Hi,
eigentlich scheint auf den ersten Blick alles klar zwischen
unseren Ansichten: einer dafür, einer dagegen.
Nun, lass mich dennoch auf Dein Schreiben antworten - Du
forderst mich dazu auf. Es möge nützen wem auch immer.
[Seufz] 
„Definiere in diesem Zusammenhang doch bitte mal dein
Verständnis des Begriffs Kultur.“
Kultur, von colere=pflegen, ist eine Gepflogenheit, die man
nach meinem hier gemeinten Verständnis mit anderen gemeinsam
hat. Also meine ich schlichtweg alle Dinge, die uns nicht
geradewegs in die Einsamkeit und nicht ins Abseits führen. Es
gibt zwar auch die Möglichkeit des Einzelnen, etwas zu
kultivieren, da aber die Dinge, die jemand allein kultiviert,
hier keine Rolle spielen, lasse ich sie aus.
Oh Mann.
Ok, ich formuliere meine Frage um: Was gehört für dich ganz konkret zum kulturellen Leben?
Es ist eine Binsenwahrheit, dass jede, aber auch jede
Gemeinschaft, und also eigentlich auch jede Gepflogenheit, es
sei denn eine im stillen Kämmerlein des Einzelnen, in der
Gefahr schwebt, dass jemand frisst und jemand gefressen wird.
Hm, ich merke schon, dass mein Verständnis von Konkretisierung nicht kompatibel zu deinem ist.
„Etwa die Aufklärung - siehe Revolution und Napoleon…?? -
Was willst du damit sagen? Warum drückst du dich nicht mal
klar aus?“
Damit will ich sagen, dass es Leute gibt, die eine Haltung von
sogenannter „Aufklärung“ an die Stelle von Gemeinschaft des
Glaubens setzen wollen und dass diese Haltung m. E. in eine
Sackgasse führt.
Was ist denn jetzt auf einmal eine „sogenannte Aufklärung“?
Meinst du Kant? Meinst du jemand ganz anderen?
„Etwa die Menschenrechtsbewegung - siehe alleinerziehende
Mütter…?? -
Wie meinen?“
Damit meine ich, dass es Leute gibt, die glauben, Gemeinschaft
im Sinne von gemeinsamen Werten sei nicht notwendig;
Grundrechte reichen aus, sagen sie, und übersehen, dass das
Leben mehr Verantwortung füreinander fordert, als mit
Grundnormen ausgesagt werden kann.
Wenn wir nur soviel voneinander nehmen und geben, wie
vorgeschrieben ist, gehen wir fehl. Es ist wichtig, dass der
Mensch nach anderem sucht und anderes findet - beispielsweise
nach einer Aufgabe als Vater - und daher die Rede von der
„alleinerziehenden Mutter“, die meiner Ansicht nach ihren Weg
leider nicht immer selber gewählt hat, sondern oft
gezwungenermassen dort ist wo sie ist, weil die Herren der
Schöpfung zuwenig Verständnis und Verantwortungsgefühl
aufbringen.
Es gibt nicht so viele Typen von allein erziehenden Müttern:
Er hat sie verlassen
Sie hat ihn verlassen
Sie ist Witwe
Sie hat nur einen Erzeuger gebraucht, möchte den Rest aber allein bewältigen.
In zwei Fällen trägt sie die Verantwortung, in einem er, einer ist Schicksal.
Anders verhält es sich natürlich, wenn sie ihren
Weg selbst gewählt hat. Ich halte es aber für mühsam, wenn
jede Familie sich zuerst selbst zu definieren hat und keine
Grundhaltung in der Gesellschaft ist, die eine Grundlage
vorgibt. Das heisst übrigens noch nichts von einem Verbot,
einem solchen stünde auch ich skeptisch gegenüber.
Aber offenbar nicht generell ablehnend. Was genau würde denn da verboten werden sollen?
Aber das
soll alles nur ein Beispiel sein.
Man kann übrigens diskutieren, ob es an sich gut gewählt ist -
es sollte vor allem auf das nun Folgende hinweisen.
„Etwa der Staat - usw…?
Ja was denn nun?“
Es gibt Oberschlaue, die wollen die Verantwortung aus
Institutionen wie der Kirche heraus auf etwas übertragen, das
in ihren Augen ach so transparent und ach so volksnah ist, den
lieben guten alten Staat.
Dieser Staat sind wir alle.
Das halte ich für Gift. Ansätze könnte man eben zum Beispiel
im Vaterschaftsrecht (siehe oben, daher das Beispiel) oder
aber in vielen Bereichen des Strafrechtes erblicken, wo
durchaus angelegt ist, dass im Alltag mancher Beamter oder
manche Beamtin für ihre „Schäfchen“ sorgen muss wie eine
Mutter oder Tante; das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass der Staat nie und nimmer fähig ist, unser aller Leben
auch in seinen Gebräuchen und gemeinschaftlichen Handlungen
auch nur ansatzweise vernünftig zu lenken, und dass es eben
andere Institutionen auch noch braucht.
Natürlich braucht man auch andere Institutionen im Staat, aber keine Kirche. Zumindest nicht mit den heutigen Rechten.
Nebenbei gesagt, halte ich es für eine Errungenschaft, dass
nicht alle Macht in einem Topf ist, weder beim Staat, noch bei
der Kirche; einen Kirchenstaat will ich zwar nicht zum
Vorneherein verurteilen, wenn er denn gute Grundsätze umsetzen
würde, aber es hat sich doch gezeigt, dass es sich für die
meisten Leute gut leben lässt, wenn es beides gibt (und
übrigens den Staat auch nicht nur auf einer Ebene, also als
Staatenbund, Land, Bezirk, Gemeinde usf.).
