Kolonisierung des Donaumooses

Hallo liebe Experten,

meine Großmutter mütterlicherseits war eine geborene " Portune " und wurde in Kochheim bei Untermaxfeld (1905) geboren. Die Religionszugehörigkeit war protestantisch. Nach der Telefonsuche gibt es viele Portunes im bayerischen Raum - im und um das Donaumoos -,aber auch im pfälzischen Raum. Kann es sein, dass die ursprüngliche Herkunft in Frankreich liegt und es sich vermutlich um Hugenotten handelte. Diese siedelten sich dann nach der Vertreibung vorwiegend auch in der Pfalz an und kamen im 18. und 19. Jahrhundert im Rahmen der Kolonisierung des Donaumooses auch nach dort.

Liege ich mit meinen laienhaften Überlegungen richtig? Schon jetzt Dank für Expertenmeinungen.

Viele Grüße Ev22853

Pardon, es muss natürlich Kolonialisierung heißen.

Ev22853

Hallo,

das Donaumoos wurde unter Anderem von Kolonisten aus der Pfalz besiedelt.
Darunter befanden sich wohl etliche Waldenser, welche man gerne mit Hugenotten verwechselt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Waldenser#Waldenser_in_…

In Wikipedia kannst Du nachlesen, dass es etliche Waldensersiedlungen in der Pfalz gab.

Interessant sind die Waldensergemeinden in Württemberg, welche bis heute ihre französischen Namen behalten haben (Pinache, Perouse, Serres, Groß- und Kleinvillars).

Ich tendiere hier also eher zu Waldensern.

Gruß
Lawrence

ebenfalls Hallo und vielen Dank für die schnelle Antwort. Dann werde ich mich mal mit dem Thema Waldenser beschäftigen.

Gruß Ev22853

Servus,

diese Spur ist einleuchtend, zumal überall, wo Waldenser hinkamen, mit ihnen auch der Kartoffelanbau endgültig ankam.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo Ev22853

Pardon, es muss natürlich Kolonialisierung heißen.

das ist eine Verschlimmbesserung:
http://de.scribd.com/doc/27104/Kolonialisierung-Referat

Der erste Begriff „Kolonisierung“ war durchaus richtig.

Viele Grüße

Alexander

1 Like

Hallo Alexander,

Danke für die Antwort. Man ist nie zu alt, um noch etwas dazu zu lernen.

Eine Ergänzungsfrage: Deutet der Name „Portune“ mehr auf eine französische oder auf eine italienische Herkunft hin?

Gruß und schöne Fassnacht oder Fasching

Ev22853

Hallo Ev22853,

Eine Ergänzungsfrage: Deutet der Name „Portune“ mehr auf eine
französische oder auf eine italienische Herkunft hin?

ich habe in meinen Lekika nachgeschlagen und gleich mehrere Möglichkeiten gefunden, woraus sich dieser Name ergeben haben könnte. Aber nicht alles davon deutet auf das Ausland.

http://5dic.de/Herders_Conversations_Lexikon/page/Pa…
bietet das französische „Pardon“ (= Entschuldigung) an. Könnte somit ein Übername sein für jemand, der sich ständig mit „Pardon“ entschuldigt (ein sogenannter Echoname, Papagei-Effekt: andere äffen einen ständigen Ausspruch eines anderen nach; ich kenne beispielsweise einen Herrn „Sozusagen“, da er in jedem dritten Satz dieses Wort verwendet - nebenbei gesagt: ein sehr sympathischer Mensch)

Die gleiche Quelle bietet aber auch die italienische „Betglocke“, dazu steht in einem meiner Namenbücher: italienisch „Betglocke“ somit wohl Übername für den Küster. Ehrlich gesagt glaube ich aber an diese Möglichkeit nicht so recht.

Dann gibt es in Frankreich bei Bordeaux einen Ort „La Bardonne“, der sich durchaus zu „Portune“ verschliffen haben kann.

Dann gibt es wohl auch die Rufnamenskurzform „Bartun“, als Ableitung von Bartholomäus. Aber auch an diese Erklärung glaube ich nicht so recht.

Auch gibt es das alteuropäische Wort „Bard“, was soviel wie „Sumpf, Morast, Moor“ bedeutet. Damit könnte Portune auch ein Wohnstättenname, der am Sumpf, bedeuten. Das mag in wenigen Einzelfällen auch zutreffen, aber ich glaube es ist nicht die Hauptbedeutung (wenngleich natürlich das Donaumoos ein Sumpf par excellence ist; aber da fehlt dann wieder die Unterscheidbarkeit von anderen Siedlern, die ja ebenfalls am Sumpf des Donaumooses siedelten).

