Hallo,
was ist von solchen Aufschriften zu halten ? Reiner Werbegag oder tatsächlich eine brauchbare vertrauensbildende Aussage ?
Wer kontrolliert hier wen oder was ?
Gruß
Wolfgang
Hallo,
was ist von solchen Aufschriften zu halten ? Reiner Werbegag oder tatsächlich eine brauchbare vertrauensbildende Aussage ?
Wer kontrolliert hier wen oder was ?
Gruß
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
Wer kontrolliert hier wen oder was ?
Wenn keine Aussage darüber gemacht wird, nach welchen Richtlinien (z.B. von Erzeugergemeinschaften) kontrolliert wird, ist diese Aussage ein Allgemeinplatz: Bei jedem Milchlieferanten wird auf Keimzahlen, Milchfettgehalt etc. kontrolliert. Jede Obstkultur wird auf Schädlingsbefall kontrolliert. Zuckerrübenlieferungen auf Schmutz und Zuckergehalt. Etc. etc.
Daher ist die Aussage erlaubt, weil irgendeine Kontrolle in allen Fällen belegt werden kann.
Die „weitmaschigste“ Stufe von derlei Aussagen, die nicht bloß der Werbung dient, heißt „integrierter Anbau“ = keine prophylaktische Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Pflanzenschutzmaßnahmen nach dem sog. Schadschwellenprinzip.
Schöne Grüße
MM
Hallo allerseits,
Die „weitmaschigste“ Stufe von derlei Aussagen, die nicht bloß
der Werbung dient, heißt „integrierter Anbau“ = keine
prophylaktische Anwendung von Pflanzenschutzmitteln,
Pflanzenschutzmaßnahmen nach dem sog. Schadschwellenprinzip.
genau das ist der springende Punkt, den man nicht oft und genau genug nennen
kann: „Integrierter Anbau“ ist eine ungeheuer gute Erfindung: Es klingt sehr
„integer“, ist es aber nicht. Die meisten Leute sind baff, erklärt man ihnen,
dass hier sehr wohl Pestizide gebraucht werden - integriert in den Anbauprozess
ist nur der Hersteller der Mittel, der dem landwirt sagt, wieviel er verwenden
soll (und im Interesse des Herstellers ist sicher nicht ein möglichst geringer
Verbrauch …).
Gruß
Bolo2L
Hallo BoLo2L,
integriert in den Anbauprozess ist nur der Hersteller der
Mittel, der dem Landwirt sagt, wieviel er verwenden soll
hier sei eine kleine Ergänzung erlaubt:
Als schön klingender und nicht sehr präzise definierter Begriff öffnet der „Integrierte Anbau“ reklamehaftem Trommeln natürlich Tür und Tor. Im eigentlichen Sinn geht es dabei aber nicht um vertikale Integration, wie bei den Stöverschen Frittenkartoffeln, bei denen der Landwirt gar nichts mehr selber beeinflussen kann und im Prinzip Lohnunternehmer für den Abnehmer ist (welcher gleichzeitig als Zulieferer der Ressourcen außer Boden und Arbeitskraft auftritt), sondern um die horizontale Integration der Phytopathologie mit den anderen Disziplinen, die für die Produktion von Bedeutung sind: Betriebslehre, Pflanzenzucht, Agrartechnik, Pflanzenernährung, Bodenkunde etc. Also nicht mehr der „saubere Acker“, sondern die Behandlung nur dann, wenn der erreichbare Mehrertrag den zusätzlichen Aufwand übersteigt, und nur wenn es keine weniger aufwendige Maßnahme gibt, die das gleiche Ergebnis bringt.
Es ist richtig, dass dieses Konzept eine viel geringere Reduzierung des Pflanzenschutzaufwandes erbracht hat als seine Väter (Heitefuß und andere) Anfang der 1980er Jahre erwartet hatten. Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass bei dem im Vergleich zu einem ungelenkten Markt immer noch überhöhten Erzeugerpreisniveau (bitte nicht schlagen, ich habe draußen gearbeitet und weiß, wie bitter das für die Betroffenen klingt) die Grenzerträge so hoch sind, dass fast jede Pflanzenschutzmaßnahme in irgendeiner Weise rentabel ist.
Eine Rolle dürfte auch spielen, dass die Intensität des Anbaues tendenziell überhöht ist, weil die Pachtpreise von einer großen Zahl von Landwirten beeinflusst werden, die in ruinösem Wettbewerb um nicht jeden, aber doch einen hohen Preis im Geschäft bleiben wollen - es gibt zu wenige alternative Erwerbsmöglichkeiten, und eine Portion Ideologie spielt auch eine Rolle. Als wir 1988 überlegt haben, einen Milchviehbetrieb zu übernehmen, der durch Zupacht von 80 auf 140 Milchkühe aufstockbar gewesen wäre, haben wir festgestellt, dass örtlich allein für die Milchproduktionsrechte Preise deutlich oberhalb des Deckungsbeitrages bezahlt werden.
Bei allem ist das Konzept des integrierten Pflanzenbaus nicht ganz erfolglos geblieben: Fungizidanwendungen im Obst- und Beerenanbau sind nur noch bei den inzwischen „altmodischen“ Sorten sinnvoll, die ausschließlich auf Ertrag gezüchtet sind - Golden Delicious allen voran. Wer bei Äpfeln aus integriertem konventionellem Anbau wenig oder nicht behandelte Ware haben will, hält sich an die Resistenzzüchtungen aus Pillnitz, erkennbar an der Silbe „Pi-“: Pilot, Pinova, Piros etc. (Jaja, „es war nicht alles schlecht“ gilt für den Pflanzenbau auf jeden Fall; wenn unsere Kühe nicht am Rio de la Plata weiden würden, wäre auch die Futterrübe „Brigadier“ eine enorme Bereicherung für Trizonesien gewesen usw.).
Der wichtigste Erfolg dieses Konzeptes scheint mir in den Köpfen der Landwirte stattgefunden zu haben: Idealbilder, von denen jeder wußte, dass sie nicht rentabel sind, die man aber „wegen der Nachbarn“ anstrebte, sind nicht mehr so wichtig. Etwa der Kartoffel-, Mais- oder Weizenacker, der Stickstoff kriegt, bis die Blätter fast schwarz sind und ein Drittel des aufgewendeten N im Grundwasser landet. Oder der Rapsbestand, der so dicht ist, dass „eine Katze oben drübergehen kann“. Generell der „saubere Acker“, auf dem idealerweise überhaupt nichts wächst außer der jeweiligen Kultur.
Fazit: So ganz hohl ist das Konzept vom integrierten Pflanzenbau nicht, aber es kann nicht greifen ohne flankierende ökonomische Maßnahmen, etwa die Entkoppelung von Subventionszahlungen (wenn diese denn politisch erwünscht sind) und Erzeugerpreisen, um die optimale Intensität der Produktion insgesamt herunterzufahren.
Mit diesem nicht sehr systematischen, aber hoffentlich ein wenig erhellenden Rundumschlag grüßt
MM