Kriegerischer Buddhismus - V.Trimondi

Hallo zusammen,
bin gestern in eine Diskussion darüber geraten, ob der Buddhismus entgegen der landläufigen Meinung eine aggressive und kriegerische Religion sei, dabei fielen natürlich die Namen V. und V. Trimondi. Hab auch schon gegoogelt und einiges dazu gefunden (Lebenslauf von Röttgen, kurze Rezensionen der Bücher), würde aber gerne noch ein paar Meinungen dazu hören, da für mich diese Seite des Buddhismus doch neu war (hatte mich aber auch noch nie tíefer damit beschäftigt).

Ich würde mich freuen, noch ein paar Denkanstöße oder nicht so bekannte links dazu zu bekommen.

Danke und Gruß SusanneAntje

Victor und Victoria auf dem Kriegspfad
Hi Susanne.

bin gestern in eine Diskussion darüber geraten, ob der
Buddhismus entgegen der landläufigen Meinung eine aggressive
und kriegerische Religion sei, dabei fielen natürlich die
Namen V. und V. Trimondi.

Ich denke mal, dass Ralf und Marion schon an einer überzeugenden Gegendarstellung arbeiten. Zwischenzeitlich will ich eine kritische Rezension eines Trimondi(= Röttgen)-Werks zitieren, die zeigt, dass es hier nicht wirklich wissenschaftlich zugeht:

http://www.kath.ch/infosekten/text_detail.php?nemeid…

Zunächst das abschließende Fazit der Rezension:

„Fazit: Auch das neuste Röttgen-Werk ist nichts weiter als die pseudo-wissenschaftliche Bemäntelung einer persönlichen Aversion, die marktschreierisch mit allerlei absurden Verschwörungstheorien garniert wird.“

Dann aus dem Hauptteil:

"Um es gleich vorweg zu nehmen: das neue, über 600 Seiten dicke Buch lässt sich eigentlich nicht in wenigen Zeilen besprechen, denn zu unentwirrbar ist das Dickicht aus altbekannten Fakten, fragwürdigen Interpretationen, gewagten Behauptungen und logischen Kurzschlüssen. Den Trimondis muss vor allem vorgeworfen werden, dass sie permanent Subjekt und Objekt verwechseln. Das (angebliche) Interesse einiger Nationalsozialisten und heutiger Neo-Nazis für Tibet kann ja wohl nicht in einem quasi automatischen Umkehrschluss bedeuten, dass die tibetische Kultur und Religion ihrerseits Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus aufweisen. Genau das aber wird vom Ehepaar Röttgen behauptet, indem es eine vermeintliche „Nazi-Tibet-Connection“ zu beweisen sucht. Würde man sich diese Logik generell zu eigen machen, könnte man genauso gut alle Vegetarier als Nazis hinstellen, nur weil Hitler auf Fleisch verzichtete. Dieses Beispiel mag absurd erscheinen, aber gerade solche absurden logischen Kurzschlüsse liefern die Trimondis laufend.

Der Buchtitel „Hitler, Buddha, Krishna“ unterstellt eine direkte ideologische Traditionslinie von östlichen Religionen zur Ideologie des NS-Systems. Doch selbst wenn sich einige Nationalsozialisten im Umfeld Heinrich Himmlers tatsächlich für den Hinduismus und Buddhismus interessiert haben sollten, heisst das noch lange nicht, dass sie Einfluss auf die Ideologiebildung Hitlers und der NSDAP hatten. Dies verhinderte schon das oft chaotische Neben- und Gegeneinander innerhalb des NS-Systems. Hinzu kommt vor allem, dass sich Hitler für Himmlers esoterische Interessen nie besonders aufgeschlossen gezeigt hat und – wie neuere Forschungen gezeigt haben – eben gerade nicht von einer überzeugten Religiosität geprägt war. Das alles wird von den Trimondis jedoch beharrlich ignoriert, und es ist sicher kein Zufall dass in ihrem Literaturverzeichnis beispielsweise nicht einmal die neue Hitler-Biographie von Ian Kershaw auftaucht.