Nun ja, die Weisheit der Binse halt. Die Gewaltenteilung ist mittlerweile ein alter Hut und hat sich gut bewährt - in einer Demokratie. Da die Kirche, besonders die katholische, keine oder nur sehr rudimentäre demokratischen Strukturen hat, erübrigt sich das dort wohl.
„Was gibt es sonst noch? Nein, es gibt die Kirche oder
nichts.
Das ist nicht dein Ernst, oder?“
Nun hast Du natürlich die Möglichkeit, alles das, was die
Kirche tut, in einen privaten Raum hinüberzuschicken. Du
kannst theoretisch sagen: Verein ohne Kirche geht auch.
Das kann ich sogar praktisch sagen, denn genau das ist mein Anliegen. Glaube und Kirche sind beides reine Privatsache.
Da halte ich gegen: Ich möchte manchmal ganz schön grosse
andere öffentliche Bereiche auch ins Private abdrängen, und
dazu gehört ein grosser Teil des Staates. Ob da alle
einverstanden wären?? Wenn aber jemand ernsthaft die Kirche
ins Private versorgen will, möchte ich ihn fragen: Was ist
Dein Ersatz? Glaubst Du wirklich im Ernst, die Lücke werde
nicht durch andere und anderes gefüllt, und das umso mehr, je
mehr es sich um eine Machtlücke handelt? Nein, es herrscht
Fressen und Gefressenwerden, und die Kirche hat wenigstens
definiert, dass es noch Besseres anderes gäbe.
Wer sollte denn wen fressen, wenn die Kirche mal privat würde?
Dass sie Menschen beinhaltet und dass Menschen Fehler machen,
brauchst Du mir nicht vorzulesen noch zu dozieren.
Immerhin dauert es bei der (kath.) Kirche doch recht lange, bis diese Fehler überhaupt erst mal zugegeben werden. Wie lange z.B. hat es gedauert, bis Galileo Galilei rehabiltiert wurde? Es waren doch einige hundert Jährchen, nicht? Ähnlich war es mit der Rolle der Kirche während der Naziherrschaft. Zwar hat es diesmal nicht so lange gedauert, aber mühsam war es trotzdem und halbherzig obendrein.
„Im übrigen: was ist z.B. mit dem Verbot der
Empfängnisverhütung selbst im Aids-durchseuchten Afrika? Ich
nenne so etwas Gewaltausübung.“
Die Kirche hat den Ehebruch verboten;
Echt? Und ich dachte immer, das sei Gott gewesen.
Empfängnisverhütung in
der Ehe ist mit einem bestimmten Vorgehen erlaubt; Kondome
sind nach kirchlicher Ansicht immer noch ein weit besserer
Verwendungsgegenstand als ein vorsätzliches (oder
eventualvorsätzliches) Anstecken mit einer tödlichen
Krankheit, man vergleiche etwa einen Mord mit dem einmaligen
Geschlechtsverkehr zweier Verlobter kurz vor der Heirat und
tue jetzt noch so, als ob die Kirche beides in einen Topf
schmeisse, weil ja beides verboten sei…
Das alles kannst du aus meiner obigen Frage nicht herausgelesen haben, weil es nicht drin stand.
Das mit dem Kondomverbot ist zwar tatsächlich ein Trauerspiel,
aber Schuld daran ist nicht die Kirche, sondern die mangelnde
Kommunikation vor allem seitens von Kirchenkritikern.
[Loriot] Ach was! [/Loriot]
Selbstverständlich begeht der Kondombenützer eine viel
kleinere Sünde als der, der es nicht benützt und das andere
doch tut!
Na, da bin ich aber deutlich beruhigt, dass es „nur eine kleine Sünde“ ist, Kondome zu benutzen.
Ich fasse es nicht.
„Von Opus Dei will ich erst gar nicht anfangen.“
Das ist ein anderes Problem. Weisst Du, Opus Dei kenne ich
hauptsächlich aus negativen Schlagzeilen von voreingenommenen
Parteileuten.
Du willst also sagen, dass alles gar nicht so schlimm ist.
Wenn ich auch durchaus bereit bin, das Thema
auszuklammern, weil auch ich darüber nicht alles weiss und
übrigens der Sache (wegen all dieser negativen Schlagzeilen)
auch durchaus skeptisch gegenüberstehe, möchte ich doch nicht
auslassen, Dir vorzurechnen, dass ich darüber wohl wenigstens
so gut Bescheid weiss wie Du.
Da bin ich ja froh.
Dialog in Offenheit heisst das Gebot der Stunde, zwecks Aufbau
von Vertrauen.
Eben. Und es wäre schön, wenn du dich dran hieltest. Leider ist das, zumindest meiner Meinung nach, keineswegs der Fall.
Ich denke nach der Lektüre auch dieses Postungs hier, dass du ein erzkonservativer beinharter Verfechter kirchlicher Dogmen bist, hier aber auftrittst, als hättest du Kreide gefressen.
Ich halte dich in diesem Punkt für nicht aufrichtig. Sollte ich mich irren, werde ich mich entschuldigen, aber rein vom Gefühl her liege ich mit meiner Vermutung wohl richtig.
Viele Grüße
WoDi