Kreter-Paradoxon

Hi,

im Brett Mathe/Physik gibts einen Thread („Zeitreisen“) zum Kreter-Paradoxon (Ein Kreter sagt: „Alle Kreter luegen“). Ist das nach den Regeln der binaeren Logik ein Paradoxon oder nicht?
Ich meine ja, aber nachdem ich mit meiner Meinung da so allein stehe, werde ich langsam unsicher :wink:

Gruss

Thorsten

Wenn man den Autoren von gängigen Rätselbüchern Glauben schenken darf, ist es ein Paradoxon, denn wenn er lügt, sagt er die Wahrheit und umgekehrt.

Gandalf

Ich bin einer der Verteter der gegenteiligen Meinung. Wenn er sagt „Ich lüge“, dann ist es ein Paradoxon, aber wenn er sagt: „Alle Kreter lügen“, ist das einfach nur falsch - ist jedenfalls meine Meinung.

Gruß, Kubi

Hallo, Thorsten!

Es handelt sich um eine Paradoxie, wenn man darunter einen scheinbaren Widerspruch versteht (der sich aufloest, wenn man genauer hinschaut).

Daher das ganze mit etwas analytischem Blick erlaeutert:

  • Eine Aussage ist - den Axiomen der klassischen, zweiwertigen Logik zufolge - entweder wahr oder falsch.

  • Ein Widerspruch tritt auf, wenn eine Aussage (und ihre Konsequenzen) mit der Aussage nicht vereinbar sind (oder: Wenn aus einer Aussage ihr Gegenteil folgt, und aus dem Gegenteil die Aussage, oder… Tausend Moeglichkeiten, das zu formulieren).

  • Voraussetzung dafuer, dass eine Aussage wahr oder falsch sein kann, ist: die Aussage muss sinnvoll sein. Das schliesst mehrere Stufen ein (ohne Anspruch auf Vollstaendigkeit, auf jeden Fall stark vereinfacht).

  1. Die Aussage muss syntaktisch korrekt sein. „Schlafen Fritz Peter“ ist weder wahr noch falsch, sondern sinnlos, weil syntaktisch falsch.
  2. Etwas „more sophisticated“: Die Aussage darf keine Kategorienfehler enthalten. „Meine Intelligenz ist gruen.“ ist zwar syntaktisch korrekt, aber sinnlos, weil Abstrakta keine Farben haben. Klar?
  3. Die Aussage darf nicht selbstbezueglich sein. Was heisst das? Etwas ausholend: Wenn wir uns ueber Aussagen (und Sprache allgemein) unterhalten, gibt es immer zwei Ebenen: Die Sprache A, ueber die wir reden, und die Sprache B, mit deren Hilfe wir ueber Sprache A reden, die sogenannte Meta-Sprache. Bestes Beispiel: Eine deutsche Grammatik des Italienischen, wo die Erklaerungen auf Deutsch sind, und die Beispiele auf Italienisch. Wenn wir nun auf Deutsch ueber deutschsprachige Aeusserungen reden, sind zwar A und B, also Sprache und Meta-Sprache, das Deutsche, aber deshalb muss man trotzdem die beiden Sprachebenen unterscheiden. Beispiel:

Die Aussage „Fritz ist dumm.“ ist eine wahre Aussage.

In diesem Beispiel ist „Fritz ist dumm.“ der Gegenstand, ueber den geredet wird, und „Die Aussage“ und „ist eine wahre Aussage“ sind metasprachliche Bestandteile des Beispiels.

So, und der Kreter?
Der sagt: „Alle Kreter luegen“, und er meint, dass alles, was ein Kreter je sagt, immer falsch ist, und macht damit eine metasprachliche Aeusserung, da er ja etwas ueber sprachliche Aeusserungen sagt. Problematisch wird das ganze dadurch, dass seine eigene Aussage mit betroffen sein soll: Die Metasprachliche Aussage ist also gleichzeitig Gegenstand von sich selber. Und so etwas fuehrt nicht zu Widerspruechen, sondern ist schlicht sinnlos, so sagen zumindest viele Vertreter der klassischen Logik. Also: Eine Aussage kann nicht sinnvoll selbstbezueglich sein.

Etwas klarer?

Gruesse,
Vlado

Nichtsdestotrotz sagt er die Wahrheit wenn er lügt (und umgekehrt).

Gandalf

Hi,

Also: Eine Aussage kann nicht sinnvoll selbstbezueglich sein.

Etwas klarer?

Super! Ja vielen dank. War ein gutes Posting!

Gruss

Thorsten

Nichtsdestotrotz sagt er die Wahrheit wenn er lügt (und
umgekehrt).

Wieso? Er macht eine Aussage. Diese kann nicht wahr sein, da sie dann ein Paradoxon erzeugte. Sie kann aber ohne jedes Problem falsch sein. Daher braucht man nur anzunehmen, daß sie falsch ist, und das ganze Paradoxon löst sich in Wohlgefallen auf.

Kubi

Wunderbar !

Endlich habe ich das auch mal verstanden.

