Kreislaufschwierigkeiten psychologisch bedingt?

Hallo Ihr,

komme gerade vom Fäden ziehen (Mundbereich) und es hat mich dabei mal wieder fast umgehauen. Gleiches bei der OP vor 10 Tagen.

Rein körperlich sollte so ein kleiner Eingriff - insbesondere unter Betäubung - doch einfach zu verkraften sein: kein Blutverlust, keine Schmerzen (da Betäubung), keine extremen physischen Einwirkungen.

Dann müsste so ein Kreislaufproblem größtenteils psychologisch bedingt sein? Und das, obwohl es keine negative Vorerfahrung gab (im Sinne von: bei einem anderen Eingriff gab’s plötzlich starke Schmerzen oder so), Arzt und Helfer sehr vertrauenserweckend schienen etc.

Gibt es Methoden, wie man seinen Körper (oder eigentlich eher die Psyche) austricksen kann?

Schöne Grüße
Uli

Integritätssphäre
Hi Uli,

komme gerade vom Fäden ziehen

Dann müsste so ein Kreislaufproblem größtenteils psychologisch bedingt sein?

Es ist jedenfalls vermutlich nicht _physio_logisch bedingt.

Die Hautoberfläche ist im Selbst-Erleben eine „Integritätssphäre“, also eine äußerst sensible Grenze der Innen/Außen-Regulierung. Im Selbstbefinden ist das ein ebenso entscheidendes Thema wie die Nähe-Distanz-Regulierung in der personalen Interaktion.

Eine Grenzüberschreitung in diesem Bereich läßt sich nicht so leicht abfangen und manche Menschen reagieren darauf besonders sensibel, die meisten vor allem beim setzen von Spritzen oder Blutabnahme. Besonders also bei punktuellen Bedrohungen. Das kommt daher, weil dann - im Unterschied z.B. zu einer Verbrennung am Bügeleisen oder einer Zigarette - die bewußte Abwehrmöglichkeit unterminiert wird.

Warum dann meist der Kreislauf zusammenbricht, also der Körper anders reagiert als bei anderen Ängsten (Pupillenweitung, Pulsfequenz usw.), wissen andere vielleicht besser.

Gruß

Metapher

der Stich

noch ergänzend:

Die Verwandtschaft der punktuellen Grenzüberschreitung bei der Nähe-Distanz-Regulierung und der Innen-Außen-Regulierung entlarvt sich auch im Sprachgebrauch:

Wenn dich jemand verbal angreift, kannst du es ggf. „nicht an dich rankommen lassen“ oder es innerlich „abfangen“. oder es geht dir „am A** vorbei“.

Wenn dir aber jemand „einen Stich versetzt“, dann gibt es keine Abwehr und es geht „unter die Haut“.

Metapher

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Hallo Uli,

es ist wohl der krampfhaft unterdrückte Flucht- Abwehrtrieb, der uns so reagieren lässt.
Dein vegetatives System (Unterbewusstsein), voller Adrenalin, sagt sozusagen ständig:" „Hau´ dem Zahnarzt eine rein und dann renn´ weg!“
Dein Verstand sagt dagegen: „Bleib schön brav sitzen und mach den Mund auf!“
Dadurch kommt es dann zu Störungen, die in gewissem Sinne der Seekrankheit, gegen die wir uns ja auch nicht wehren können, ähneln.

Zahnarzt ist wohl auch deshalb von vielen so sehr gefürchtet, weil er so nah am Kopf hantiert.
Übrigens soweit meine Erfahrungen reichen, mehr von Männern als von Frauen.

Gruß, Nemo.

Warum dann meist der Kreislauf zusammenbricht, also der Körper
anders reagiert als bei anderen Ängsten (Pupillenweitung,
Pulsfequenz usw.), wissen andere vielleicht besser.

Hallo Metapher,

eigentlich hast du es ja selbst schon gesagt!
Angst soll entweder Abwehr oder Flucht auslösen.
Beides ist hier nicht möglich, weil vom Bewusstsein unterdrückt, also bleibt nur der Ausweg in die Ohnmacht.

Gruß, Nemo.

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Hallo Du,

Hm naja kann es auch nicht die Betäubung sein, oder der Geruch beim Arzt,irgendwelche dort eingesetzten Desinfizierungsmittel oder so, stickige Luft als Auslöser?

