Kommt es zur Wohnungsnot?

Hallo,
aufgrund steigender Zinsen und Preissteigerungen für Rohstoffe wird die Bautätigkeit zurückgehen:

Die Nachfrage nach Neubauten wird aber in den nächsten Jahren nicht einbrechen:

Noch nicht berücksichtigt ist bei dieser Prognose, dass Migrationsströme aufgrund des Ukrainekrieges, des Arbeitskräftemangels in Deutschland und der wirtschaftlich schlechten Situation in vielen Ländern (jeder zehnte Mensch auf der Welt hungert) zunehmen könnten.

Wird es also zu einer Wohnungsnot kommen?

Gruß

Desperado

Nein.

(Beitrag muss mindestens zehn Zeichen lang sein)

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Haben wir die nicht schon seit vielen Jahren - nur, dass man es meist höflicher formuliert, als „Unterangebot“?!

Momentan sind deutsche Politiker und die Medienindustrie ja dabei, die wirtschaftliche Überlegenheit Deutschlands in kürzester Zeit zu demontieren. Damit wird Deutschland auch für Zuwanderer weniger attraktiv. Vielleicht wandern wir bald aus?

Das ist ja kein neues Phänomen. Und hat nur am Rande mit der etwas verminderten Menge gehandelten Weizens durch die versperrten Transportwege aus der Ukraine zu tun. So ist zum Beispiel die Hauptnahrungsquelle in einigen Teilen Asiens der Reis und nicht der Weizen. Dessen Anbau leidet unter den Klimaänderungen. Und dass die Preissteigerungen beim Weizen zu einem großen Teil auf Spekulationen und „Wetten“ zurück gehen, wird nur von einem kleinen Teil der Medienindustrie thematisiert - wie neulich bei „Fakt“.

Mit anderen Worten: es gibt keine neuen Entwicklungen, die nicht von Menschen bewusst herbei geführt werden, sich also auch nicht von Menschen bewusst unterbinden lassen würden. Warum sie nicht unterbunden werden? Ich habe da so eine Theorie…

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Rechnen wir mal. In den letzten 15 Jahren hat sich der pro-Kopf-Wohnraum um ungefähr 10% bzw. 5 Quadratmeter erhöht. Das macht insgesamt ungefähr 400 Mio. Quadratmeter. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 70 Quadratmetern sind das ungefähr 6 Mio. Wohneinheiten - also in etwa 400.000 pro Jahr. Das ist sogar weniger als das, was gebaut wurde.

Wie kommt es? Nun, es tatsächlich so, dass nicht jede Wohnung, nicht jedes Haus abgerissen wird, aus der bzw. dem Menschen ausziehen. Wir haben also kein Wohnraumproblem, sondern ein Luxusproblem. Menschen belegen immer mehr Raum und wollen immer höherwertigen Wohnraum. Wir haben keine Wohnungsnot oder eine Unterversorgung, sondern eine immer höhere Nachfrage nach mehr Luxus pro Kopf.

Das ist auch der Grund dafür, warum wir nicht sofort eine Wohnungsnot bekommen, nur weil mal ein bisschen weniger Wohnraum gebaut wird, weil nämlich alle Menschen in Deutschland schon heute irgendwo wohnen und die deutsche Bevölkerung sehr wenig Wert darauf legt, zu wachsen. Ob nun ein paar hunderttausend Ukrainer für ein paar Jahre bei uns wohnen, spielt da auch keine große Rolle. Der Knick nach unten beim Wohnraum/Kopf fiel 2014/2015 äußerst überschaubar aus.

Gruß
C.

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Nun ja, gegen diese statistische Spitzfindigkeit spricht die Erfahrung, die man macht, wenn man eine Wohnung zum Beispiel in Berlin oder Bremen Sicht (in diesen beiden Orten kenne ich mich diesbezüglich ein wenig aus, in anderen mag es anders sein).

Wenn jede Person mehr Platz beansprucht, ist das alles mögliche: unnötig, ein Problem, klimaschädlich, ein Ausdruck unserer toxischen Lebensweise usw., aber ganz gewiss eines nicht: eine statistische Spitzfindigkeit. Es handelt sich dabei um ein ganz zentrales Problem unserer Zivilisation: um die Größe des ökologischen Fußabrdrucks.

Wenn sie keine Wohnung finden, dann sollen sie sich doch ein Haus bauen.

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um das rauzufinden bietet sich auch mal an einfach das Gegenteil im Internet zu suchen.

