Hallo Vlado!
Ein sehr klärendes Email, allerdings bin ich der Ansicht, daß 3 (eine Aussage kann nicht sinnvoll selbstbezüglich sein) nicht ganz richtig ist.
So ist m. E. die Aussage : „Alle Sätze sind entweder wahr oder falsch oder sinnlos“ unproblematisch obwohl sie einen Selbstbezug enthält. Auch „Dies ist ein Satz der deutschen Sprache“ wie ähnliche Sätze sind m.E. unproblematisch.
Das Problem bei den Antinomien scheint nicht der Selbstbezug, sondern eine Kombination von Selbstbezug und Negation des Selbstbezuges (oder negation von allgemeinen impliziten Voraussetzungen, wie dass es ein w a h r e r Satz ist oder eben ein w o h l g e f o r m ter Satz ist, etc.) zu sein.
(Es gibt sogar ganz wilde Überlegungen, die versuchen zu zeigen, daß der Satz „Kein Satz darf sich aufsich selbst beziehen“ selber antinomisch ist, und daher die typentheoretische Lösung des Antinomienproblems nicht funktioniert. Das Argument ist in etwa, daß ich einen Selbstbezug nicht verbieten kann, ohne selber eine Antinomie aufzustellen. Ähnlich wie bei dem Schild mit der Aufschrift „Ignorieren Sie dieses Schild“ ist nicht ganz klar, was es heißt, dass für alle (!) Sätze gilt, daß ich sie nicht auf sich selbst anwenden darf - was ist dann mit diesem Satz selbst? Ich habe hier nämlich die merkwürdige Situation, daß ich ihn genau dann auf sich selbst anwende, wenn ich ihn nicht auf ihn selbst anwende, weil er dann auch für sich selbst gilt, wenn ich ihn nicht aufsich selbst anwende — ich hoffe, dass das einigermassen Sinn ergibt, was ich hier schreibe…)
Im Übrigen stimme ich Kubi zu (siehe unten), daß „Alle Kreter lügen“ ‚falsch‘ ist und nicht im strengen Sinne antinomisch, aber diese Diskussion hatten wir hier -glaube ich - schon vor einiger Zeit ein mal. (Wenn der Satz wahr ist, ist er falsch; aber wenn er falsch ist, ist er auch einfach nur falsch, da die Verneinung von „Alle Kreter lügen“ nicht ist: „Alle Kreter sagen die Wahrheit“ sondern nur „Einige Kreter lügen“. Der Kreter der also behauptet, daß alle Kreter lügen, hat damit in beiden Fällen nicht recht. ).
mfg, Andreas
- Die Aussage darf nicht selbstbezueglich sein. Was heisst
das? Etwas ausholend: Wenn wir uns ueber Aussagen (und Sprache
allgemein) unterhalten, gibt es immer zwei Ebenen: Die Sprache
A, ueber die wir reden, und die Sprache B, mit deren Hilfe wir
ueber Sprache A reden, die sogenannte Meta-Sprache. Bestes
Beispiel: Eine deutsche Grammatik des Italienischen, wo die
Erklaerungen auf Deutsch sind, und die Beispiele auf
Italienisch. Wenn wir nun auf Deutsch ueber deutschsprachige
Aeusserungen reden, sind zwar A und B, also Sprache und
Meta-Sprache, das Deutsche, aber deshalb muss man trotzdem die
beiden Sprachebenen unterscheiden. Beispiel:
Die Aussage „Fritz ist dumm.“ ist eine wahre Aussage.
In diesem Beispiel ist „Fritz ist dumm.“ der Gegenstand, ueber
den geredet wird, und „Die Aussage“ und „ist eine wahre
Aussage“ sind metasprachliche Bestandteile des Beispiels.
So, und der Kreter?
Der sagt: „Alle Kreter luegen“, und er meint, dass alles, was
ein Kreter je sagt, immer falsch ist, und macht damit eine
metasprachliche Aeusserung, da er ja etwas ueber sprachliche
Aeusserungen sagt. Problematisch wird das ganze dadurch, dass
seine eigene Aussage mit betroffen sein soll: Die
Metasprachliche Aussage ist also gleichzeitig Gegenstand von
sich selber. Und so etwas fuehrt nicht zu Widerspruechen,
sondern ist schlicht sinnlos, so sagen zumindest viele
Vertreter der klassischen Logik. Also: Eine Aussage kann nicht
sinnvoll selbstbezueglich sein.
Etwas klarer?
Gruesse,
Vlado