Weil also sonst sollten doch anderen psychisch belastenderen Situationen erst recht Kreislaufprobleme auslösen, tun sie aber bei dir scheinbar nicht? hast zumindest nicht erwähnt.

Sophie

MOD: Vollzitat gelöscht

Hi Nemo,

eigentlich hast du es ja selbst schon gesagt!

Keineswegs. Diese Frage könnte bestenfalls ein in der Psychosomatik Kundiger beantworten.

Angst soll entweder Abwehr oder Flucht auslösen.

Nicht die Angst, sondern bestimmte physiologische Auswirkungen bestimmter Ängste. Es gibt Ängste, die, soweit ich informiert bin, keine Adrenalinausschüttung (mit u.a. den erwähnten Erscheinungen) zur Folge haben.

Beides ist hier nicht möglich, weil vom Bewusstsein unterdrückt

Ja, aber es gibt viele Situationen, in denen eine Fluchtreaktion von Vernunftargumenten gebremst wird, bei denen NICHT Blutdruckabfall die Folge ist. Vor Operationen z.B.

Daß sich diese Reaktion ganz speziell bei punktuellen Durchdringungen der Körperoberfläche zeigt, scheint mir nicht trivial zu sein. Ich weiß leider aktuell nicht, was die Psychosomatik darüber weiß.

also bleibt nur der Ausweg in die Ohnmacht.

Es war nur von Blutdruckabfall die Rede. Aber interessant, bist du mit sämtliche Möglichkeiten körperlicher Reaktionen so vertraut, daß du hier ein „bleibt nur“ postulieren kannst? :smile:

Gruß

Metapher

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Hallo Metapher,

ich vergesse immer wieder zu betonen, dass ich keineswegs Fachmann in Psychologie und verwandten Gebieten bin!

Deswegen ist es auch nur ein Deutungsversuch, den ich hier anzubieten habe, zusammengesetzt aus eigener Erfahrung und ein bisschen Allgemeinwissen.

Natürlich reagieren Menschen ganz unterschiedlich, so hatte ich vor einer Operation mit Narkose keinerlei Angstgefühle, bin aber fast umgekippt, als mir anlässlich einer aufgeplatzten, genähten Augenbraue die Fäden gezogen wurde. Auch hier war eigentlich kein Schmerz, sondern nur ein leichtes Ziepen merkbar.

Das Zusammenbrechen des Blutdruckes, also das plötzliche blass werden, scheint mir jedoch sehr verwandt zu sein, mit dem Stadium des „weißen Zorns“. Dem Moment, in dem sich die äußeren Blutgefäße zusammen ziehen, um bei allfälligen Verletzungen den Blutverlust möglichst gering zu halten. Wobei die inneren Organe, auch das Gehirn plötzlich stärker durchblutet werden als vorher. Ein rein vegetativer Vorgang, der dir sicher bekannt ist.

Aus dieser Situation, die natürlich auch durch Verletzungsangst ausgelöst werden kann, gibt es eigentlich nur zwei Auswege, den rasenden Angriff oder den Zusammenbruch des Kreislaufs.

Ich hoffe, ich habe mich nunmehr etwas verständlicher ausgedrückt.

Gruß, Nemo.

MOD: Vollzitat gelöscht

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Hallo Uli,

nachdem ich auch in verschiedenen Situationen (meistens Stress-Situationen) das Gefühl hatte „jetzt kipp ich weg“, hab ich mal meinen Hausarzt gefragt.

Er meinte, das hätte etwas mit dem vegetativem Nervensystem zu tun, der Sympaticus und Vagus würden sich nicht „richtig verstehen“.

Genauer erklären kann ich das nicht, weil mir die fachlichen Kenntnisse fehlen.

Verstanden hab ich, dass das etwas mit Stress zu tun hat. Selbst wenn ich den Stress in dem Moment in dem Moment nicht so bewusst empfunden habe.

Fluchtgedanken hab ich beim Zahnarzt allerdings immer :wink:, deswegen find ich es gar nicht so abwägig, wenn da irgendwo der Gedanke ist „hier möcht ich grad gar nicht sein“.

Entweder hat sich das bei mir mittlerweile „verwachsen“ oder mein Sympaticus und Vagus haben jetzt eine Kommunikationsmöglichkeit gefunden. :smile:

Liebe Grüße
usch