Leerstand in deutschland ist z.B. eine suchoption.

https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Wie-wir-wohnen/046-Wohnungsleerstand.html

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Vielleicht sollte ich deutlicher sagen, was ich meine: es ist zynisch, einer dreiköpfigen jungen Familie, die einfach nur zusammenziehen und nicht mehr bei den Eltern wohnen möchte, zu sagen, dass sie ein Luxusproblem habe.

Ja, natürlich könnten wir alle, wie meine Eltern in ihrer ersten Wohnung, in meinen ersten Lebensjahren, wohnen: auf etwa 15 m² in einem Raum, mit kleiner (kalter, ständig feuchter) Waschküche und Toilette über den Hof (fürs ganze Haus und ebenfalls ungeheizt).

Wir könnten natürlich auch wie meine Großmütter auf dem Dorf mit der ganzen Familie mit bis zu 3 Generationen in einem Haus mit einem Raum und Waschküche wohnen.

Ökologisch dürfte das Dein Geschmack sein, wenn ich Deine Worte richtig verstehe.

Nur dann sollten wir auch so konsequent sein, wieder den Anteil der Landbevölkerung zu steigern. Wir sollten wieder hohe Kindersterblichkeit und niedrigeres, durchschnittliches Sterbealter akzeptieren.

Beides hätte auch ökologische und gesamtgesellschaftliche Vorteile.

Aber das entspricht nicht der Entwicklung, die Gesellschaften nehmen, wenn sie sich entwickeln.

Und wenn man akzeptiert, dass verwitwete Menschen in ihrer Wohnung bleiben, wenn man akzeptiert, dass Menschen alleinerziehend sind, akzeptiert man automatisch, dass die Zahl der Wohnungen, die benötigt werden, steigen wird. Das hat also aus meiner Sicht nicht zwingend was mit der Größe der Wohnung zu tun, sondern viel mehr mit den geänderten Lebensweisen der Menschen in unserer Gesellschaft.

Und noch eine Anekdote: meine Wohnungsbaugenossenschaft, die ihrer Satzung seit einigen Jahren in der Niedrigzinsphase wieder gerecht wird und baut, hat keinerlei Probleme, ihre neuen Wohnungen zu vermieten - ohne Annoncen, Werbung oder ähnliches. Das gilt für 3-5 Raum-Wohnungen genauso, wie für 1-Raum-Wohnungen mit 30 m². Der Andrang ist so groß, dass es inzwischen ein Aufnahmestopp für neue Mitglieder gibt. Ich kenne als Vertreter Mitglieder, denen würden für ihre 4 Personen 3 Räume reichen, fast egal, wie viel Quadratmeter - weil sie bisher in überteuerten 2 Räumen wohnen.

Und wie gesagt, mit Blick auf diese Personen, mit Blick auf übliche Wohnungsbesichtigungen, mit Blick auf die rechtlich zweifelhaften Aktionen von Vermietern, von denen auch wir hier immer wieder lesen, halte ich Deine Auswertung der Statistik und der Meinung, die Du daraus ziehst, für zynisch.

Vielleicht sollte ich nochmal betonen, gerade auch mit Blick auf die Karten, die @anon44275120 zwischenzeitlich gepostet hat (Danke dafür), bezieht sich meine Meinung auf Berlin und Bremen und deren Umgebungen.

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Das habe ich nur nie geschrieben und das ist auch nicht die Konsequenz dessen, was ich schrieb.

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Auch wenn es Inhalt und Form Deines Artikels („wenn wir nicht alle ständig in größere und neuere Wohnungen umziehen, müssen wir mit zwei Großfamilien in einem Erdloch wohnen und alle wieder an Diphterie sterben“) eigentlich nicht rechtfertigen, will ich dazu noch etwas sagen: unsere Gesellschaft ist nicht das Maß aller Dinge. Ob nun Tempolimit, Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs, Gesundheitswesen, Bildungssystem… Man darf sich auch mal anschauen, wie die Dinge in anderen Ländern gehandhabt und gelebt werden und damit will ich nicht sagen, dass in Deutschland alles schlecht und es überall sonst total toll ist (muss man ja dazuschreiben).

In anderen Ländern (insbesondere aus dem angelsächsischen Raum ist mir das bekannt) ist es durchaus üblicher, dass man die Wohnsituation auch mal an die Lebenssituation anpasst als in Deutschland. Während man in Deutschland irgendwann Mitte 30 ein Haus baut und aus diesem 50 Jahre später und seit 10 Jahren verwitwet mit den Füßen voran herausgetragen wird, ist es in anderen Gesellschaften durchaus üblich, sich nach dem Auszug der Kinder eine kleinere Immobilie zuzulegen. Über die Gründe, warum man das in Deutschland regelmäßig nicht macht, will ich hier gar nicht lange fabulieren.

