Konditionierung löschen

Liebe Experten,

wie kann man eine Konditionierung löschen?

Ich war fünf Jahre alt, da wurden meine Schwestern auf Erholung geschickt, weil sie gar so dünn waren.
Sie erzählten dann so begeistert, dass ich auch unbedingt dorthin wollte.
Meine Mutter sagte, wenn ich brav, ordentlich und fleißig bin, darf ich auch.
Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich mir damit mein ganzes Leben versaue!!!
Das Erholungslager war nämlich die Hölle für mich. Was sich dort abgespielt hat, war das reinste Gift für eine sensible Kinderseele! Meine Schwestern sind anders veranlagt, denen hat so viel nichts ausgemacht, was mir jedoch enorm zugesetzt hat.
Das Schlimmste für mich war aber, dass ich noch Bettnässer war. Und solche Kinder wurden öffentlich bestraft.
So stand ich Tag für Tag am Pranger und schämte mich zu Tode.
Vier Wochen musste ich das aushalten, denn ich hatte keine Möglichkeit, meine Mutter zu benachrichtigen, dass ich abgeholt werden will.
Als ich dann daheim war, hat mir mein Unterbewusstsein gesagt: „Das passiert dir nie wieder im Leben, du darfst halt nur nicht mehr brav, ordentlich und fleißig sein!“
Was ich seither versucht habe, mein Unterbewusstsein davon zu überzeugen, dass der Schutz gar nicht mehr notwendig ist!!!
Seit damals fehlt mir der Arbeitsantrieb, ja, meine Psyche verhindert sogar mit aller Macht, dass ich meine Pflichten erfülle.
Wenn ich mich aufraffe und sage, das wär doch gelacht, ich schaff das, dann hält das höchstens zwei Wochen an, dann ist die Seele wieder stärker.

Wie kann ich diese Konditionierung löschen?

Sunny

Hai, Sunny,

wie man eine einmal gemachte Konditionierung wieder „löschen“ kann, weiß ich auch nicht.
Ich schlepp auch so’n Ding aus meiner Kindheit mit mir rum - Chaos und Durcheinander sind für mich unsichtbar. Ich hab mir von 'nem trockenen Alkoholiker einen Teil seiner Therapie geklaut: Heute ist wichtig!
Ich hake also „Gestern wieder nicht aufgeräumt“ als vergangen und damit egal ab; ich kümmere mich nicht darum, ob ich es wohl morgen schaffe, aufzuräumen; ich kümmere mich ausschließlich darum, heute ein wenig aufzuräumen und jedesmal, wenn ich dann ein wenig aufgeräumt habe, freue ich mich ganz bewusst darüber (

Liebe Sunny,

ich war fünf Jahre alt, als mir Änliches passierte. Ich wurde mit einer Gruppe 8-12 Jähriger an die Nordsee verschickt. Es war der reinste Horrortrip. Auf der Rückfahrt wollte ich aus dem Zug springen und meine Eltern nie mehr wiedersehen. Ich konnte nicht vergessen was sie mir da angetan hatten. Wochenlang!! habe ich nicht mehr mit Ihnen gesprochen. Als Jüngster damals im Bunde, wurde ich gehänselt und aufgezogen. Insofern kann ich Deine Geschichte gut nachvollziehen.

Wir Alle empfangen in unserer Kindheit Botschaften die z.B. lauten: Wenn Du brav bist…, wenn Du lieb bist…
sei immer ordentlich, sei immer anständig u.s.w. Befolgen wir diese Botschaften und werden in diesen bestätigt, entwickeln wir daraus einen Lebensplan. Experten sprechen davon, dass spätestens mit dem 7 Lebensjahr Dein Plan feststeht und lediglich noch kleine Korrekturen erfolgen. Einem Kind, dem man immer suggeriert, dass es brav und ordentlich sein soll, wird dies entweder ein Leben lang befolgen, oder aber sich genau entgegengesetzt verhalten, also unordentlich und aufsässig.

Kinder, die die Botschaft empfangen, dass sie zu nichts taugen, werden später oft in Führungspositionen arbeiten, weil sie es natürlich allen zeigen wollen.

Wie auch immer, irgendwann wurde mir bewußt, dass meine Eltern NICHT SCHULD sein können, denn meine Eltern haben es immer gut mit mir gemeint. Sie haben mich geliebt. Ich geh mal davon aus, dass die große Mehrheit der Eltern es gut meint. Dennoch entwickeln sich solche Lebenspläne und mein Weg der Änderung, dieses unsinnigen Planes sah so aus, dass ich mir bewußt gemacht habe, dass ich heute, als Erwachsener, die Möglichkeit habe, zu sagen: na schön, damals war das so, aber heute brauche und möchte ich nicht mehr danach leben.

Jeder Lebensplan, kann (jederzeit) geändert werden. Die Schwierigkeit liegt wohl zum Einen daran, dass es vielen Menschen schwer fällt, sich davon zu lösen (Eltern haben ja immer recht), zum Anderen sind es lange antrainierte (eingeimpfte) Verhaltensweisen, die wir „mechanisch“ ausüben.
Wichtig für mich war, mir immerwieder klar zu machen: Ich bin erwachsen und muss mich nicht mehr nach Botschaften aus der Kindheit richten. Ich bin zuständig für mein heutiges Leben und nur ich bestimme, wie dieses aussieht. Geholfen hat mir, dass ich mich auf „Neues“ eingelassen habe, experimentiert und ausprobiert habe, begleitend habe ich das Buch „Wie man Lebenspläne verändert“ von Claude Steiner gelesen.

