Komischer Kollege wiederholt abläufe

Hallo,

ich hab da einen Kollegen, bei dem ich nicht ganz weiss, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll.
Der Kollege wiederholt manchmal Tätigkeitsabläufe mehrfach. Er kommt zum Beispiel morgens an, holte seinen Laptop aus der Schublade im Schreibtisch, steckt den Computer in die Docking-Station, nimmt den Computer wieder raus, tut den wieder in die Schublade, schliesst die Schublade, öffnet sie wieder, holt den Computer raus, steckt ihn in die Dockingstation, raus, in die Schublade, Schublade zu, auf und von vorn. Er wiederholt diesen Vorgang 5,6, 7 mal. Nicht immer, aber fast jeden Tag gibt es so eine Wiederholungsphase. Letztens hatte er auf das auf dem Tisch liegende Handy geblickt, und sich dann zum auf dem Boden liegenden Rucksack gebeugt, in eine Tasche gegriffen, Nichts herausgeholt, aufgerichtet, zum Handy gesehen, wieder zum Rucksack gebeugt, und wieder den Ablauf mindestens 5 mal wiederholt.

Was kann das sein?
Ich hatte ihn mal beim Einstecken des Computers darauf angesprochen, aber er wiegelte ab und meinte die Dockingstation funktioniert nur manchmal. Allerdings kann das eben nicht sein, weil er kurz darauf den Tanz beim Abschalten des Computers wiederholt hat.
Das einzige was mir dazu einfällt ist, dass er es vielleicht im Kreuz hat und Bewegungsabläufe die ihm Schmerzen bereiten wiederholt um die Rückenmuskulatur zu stärken. Aber das ist reine Mutmaßung, und eigentlich wirkt er recht fit.

Ein weiterer Punkt ist, dass er die letzten Monate, so ich das sehen konnte kaum etwas geschafft hat. Wenn jemand akut was von ihm will, dann macht er was, aber er hat (meinem Empfinden nach) wochenlang nur auf sein Handy gestarrt, oder aus dem Fenster oder auf einem Punkt auf dem Bildschirm (aber dabei kein Tastaurgebrauch, und das für eine halbe Stunde, Stunde)

Tja, nun meine Fragen: Was kann das sein? Sind das typische Anzeichen für Burnout? (Der Kollege ist Anfang Dreissig) Wie soll ich darauf reagieren? Vorschlagen zum Psychiater zu gehen? Und wie soll ich das ansprechen? Den Vorgesetzten informieren? Was eben unschön wäre, weil dann der Punkt „der hat seit Wochen nichts getan“ angesprochen werden müsste.

Mit freundlichen Grüßen, und ratlos verbleibend: Systroup.

besorgte Kollegen
Hallo,

es könnte sein, daß dieser Kollege froh sein kann, solche aufmerksamen und sich sorgenden Kollegen wie dich zu haben. Denn was du beschreibst:

wiederholt manchmal Tätigkeitsabläufe mehrfach.
wiederholt diesen Vorgang 5,6, 7 mal.
und wieder den Ablauf mindestens 5 mal wiederholt.
fast jeden Tag gibt es so eine Wiederholungsphase
eigentlich wirkt er recht fit.
Wenn jemand akut was von ihm will, dann macht er was, aber er hat (meinem Empfinden nach) wochenlang nur auf sein Handy gestarrt, oder aus dem Fenster oder auf einem Punkt auf dem Bildschirm (aber dabei kein Tastaurgebrauch, und das für eine halbe Stunde, Stunde)

läßt den Verdacht auf eine erhebliche neurologische Störung aufkommen. Insbesondere, da die Person laut deiner Beschreibung die Handlungswiederholungen nicht wahrnimmt. Es könnte sich um → anterograde Amnesien handeln. Und überhaupt im Zusammenhang mit dem → Korsakow-Syndron gibt es solche Phänomene.

Wenn du es seit Monaten beobachtest: Es ist zwar unwahrscheinlich, daß das in dessen Umgebung nicht längst aufgefallen ist. Was weißt du von ihm? Lebt er alleine? Gibt es noch andere Kollegen von euch, denen da etwas auffiel? Auch daß euer Vorgesetzter davon noch nichts bemerkt hat, dürfte kaum möglich sein. Obwohl … es gibt riesige Knöpfe, die Menschen manchmal vor den Augen haben. Und das ist noch beunruhigender, als so manche seltsame neurologische Erkrankung.

Sind das typische Anzeichen für Burnout?

Ach was! Mit Burnout hat das nichts zu tun. Das zeigt sich ganz anders, jedenfalls nicht so.

Wie soll ich darauf reagieren?