Anstatt sich an gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu halten, stricken die Autoren lieber an ihrer privaten Verschwörungstheorie. Das Ganze findet dann einen seiner abstrusen Höhepunkte in der Frage, ob Hitler sogar von tibetischen Lamas besessen gewesen sei. Die Antwort ist entlarvend und illustriert, wie unseriös hier argumentiert wird: „Auch wenn diese verschiedenen Spekulationen über Hitlers Besessenheit und seine Manipulation durch tibetische Lamas historisch und psychologisch nicht nachweisbar sind, so rekurrieren diese doch auf ein Phänomen, das für den lamaistischen Kulturkreis prägend und spezifisch ist. Die schamanistisch orientierte Arbeit mit ‚Besessenheitsmedien‘ bestimmt im Himalaja seit jeher das traditionelle Gesellschaftsleben“ (S. 386). Das Autorenpaar muss also selbst zugeben, dass eine Besessenheit Hitlers durch tibetische Lamas nicht nachweisbar ist; weil aber offenbar nicht sein kann, was nicht sein darf, wird mit dem Verweis auf sogenannte „Besessenheitsmedien“ in geradezu krampfhaft anmutender Weise ein Zusammenhang konstruiert, wo keiner existiert."

Zitat Ende.

Gruß

Horst

Hallo Horst,
na das nenn ich mal einen Gedankenanstoß! Danke.
Bin auf eine Gegendarstellung gespannt,
Gruß SusanneAntje

Hallo SusanneAntje,
wie jede Weltreligion ist auch der Buddhismus immer wieder von weltlichen Machthabern und mit ihnen verbündeten Klerikern zur Rechtfertigung von Gewalt und Krieg missbraucht worden - wobei er einem Vergleich mit Islam, Christentum und Hinduismus allerdings nicht zu scheuen braucht. „Eine aggressive und kriegerische Religion“ per se ist er ebensowenig wie diese; sein Mißbrauchspotential ist eher geringer.

Die Machwerke von Röttgen/Trimondi gehören freilich nicht in die Rubrik ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Gewaltpotential von Religionen, nicht einmal in die Sparte ernstzunehmender Religionskritik. Sie gehören vielmehr zur großen Gruppe mehr oder weniger abstruser Verschwörungstheorien. Bei Interesse an einer ernsthaften und fundierten Auseinandersetzung mit der Thematik ‚buddhistische Ethik‘ empfehle ich als Anlaufstelle die Webseite des ‚Journal of Buddhist Ethics‘, http://www.buddhistethics.org/

Eine „Gegendarstellung“ zu dem Trimondi-Machwerk werde zumindest ich mir mit Sicherheit verkneifen. Es gibt schon mehr Auseinandersetzungen mit Trimondis Elaboraten, als sie verdienen; um zwei aktuellere Arbeiten anzuführen:
http://www.tibet.de/fileadmin/pdf/tibu/engelhardt-ti… und
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/vo…
Der zweite Aufsatz setzt sich freilich ausdrücklich nicht mit Röttgens „Argumenten“ auseinander, sondern beschäftigt sich mit dem Phänomen marktgerecht aufbereiteter persönlicher Paranoia am Beispiel der Röttgen’schen Verschwörungstheorie.

Bliebe nur noch anzumerken, dass ich persönlich durchaus kein Apologet speziell der tibetischen Spielart des Buddhismus und seiner Verquickung mit politischen Agenden bin. Leute wie Goldner und Röttgen/Trimondi sind wohl eine unvermeidliche Reaktion auf den westlichen Medienhype um den Dalai Lama. Wobei sich auf beiden Seiten der kritische Verstand deutlich als defizitär offenbart - wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Wo es der einen Seite an kritischer Distanz mangelt, da der anderen ganz eklatant an Verstand. Dieser Schluss drängt sich jedenfalls auf, wenn man die Autoren tatsächlich ernst nimmt und ihnen nicht nur eine zynische Vermarktungstrategie unterstellen will.

Freundliche Grüße,
Ralf

Gewalt und Gewaltlosigkeit im Buddhismus
Moin,

es gab vor einigen Jahren eine Vorlesungsreihe „Gewalt und Gewaltlosigkeit im Buddhismus“ am Zentrum für Buddhismuskunde der Uni Hamburg, auf die ich in diesem Zusammenhang gerne aufmerksam machen möchte.

http://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/Band-10.53…

Die dort hinterlegten Texte sind meiner Meinung nach allesamt hoch interessant und die Autoren durchweg seriös.