Schließlich habe ich noch den Hinweis auf mhd purdune = mnd. bardun gefunden: Das ist ein Musikinstrument, eine Art Pfeife, die besonders tiefe Töne hervorbringt. Manchmal auch als Schnarrpfeife bezeichnet.
http://dict.leo.org/Deutsch-Franz%C3%B6sisch/Schnarr…
http://www.quickdict.de/showfr.php/61801_de_fr_Schna…
http://books.google.de/books?id=cUVYAAAAYAAJ&pg=PA19…
http://books.google.de/books?id=6OPrKYUOFvgC&pg=PA30…
Und das halte ich für die wahrscheinlichste Erklärung: Ein alter Musiker-Beruf, der auf den Burgen und Schlössern der Herrschaften - vermutlich in einem Art Orchester - ausgeübt wurde. Dabei beruht die Bezeichnung eindeutig auf einem romanischen Begriff, der aber sowohl im Französischen, als auch im Italienischen oder Spanischen vorkommt
Insbesondere empfehle ich Dir, diese Quelle durchzulesen:
http://books.google.de/books?id=6OPrKYUOFvgC&pg=PA30….
Blättere ruhig etliche Seiten zurück (der Artikel beginnt auf Seite 297) und lese Dir alles durch. Dann findest Du auch den baierischen Begriff Pardaun, purdawn (Seite 306), woraus sich sehr leicht das „Portune“ ableitet. Wir kennen die Personenenung -une zwar nicht allzu häufig, aber hin und wieder gibt es sie, insbesondere bei Fremdwörtern: „der Fortune“ = der Fußballspieler von Fortuna Düsseldorf, der Patschune (Volksstamm), der Tribun, Kaprun (Ort; der Kaprune oder Kapruner). Somit dürfte es sich um einen sogenannten Berufsübernamen handeln: Das Musikinstrument wird stellvertretend für den Spieler verwendet. Das macht insbesondere in einem Orchester einen Sinn. Zur Zeit, als die Familiennamen entstanden sind (1000 bis 1400 nach Christus) war die Herrschersprache französisch (= Sprache bei Hof, Sprache der sog. „Gebildeten“ -> ein letzter Rest davon ist bis heute, dass die internationale Postsprache Französisch ist: das „R“ z.B. steht für „recommandé“ = Einschreibebrief). Musiker hatten ihr Auskommen immer am Hof, auf der Burg, im Schloss. Auch bei kirchlichen Herren (Bischöfen etc.). Man müsste sich jetzt mit der Instrumentengeschichte intensiv beschäftigen um festlegen zu können, ob es schon in römischer Zeit dieses Instrument gab und von dort aus in die anderen romanischen Länder exportiert wurde, oder ob es ein einheimisch-französisches Musikinstrument ist. Der Name jedenfalls dürfte auf dieses Instrument zurückgehen und somit eher länderunabhängig sein (also durchaus deutsch).

Alter des Namens: erstmals wohl ca. 1100 bis 1200 als Familienname verwendet
Geographische Herkunft: nicht definierbar, kann überall in Deutschland entstanden sein. Allerdings zeigt die Namensverteilung
http://www.verwandt.de/karten/relativ/bordune.html
http://www.verwandt.de/karten/relativ/barduna.html
eine gewisse Häufung im östlichen NRW und in der Pfalz (Kaiserslautern, Worms). Somit könnte an den Waldensern durchaus was dran sein.

A pros pos Waldenser: Du kennst doch das Volkslied „Wir kamen einst von Piemont und wollten weiter nach Lyon“. In diesem Lied geht es genau um die Waldenser. Sie kamen aus Norditalien über Frankreich und sind in der Pfalz und in BaWü (und letztlich im Donaumoos) gelandet.

Ich kann Dir noch einen Tipp geben: Melde Dich doch bei der kostenlosen Regionalliste der Heimat- und Familienforscher für Bayern an. http://list.genealogy.net/mm/listinfo/bavaria-l Dort kann man Dir sicher auch konkret zu Deiner Familie mehr helfen als hier, da hier Anfragen nach konkreten Personen nicht soooo gerne gesehen sind (was ich selbst zwar nach wie vor nicht richtig finde, aber so sind die Brettregeln).

Ich hoffe, dass ich Dir ein wenig helfen konnte.

Viele Grüße und einen schönen Sonntag wünscht

Alexander

3 Like

Hallo Alexander,

recht herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es ist toll, wie ausführlich Sie immer antworten.

Viele Grüße

Ev22853