Im günstigsten Fall hat sich diese Störung (wie man sicher sagen kann, auch ohne daß es in die Nähe einer unstatthaften Ferndiagnose gerät) der Person erst vor kurzem ausgeprägt und es hat tatsächlich in dessen Umgebung noch niemand bemerkt (er selbst bemerkt es ja nicht, folglich kann es ihn auch nicht selbst beuruhigen). Insofern wäre es nützlich, doch einmal mit dem Vorgesetzen darüber zu sprechen. Du brauchst ja nicht zu verdeutlichen, daß die Person deiner Meinung nach „nichts tut“, sondern nur diese ungewöhnlichen Handlungswiederholungen und daß du dir darum Sorgen machst. Es könnte ja sein, daß euer Chef das weiß, daß das Verhalten längst psychiatrisch untersucht wurde und auch bereits behandelt wird - und daß mit dem Chef eine Vereinbarung getroffen wurde. Ansonsten wäre eine psychiatrische bzw. neurologische Untersuchung sicher dringend angeraten. Denn es könnte sich ja um ein Anfangsstadium handeln, bei dem noch rechtzeitig etwas getan werden könnte.

Vorschlagen zum Psychiater zu gehen?

Nein. So direkt nicht. Je nachdem, wie eure sonstige Kommunikation aussieht, könntest du ihn - beiläufig - einmal fragen: Dir sei aufgefallen, daß er oft Handlungen/Bewegungen, deren Sinn sich dir(!) nicht erschließe, x-mal wiederholt. Ob er dir das erklären könne. Er wird das - so meine Vermutung auf Grund deines erwähnten Beispiels - abstreiten oder eine rationale (aber dennoch sinnlose) Begründung angeben. Wenn das so sein sollte, dann könntest du ihn während einer solchen sinnlosen Wiederholungsphase noch einmal darauf aufmerksam machen und ihn freundlich nach einem „warum“ fragen. Wenn dann ein „tatsächlich? hab ich gar nicht gemerkt“ kommt, dann könntest du ihn sanft darauf hinweisen, daß das fast täglich und schon seit Monaten geschieht …

Versuch das mal. Kannst ja dann noch mal hier berichten.

Gruß
Metapher

Hallo Systroup,

es könnte sich bei diesen Wiederholungen auch um eine Zwangsstörung handeln, d.h. ihm ist klar, dass er seine Tätigkeit (eigentlich sinnloserweise) mehrfach ausführt, aber er kann aufgrund seines Zwanges nicht anders. Oft leiden die Betroffenen auch sehr unter diesem Zustand und das kann auf die Dauer sehr anstrengend und lebenseinschränkend sein. Evtl. lassen sich dadurch auch seine scheinbare geistige Abwesenheit und die geringe Produktivität erklären.

Viele Grüße
Gwen

Hallo Systroup!

Also mich erinnert das sehr stark an einen Buben, den ich in der Schule unterrichtet habe. Er öffnete in der früh das Schultor, trat einen Schritt herein, ging wieder hinaus, kam wieder herein usw. In der Garderobe zog er dann einen Schuh aus, zog ihn wieder an, usw. Da er sich auch im Unterricht völlig geändert hatte, läuteten bei mir die Alarmglocken und ich rief seinen Vater an, der mich nicht als „Spinnerin“ abtat, sondern sofort kam und den Sohn ins Spital brachte (da erfuhr ich erst, dass die Mutter des Knaben erst kurz vorher Selbstmord begangen hatte). Der Junge blieb ein halbes Jahr im Spital und noch einige Jahre dann in regelmäßiger Kontrolle, denn es hatte sich herausgestellt, dass er eigentlich die Absicht gehabt hatte, sich an diesem Tag das Leben zu nehmen.

So dramatisch muss es bei Deinem Kollegen ja nicht gleich sein, aber dass da eine Störung vorliegt, ist wohl klar. Wie Du Dich weiter verhalten sollst, weiß ich aber nicht. Das hängt davon ab, ob Du Deinen Chef informierst oder versuchst, Dich mit der Familie des Kollegen in Verbindung zu setzen.

Übrigens bei dem Jungen ging die Geschichte sehr gut aus. Er kam nach einem halben Jahr wieder in die Schule, war wieder fröhlich und aufgeschlossen und durfte zu Hause sein (er konnte das Internat verlassen). Sein Vater hatte sich inzwischen in die heißgeliebte Volksschullehrerin des Buben verliebt und heiratete diese etwas später. Der Bub selbst studierte später und ist inzwischen ein angesehener Anwalt.

lg Waldi

Hallo,

auch ich schließe aus Deinen geschilderten Beobachtungen auf Zwangsstörungen.