Zweiter Punkt: hier wird gerade ein neuer Stadtteil konzipiert. Eine Voraussetzung für die Bewerbung als Architekt war, dass der Wohnraum zu einem gewissen Anteil flexibel gestaltet werden kann - also bspw. durch ein Raumkonzept, das es erlaubt, Räume an andere Wohneinheiten ohne großen Aufwand abzugeben, wenn diese auf der einen Seite nicht mehr und auf der anderen Seite zusätzlich gebraucht werden. Auch das ist kein Allheilmittel, aber beide Beispiele zeigen, dass es eben auch anders geht als es in Deutschland vielfach gelebt wird.

Es gibt viele Gründe für die Lage auf den Wohnungsmärkten in vielen Großstädten. Das Thema ist hochkomplex und nicht mal eben in zwei Sätzen zusammengefasst. Die Probleme werden durch Regulierung, Verdichtung und mehr Neubauten allein aber nicht gelöst werden können.

Zum einen schreckt die Regulierung Investoren ab. Zum anderen ist es - vereinfacht gesagt - mit der Wohnsituation so wie mit dem Straßenverkehr: mehr Straßen führen nicht unmittelbar zu mehr freien Straßen und besserem Verkehrsfluss, sondern zu mehr Verkehr und genauso zieht neuer Wohnraum erst einmal neue Bewohner an, die woanders leeren Wohnraum hinterlassen. Die Nachfrage nach dem neuen, moderneren, großzügigeren Wohnraum in den immer attraktiver werdenden Innenstädten führt dazu, dass die Preise auf hohem Niveau bleiben.

Dass die Größe der Wohnfläche pro Person eben nicht nur an Seniorenhaushalten liegt, die am Ende nur noch von einer Person bewohnt werden, kann man schon daran erkennen, dass sich die Zahl der Wohnungen in Deutschland seit 2010 um knapp 7% erhöht hat, während die Fläche pro Person um 5,3% zugenommen hat. Gleichzeitig ist aber die durchschnittliche Größe der Wohnung nur um gut 1,2% bzw. einen Quadratmeter gewachsen. Die Interpretation dieser Entwicklungen ist auch wieder nicht ganz trivial, aber eines ist sicher: der steigende Platz"bedarf" pro Person liegt nicht nur an den Witwen und Witwern.

Im übrigen lautete die Frage nicht „werden wir auch zukünftig für alle Menschen genau dort die Wohnung für einen vertretbaren Preis anbieten können, die sie gerne hätten und wo sie sie gerne hätten“, sondern „wird es zu einer Wohnungsnot kommen“. Die Antwort auf die Frage lautet schlicht und ergreifend „nein“ - zumindest, wenn man sich als Definition von „Wohnungsnot“ nicht irgendetwas absurdes zusammenphantasiert.

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Siehste. Und ich sage, die haben wir doch schon lange. Auch wenn man was von Luxus zusammenphantasiert und Lebensgewohnheiten in anderen Ländern. Denn auch das ich nicht die Ausgangsfrage gewesen.

Und auch wenn es langweilig wird: ich beziehe mich dabei auf die Situation in Berlin und Bremen und Umgebung.

Der Zug ist bereits abgefahren und Christian einer ihrer Lokführer?!
SCNR

Es ist schön, dass es im Durchschnitt mehr Wohnfläche pro Person in Deutschland gibt als früher. Genauso wie der Mensch im Durchschnitt mehr als genug zu Essen hat - das bringt den 10 % Hungernden aber nichts, wenn die Verteilung nicht gleichmäßig ist. Genau so verhält es sich beim Wohnraum: Die einen können sich viel davon leisten, die anderen eben nur sehr wenig.

Noch ein Beleg für Deine Realitätsferne: Du weißt, dass rund die Hälfte der Menschen in Deutschland zur Miete wohnt. Als Mieter ist es fast unmöglich in eine kleinere Wohnung zu ziehen weil dann der alte, günstige Mietvertrag aufgegeben werden muss und eine neue Wohnung zu den aktuellen, hohen Preisen gemietet werden müßte. In den meisten anderen Ländern ist die Wohneigentumsquote viel höher. Bei Wohneigentum gibt es Sinn eine große Immobilie zu verkaufen um eine kleine zu kaufen weil dann das Geld im Alter zur Verfügung steht.

Pierre hat in seiner Antwort auch nicht nur von Witwen sondern auch von Singlehaushalten allgemein geschrieben. Wieder einmal versuchst Du anderen Worte in den Mund zu schieben gegen die Du dann argumentieren kannst.

