen sich jeder zweite in seener Giftküche erstmal und abschließend selbst in die Luft sprengt.

Also, eine Lösung habe ich natürlich auch nicht; außer solchen Ideen, völlig durchgeknallten Konfliktparteien z.B. eine Umsiedlung nach Kanada oder Australien anzubieten und ihre „Nationalgeschichte“ in der Gegend, in der sie sie gerade verkorksen zu beenden; so wie in gewisser Weise wir Deutschen das auch tun, wenn wir in Europa schleichend aufgehen; freilich ohne dabei groß umzuziehen.

Ich denke, dass mit der weiteren Miniaturisierung von Massenvernichtungswaffen irgendwelche drastischen Maßnahemn zur „Konfliktaufhebung“ mit Hilfe Dritter nicht zu vermeiden sein werden. Das wäre dann ein ganz neues Kapitel in Sachen Kolonialismus. Am Besten aber mit Ozeanen dazwischen.

postkoloniale Grüße,

Thomas

Rache izt Blutwurzt
MRZ MARION!

Zensur=>Zenzur? Okay, zpiele mit.

Zach’ ma…Du beleidigzt mich hier in Abwezenheit und noch bevor ich eine Antwort geben kann, erklärzt Du die Debatte für beendet? Na warte, Zchwarte. Beim Treffen in Hamburg wirzt Du zchwer büzzen müzzen.

Zo…und ab hier kannzt Du meinetwegen mit Deiner Zenzur anfangen.

Intelligenz hat schon immer die Überlebenschancen erhöht. Tut
mir echt leid für dich Barkley *fg*.

Und wenn’z zo wäre, warum bizt Du dann zchon zo alt? Vielleicht ein Naturwunder *fg*. Na, man wird’z ja zehen.

Gruzz
Tom

:smile: o.T.
mit
*buzzi*

*g*