Grüße
Jochen

Freut mich.

Vlado

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Hallo Vlado!

Ein sehr klärendes Email, allerdings bin ich der Ansicht, daß 3 (eine Aussage kann nicht sinnvoll selbstbezüglich sein) nicht ganz richtig ist.

So ist m. E. die Aussage : „Alle Sätze sind entweder wahr oder falsch oder sinnlos“ unproblematisch obwohl sie einen Selbstbezug enthält. Auch „Dies ist ein Satz der deutschen Sprache“ wie ähnliche Sätze sind m.E. unproblematisch.

Das Problem bei den Antinomien scheint nicht der Selbstbezug, sondern eine Kombination von Selbstbezug und Negation des Selbstbezuges (oder negation von allgemeinen impliziten Voraussetzungen, wie dass es ein w a h r e r Satz ist oder eben ein w o h l g e f o r m ter Satz ist, etc.) zu sein.

(Es gibt sogar ganz wilde Überlegungen, die versuchen zu zeigen, daß der Satz „Kein Satz darf sich aufsich selbst beziehen“ selber antinomisch ist, und daher die typentheoretische Lösung des Antinomienproblems nicht funktioniert. Das Argument ist in etwa, daß ich einen Selbstbezug nicht verbieten kann, ohne selber eine Antinomie aufzustellen. Ähnlich wie bei dem Schild mit der Aufschrift „Ignorieren Sie dieses Schild“ ist nicht ganz klar, was es heißt, dass für alle (!) Sätze gilt, daß ich sie nicht auf sich selbst anwenden darf - was ist dann mit diesem Satz selbst? Ich habe hier nämlich die merkwürdige Situation, daß ich ihn genau dann auf sich selbst anwende, wenn ich ihn nicht auf ihn selbst anwende, weil er dann auch für sich selbst gilt, wenn ich ihn nicht aufsich selbst anwende — ich hoffe, dass das einigermassen Sinn ergibt, was ich hier schreibe…)

Im Übrigen stimme ich Kubi zu (siehe unten), daß „Alle Kreter lügen“ ‚falsch‘ ist und nicht im strengen Sinne antinomisch, aber diese Diskussion hatten wir hier -glaube ich - schon vor einiger Zeit ein mal. (Wenn der Satz wahr ist, ist er falsch; aber wenn er falsch ist, ist er auch einfach nur falsch, da die Verneinung von „Alle Kreter lügen“ nicht ist: „Alle Kreter sagen die Wahrheit“ sondern nur „Einige Kreter lügen“. Der Kreter der also behauptet, daß alle Kreter lügen, hat damit in beiden Fällen nicht recht. ).

mfg, Andreas

  1. Die Aussage darf nicht selbstbezueglich sein. Was heisst
    das? Etwas ausholend: Wenn wir uns ueber Aussagen (und Sprache
    allgemein) unterhalten, gibt es immer zwei Ebenen: Die Sprache
    A, ueber die wir reden, und die Sprache B, mit deren Hilfe wir
    ueber Sprache A reden, die sogenannte Meta-Sprache. Bestes
    Beispiel: Eine deutsche Grammatik des Italienischen, wo die
    Erklaerungen auf Deutsch sind, und die Beispiele auf
    Italienisch. Wenn wir nun auf Deutsch ueber deutschsprachige
    Aeusserungen reden, sind zwar A und B, also Sprache und
    Meta-Sprache, das Deutsche, aber deshalb muss man trotzdem die
    beiden Sprachebenen unterscheiden. Beispiel:

Die Aussage „Fritz ist dumm.“ ist eine wahre Aussage.

In diesem Beispiel ist „Fritz ist dumm.“ der Gegenstand, ueber
den geredet wird, und „Die Aussage“ und „ist eine wahre
Aussage“ sind metasprachliche Bestandteile des Beispiels.

So, und der Kreter?
Der sagt: „Alle Kreter luegen“, und er meint, dass alles, was
ein Kreter je sagt, immer falsch ist, und macht damit eine
metasprachliche Aeusserung, da er ja etwas ueber sprachliche
Aeusserungen sagt. Problematisch wird das ganze dadurch, dass
seine eigene Aussage mit betroffen sein soll: Die
Metasprachliche Aussage ist also gleichzeitig Gegenstand von
sich selber. Und so etwas fuehrt nicht zu Widerspruechen,
sondern ist schlicht sinnlos, so sagen zumindest viele
Vertreter der klassischen Logik. Also: Eine Aussage kann nicht
sinnvoll selbstbezueglich sein.

Etwas klarer?

Gruesse,
Vlado

Ich denke der Kreter macht hier eine Einfache Aussage, ohne jegliche Paradoxie, da er keine Aussage über die Häufigkeit desl lügens macht. Wenn er sagen würde das alle Kreter immer oder
nie Lügen würden, wäre seine Aussage Paradox, so teilt er nur allen mit, die zuhören, das Kreter lügen können, und es auch tatsächlich tuen, nicht, das sie es immer oder nie tuen.

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