Wie definierst Du Wohnungsnot? Klar kann jemand der in München lebt und arbeitet eine bezahlbare Wohnung finden - aber wahrscheinlich irgendwo in Thüringen, wo er eben evtl. keinen Job findet. Ich rede übrigens nicht von der aktuellen Situation sondern davon wie es in einigen Jahren sein wird wenn die Bautätigkeiten zurückgehen aber durch Immigration mehr Nachfrage nach Wohnraum herrschen wird.

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In meiner Gegend befinden sich viele Wohnsiedlungen aus den 60er und 70er Jahren. Gebaut als Zweifamlienhaus mit Ausbaureserve im Dachboden.
Zuerst wurden die von der Bauherrenfamilie bewohnt, die zur Finanzierung die Wohung im OG vermietete.
Dann bekamen die Bauherren Kinder und haben so schnell wie es finanziell möglich war das OG selber genutzt.
Dann wurden aus Kindern Jugendliche und das Dachgeschoss wurde ausgebaut.
Jetzt sind die Kinder aus dem Haus, die Eltern längst in Rente, oft ist ein Ehepartner schon verstorben und das gesamte Haus, in dem mal fünf oder acht Menschen wohnten, wird von einem Senior alleine bewohnt
Wenn man den fragt, warum er nicht Dach- oder Obergeschoss vermieten würde, antwortet der „So lange ich hier lebe, werde ich mir keine Mieter ins Haus holen“.
Das Wort „Mieter“ ist dabei verächtlich auszusprechen, etwa wie „Pest“ oder „Syphilis“.

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Mutmaßlich ist Dir kein blöderer Versuch eines Analogons eingefallen. Wundert mich wenig.

Ob jemand Single ist, weil der Partner verstarb oder einfach nur so das Weite suchte, ist für den Effekt ohne Belang und die - zuletzt übrigens gesunkene - Zahl von Singlehaushalten erklärt auch nicht, warum die Wohnungen immer größer werden.

Jedenfalls nicht so, wie ich es oben schrieb.

hi,

wie ist überhaupt die Definition von Wohnungsnot?

nicht leisten können
nicht leisten wollen
welchen Umkreis nimmt man an
Ausstattung und Größe?
Bezieht man ein, warum die Person nicht selbst ein Haus baut?

Oder sagt man: solang es auch nur eine Person gibt, deren Bedürfnisse nicht komplett erfüllt werden, gibt es eine Wohnungsnot?

grüße
lipi

Ja, Berlin ist ulkig. Ende der 90er musste man noch um sich treten, weil man ständig irgendwelche Notare an den Hacken hatte, die einem einen Kaufvertrag für eine Jugendstilvilla oder einen schicken Altbau nebst Stift unter die Nase hielten und kaum 10 Jahre verfehlte rot-roter Politik Koalitionen in fast allen Bereichen - auch Wohnungsbau - später, wird „auf einmal“ der Wohnraum knapp.

Ja, das verstand ich wohl. Nicht so recht verstand ich, warum die sehr speziellen Situationen in zwei Bundesländern auf Deutschland allgemein übertragbar sein sollen und deshalb Gegenstand Deiner Antwort waren.

Mit phantasieren hatte das recht wenig zu tun. Der Blick in andere Länder sollte demonstrieren, dass wir vielleicht auch an unseren Lebensumständen etwas ändern sollten, anstatt einerseits Neubaugebiete auf ehemaligen Feldern und in ehemaligen Wäldern zu bauen, in die dann - wegen der Natur und der hohen Preise in der Stadt - Familien aus der Stadt ziehen, wo gleichzeitig und andererseits großzügige 2 Zimmer-Lofts mit 130 Quadratmetern mit Consierge-Service hochgezogen und angeboten werden.

Und natürlich ist es ein Luxusproblem, wenn sich innerhalb weniger Jahre der Quadratmeter"bedarf" um gut 10% auf rd. 45 Quadratmeter pro Person erhöht. Das sind bei zwei Personen 90 Quadratmeter, bei der klassischen 3-Personenfamilie schon 135 Quadratmeter bzw. 190 Quadratmeter bei zwei Kindern. Niemand soll in einer 15 Quadratmeter Höhle leben und schon gar nicht mit seinen 17 Kindern, von denen 5 von Bären gefressen und 8 weitere von der Diphterie umgebracht werden, aber die Verhältnisse vor ein paar Jahren (eben die genannten 40 Quadratmeter) waren schon großzügig und es geht eben nicht darum, dass nur weniger Leute auf gleicher Fläche wohnen, sondern darum, dass die Wohnungen weiterhin immer größer werden.