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Liebe Grüße

Frank

Lieber Sunny

Denke es gibt einen Ausweg, Du musst all den Menschen die Dir so was schreckliches angetan haben verzeihen. Verstehe mich richtig, meine damit nicht, es gut zu finden. Ihnen nur zu verzeihen. Vielleicht hilft Dir dabei, dass sie es wahrscheinlich gut gemeint haben.Es kann ein schwieriger Prozess sein, Ihnen zu verzeihen, aber ich bin sicher, dass es Dir danach besser gehen wird. Wenn Du es versuchen willst, kann ich Dir eventuell noch etwas helfen, schreib mich dann via e-Mail an

Gruss
Beat

Hallo sunny,

du hast mein volles Mitgefühl für deine Situation. Es ist traurig zu lesen, welche Konsequenzen durch welche Reize ausgelöst werden können.

Aber nun zur Sache:

Grundsätzlich gilt, dass die sogenannten Konditionierungen schwer zu löschen sind, da die auslösenden Reize (bei dir brav, fleißig etc.) nicht immer dijenigen sind, die das Verhalten „steuern“. Vielmehr können auch ähnliche gelagerte Reize dies auslösen.

Versuche deshalb einmal in deiner Umgebung zu schauen, welche anderen Reize dich zu deinem Verhalten führen (Oft ist der Gemobbte der Mobber, nur so zum Beispiel).

Desweiteren solltest du unter Zuhilfenahme von Experten, nochmals in die Situationen reingehen. Bitte nicht nur mit einer guten Freundin!
manchmal muss man Anlauf nehmen, um über eine Mauer zu springen.

Frage dich doch auch einmal, inwieweit dieses Verhalten dir nützt, aber ehrlich antworten.
Hat auch etwas mit Eigenverantwortung zu tun

Ansonsten verzichte bitte auf Experimente. Könnte daneben gehen.

Alles Gute weiterhin

Lothar

Hallo Lothar,

Versuche deshalb einmal in deiner Umgebung zu schauen, welche
anderen Reize dich zu deinem Verhalten führen (Oft ist der
Gemobbte der Mobber, nur so zum Beispiel).

Vereinfacht dargestellt könnte man sagen, dass jede (äußere wie innere) Aufforderung zur Pflichterfüllung alles in mir zusammenkrampfen lässt, und ich die Flucht ergreife.

Desweiteren solltest du unter Zuhilfenahme von Experten,
nochmals in die Situationen reingehen. Bitte nicht nur mit
einer guten Freundin!

Ich war schon in psychiatrischer Behandlung. Die Neurologin sagte, sie könne den Schaden nicht beheben, allenfalls Hilfestellung zum Umgang mit der Situation geben.
Weiters meinte sie, da der Vorfall schon so lange zurückliegt, könne mir höchstens ein Tiefenpsychologe helfen, aber der sei sehr teuer, und die Erfolgsaussichten seien gering. Diese Möglichkeit habe ich also nicht versucht.

Frage dich doch auch einmal, inwieweit dieses Verhalten dir
nützt, aber ehrlich antworten.

Es nützt mir nichts, es schadet mir nur.
Würde meine Umgebung (früher: Eltern, Lehrer, jetzt: Ehemann) meinen psychischen Schaden anerkennen, wäre es eine prima Ausrede für eine Menge Unzulänglichkeiten, und ich würde sicher reichlich davon Gebrauch machen.
So aber sehe ich mich seit dem Vorfall nur mit Vorwürfen („Du bemühst dich nicht!“ „Jetzt reiß dich doch zusammen!“ „Wenn du nur wolltest, könntest du!“ etc.) konfrontiert. Dieses Unverständnis hat mich schon oft am Leben verzweifeln lassen. Mein Kummer begründet sich also nicht nur auf das Fehlen jeglichen Arbeitsantriebes sondern auch auf den Druck, der von meiner Umgebung seither auf mich ausgeübt wird und den ich manchmal meine, nicht mehr ertragen zu können. (Schelte Tag für Tag, Jahr für Jahr, obwohl ich mich immer so bemüht habe, das zermürbt!)

Ansonsten verzichte bitte auf Experimente. Könnte daneben
gehen.

Soeben ist das etwa 1749. Experiment gescheitert.
Ich bin zutiefst deprimiert.

Sunny

Hi sunny,

tut mir aufrichtig leid das du schon 1749 mal probiert bei anderen Rat zu suchen. (Im weitestem Sinne.)

Also erstens:

Eine Neurologin kann dir wahrscheinlich nicht helfen. Da ist richtig. Aber ein Tiefenpsychologe kann es wesentlich besser (z.B. Hypnose) Die meisten dieser Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Also frag mal nach!

Zweitens:

Wenn ich deien Antworten so lese, kommt mir das Gefühl der Selbstgerechtigkeit und der Selbstbemitleidung.

Grundsätzlich gilt: Helfen kannst du dir nur selber. Die anderen können dir nur Impulse geben. hat aber nur Zweck, wenn du wirklich willst.
Wir im Rheinland sagen: Net kalle, donn!! oder zu deutsch: Nicht reden, tun.

Du hast ein hartes Stück Arbeit vor Dir. In erster Linie aber musst du für dein Tun Eigenverantwortung übernehmen. und zwar uneingeschränkt. Jammerei bringt dich hier nciht weiter.

Eben Net kalle, donn.

Dazu gehört auchdass dur leren musst Altgewohntes loszulassen, auch wenn es z.B. dein Mann ist odr andere dir liebgewonnen Sache oder Menschen.

Ich wünsch dir alles Gute. Kannst mir ja mal über den weiteren Stand der Dinge berichten am besten per e-mail.

Gruß Lothar