Allerdings würde ich fairerweise nicht zum Chef gehen, sondern den Kollegen nochmal darauf ansprechen und drauf hinweisen. Und vllt., dass es Hilfsmöglichkeiten gibt für sowas. Man kann es ja umschreiben und muss nicht gleich mit „Psychiater“ kommen.
Vllt. kannst Du ihn ja mal auf seine private Situation oder so ansprechen, je nachdem, was für ein Verhältnis Ihr habt.
Wenn das alles nix hilft und die Produktivität darunter leidet, führt dann wohl kein Weg am Chef vorbei.
Bei solchen heiklen Sachen sollte man echt diskret sein, denn man weiß ja, dass vor allem Personen mit psychischen Störungen in unserer Gesellschaft stigmatisiert werden, als nicht belastbar gelten etc. Und sowas gehört erstmal mit der betroffenen Person besprochen und nicht mit dem Boss.

Gruß
Nasenbär

noch eine Ergänzung
Obwohl deine Frage, wie du damit umgehen sollst, davon unberührt ist, möchte ich noch darauf hinweisen (weil hier mehrfach davon die Rede war):

Zu der Vermutung einer Zwangsstörung gibt es in deiner Beschreibung keinerlei Hinweise. Zwangsstörungen haben ganz andere Erkennungsmerkmale.

Metapher

Hallo Systroup,

mir, als Nicht-Fachmann, scheint das ein zwanghaftes Verhalten zu sein, auch wenn Metapher dagegen spricht.

Tja, nun meine Fragen: Was kann das sein? Sind das typische
Anzeichen für Burnout?

Ein Burnout ist noch keine Krankheit, mündet aber ggf. in eine Depression, nicht in solche Zwänge, soweit ich weiß.

(Der Kollege ist Anfang Dreissig) Wie
soll ich darauf reagieren? Vorschlagen zum Psychiater zu
gehen? Und wie soll ich das ansprechen? Den Vorgesetzten
informieren? Was eben unschön wäre, weil dann der Punkt „der
hat seit Wochen nichts getan“ angesprochen werden müsste.

Wenn ihr ein einigermaßen gutes Betriebsklima habt, bist du zumindest insofern frei in deiner Entscheidung, dass du ihn nicht anschwärzen musst, um deinen Hals zu retten. Soweit zumindest wärst du frei oder aus’m Schneider. Und ich kenne einige Firmen, wo ein solch gutes Klima herrscht.

Ansprechen sollte keinen Effekt haben, zumindest hatten deine zaghaften Versuche bisher keinen Erfolg. Und langfristig wird dein Kollege so nicht durchkommen. Vielleicht kann sein Chef ihn ja zu einer Therapie überreden. Sonst sehe ich keine Chance.

Zoelomat

Hallo Zoelomat,

mir, als Nicht-Fachmann, scheint das ein zwanghaftes Verhalten
zu sein, auch wenn Metapher dagegen spricht.

Zwangshandlungen haben eine Zielrichtung, z.B. Waschzwang aus Angst vor Keimen, Das Berühren müssen von bestimmten Gegenständen …
Die Person hat eine „logische“ Erklärung, den Zwang, für ihr Handeln.

In diesem Fall bleibt die Person in einem Tätikeitsablauf gefangen, in einer Art Endlosschlaufe. Irhgendwie wird die Meldung „Handlung ausgeführt“ nicht verarbeitet und deshalb der Vorgang wiederholt.
Dies sieht eher nach einer neurologischen Störung aus.

MfG Peter(TOO)

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Hallo,

Mir war noch ein Anliegen, auf diese Behauptung einzugehen:

Ein Burnout ist noch keine Krankheit, mündet aber ggf. in eine
Depression

Das Burnout-Syndrom ist laut ICD-10 derzeit noch eine ergänzende Diagnose, keine Behandlungsdiagnose. Für Österreich gilt, dass viele Ärzte Burnout bereits diagnostizieren, um die Anerkennung durch die Kassen voranzutreiben.

Burnout mündet, wenn er unbehandelt abläuft, immer in eine Erkrankung nach den ICD-10-Kriterien wie Depression, Angststörung, chronisches Schmerzsyndrom, Tinnitus oder Bluthochdruck, hoffentlich mit Zusatzdiagnose Burn-Out.

Und: Am 10.09.2012 bekanntgegeben: Als erste Krankenkasse in Österreich zahlt jene der Bediensteten der Stadt Wien die gesamte Therapie für Burn-out-Patienten. Näheres zur notwendigen Diagnostik weiß ich leider nicht, ich hoffe aber es ist keine Werbeaktion der Kasse bzw. der Stadt Wien.

Gruß
fliegerbaer