Ja, in den 70er Jahren „brauchte“ man nur rd. 22 Quadratmeter pro Person. Das ist die klassische 65 qm-Wohnung in den Bauten der 60er und 70er Jahre, die heute allenfalls von Paaren, aber eher von Singles bewohnt werden.

Naja, oder von fünfköpfigen Migrantenfamilien. Denn das ist auch eine Realität in Deutschland, dass es nämlich signifikante Unterschiede bei der Nutzung von Wohnraum gibt. Teils natürlich gezwungenermaßen, weil in Migrantenhaushalten weniger Geld zur Verfügung steht. Interessanterweise ist es aber so, dass sich die Wohnraumsituationen von Migranten mit eigener Migrationserfahrung und jenen, die schon in der zweiten Generation hier leben, nicht substantiell unterscheiden.

Ja, OK, dann brauchen wir auch nicht weiterzureden. Wohnungsnot ist für mich, dass es nicht genug Wohnraum gibt und Menschen deswegen zwangsweise auf der Straße, bei Verwandten oder sogar völlig Unbekannten wohnen müssen und der Staat Wohnraum zuweist. So, wie es hier nach dem Krieg viele Jahre war und wie es in der Ukraine auch viele Jahre sein wird. Wenn hier für einige die Wohnungsnot da anfängt, wo sich Geschwister ein Zimmer teilen müssen oder man nicht sofort eine leicht bezahlbare Wohnung in der gewünschten Größe, Ausstattung und Lage findet, kommen wir nicht zusammen.

Den Berlinern möchte man da als Bewohner westdeutscher Großstädte gerne noch „willkommen in der Realität“ zurufen, so war und ist das hier seit wenigstens 35 Jahren.

Ja, von der Sorte kenne ich auch den ein oder anderen. Wobei das tatsächlich nur den Anstieg des Wohnraums/Person erklärt, nicht aber die zunehmende Größe der Wohnungen.

Wenn ich mich richtig erinnere, warst Du doch auch lange der Meinung, dass es in Deutschland keine Armut gibt und dass der Begriff „relative Armut“ gar nicht existieren würde.

Ich bemerke bei Dir zunehmend eine Argumentation, wie ich sie seit Jahren mehr und mehr von Mittelschicht-Journalisten (Link) lesen muss: die Oberschicht wird nicht angegriffen, am besten nicht erwähnt, und wenn doch, dann bitte nur Lobeshymnen. Die Existenz der Unterschicht wird entweder geleugnet oder sie wird diskreditiert. Aber ganz wichtig für die Mittelschicht: bloß nicht auffallen, ganz ruhig durch die Hose atmen, bloß nicht gegen Konventionen verstoßen, denn nach oben aufrutschen wird man nicht, aber nach unten geschickt werden ist recht einfach. Und dann holt man eben Whataboutisms heraus „Armut gibt es nicht“, „Wohnungnot gibt es nicht“, fahre man nach Pretoria, dann weißtem was das ist. Derweil warte ich ich mit einem Long Island Ice Tea auf meine Putzkraft, damit ich zum Pilates fahren kann, mein Weltrettungs-Fahrzeug ist auch komplett aufgeladen. (Den ich noch für eine 6-stellige Summe gekauft habe, mit einer 4-stelligen Subvention, die spätestens dann entfällt, wenn sich auch der Plebs solche Karren kaufen muss, in Ermangelung von Alternativen.)

Ich weiß, die letzten Teilsätze stammen nicht von Dir. Aber diesen Duktus lese ich aus Deinen Zeilen heraus. Und genau diese selbstgefällige, selbstbeweihräuchernde, dem Erhalt der eigenen Scheinwelt dienende, Leugnung und Verdrehung der Realität, vorgetragen durch Mainstream-Journalisten und den von ihnen hofierten Politikern ist es, was mir seit Monaten Angst macht. Angst um Deutschland, Europa und auch den Rest der Welt.

Ich rede mich schon wieder in Rage. Ich werde den Glauben an stetiges Wachstum, einen gewinnbaren Atomkrieg und das Vorhandensein von Chancengleichheit und Solidarität in dieser Gesellschaft durch Worte in diesem Forum genau so wenig vertreiben können, wie den Glauben an Götter oder die Informationsübertragung auf Wasser.

Aber vielleicht habe ich ja wenigstens einen zum ergebnisoffenen Nachdenken angeregt. Dann war es nicht ganz für umsonst.

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