Gruß
Marion

OT
Hallo Tychiades,

Bliebe nur noch anzumerken, dass ich persönlich durchaus kein
Apologet speziell der tibetischen Spielart des Buddhismus und
seiner Verquickung mit politischen Agenden bin. Leute wie
Goldner und Röttgen/Trimondi sind wohl eine unvermeidliche
Reaktion auf den westlichen Medienhype um den Dalai Lama.

und wie steht man in der buddhistischen „Welt“ ganz
allgemein betrachtet, zu der „tibetischen Spielart“
des Buddhismus? Ohne negativ besetzten Duktus sehe
ich doch bestimmte Divergenzen, grad wenn ich die
westlichen Vertreter wie Ole Nydahl betrachte und
eine gewisse Blauäugigkeit, mit der an die Öffentlichkeit
gegangen wird. Ob das diesem interaktiven Hype
geschuldet ist, den du ansprichst, vermag ich nicht
zu beurteilen. Ich möchte jetzt keine Induktionsschlüsse
ziehen und mit entsprechenden Beispielen argumentieren,
ich denke du verstehst welche Tendenzen ich meine.
Gibt es hier auch innerbuddhistische Auseinandersetzungen
oder ergibt man sich in toleranter Gelassenheit?
Für interessierte Leute wie mich, ist es schwer die
Explikation des Begriffes Buddhismus zu erfassen, vor allem
weil er kein statisches, dogmatisches System darzustellen
scheint, sondern eher ein innovatives. (Verzeih das
vielleicht unpassende Wort)
Dass mein westlich rationales Denken da ein Hindernis
darstellt ist schon klar.

Gruß
Powenz

Hallo Powenz,

und wie steht man in der buddhistischen „Welt“ ganz
allgemein betrachtet, zu der „tibetischen Spielart“
des Buddhismus?

nun, auch die buddhistische Welt ist bunt und nicht schwarz-weiss. Das reicht von (punktueller, nicht grundsätzlicher) Kritik über freundliches Desinteresse bis hin zu kritikloser Begeisterung. Wobei nicht verschwiegen werden sollte, dass es auch tibetisch-interne Kritk gibt - z.B. an Erscheinungen wie dem ‚Tulku-System‘ (den ‚Reinkarnationen‘ geistlicher Würdenträger) oder auch an manchen Entscheidungen des Dalai Lama (Karmapa-Affäre, Shugden-Affäre). Vieles an inhaltlichen Differenzen wird da sicher auch von politischer Solidarität zugedeckt.

Gibt es hier auch innerbuddhistische Auseinandersetzungen
oder ergibt man sich in toleranter Gelassenheit?

Es gibt beides - wobei kritische Auseinandersetzung und tolerante Gelassenheit ja auch nicht notwendig zueinander in Widerspruch stehen müssen. Es gibt im Buddhismus eine hohe Diskussions- und Streitkultur - die leider im Westen noch nicht so recht angekommen ist.

Für interessierte Leute wie mich, ist es schwer die
Explikation des Begriffes Buddhismus zu erfassen, vor allem
weil er kein statisches, dogmatisches System darzustellen
scheint, sondern eher ein innovatives. (Verzeih das
vielleicht unpassende Wort)

Der Buddhismus hat sich im Laufe seiner langen Geschichte als äußerst anpassungsfähig an unterschiedliche, zeitlich und geografisch weit voneinander entfernte Kulturen gezeigt, was nicht zuletzt etwas damit zu tun hat, dass er in Hinsicht auf metaphysische Spekulationen eine pluralistische Haltung einnimmt. Die Aussagen, die unterschiedliche Lehrsysteme machen (und die teilweise einander widersprechen) gelten vielen (leider nicht allen) Buddhisten nicht als unumstößliche, absolute Wahrheiten, als verpflichtende Dogmen, sondern als ‚upaya‘ (geschickte Mittel). Sie stellen Annäherungen an eine letzlich unausdrückbare absolute Wahrheit dar, für Menschen mit unterschiedlichen Zugängen und mit unterschiedlicher Auffassungsgabe formuliert - und damit notwendig voneinander verschieden.

Es geht eben nicht um Dogmen, die geglaubt werden müssen, sondern um eine Lebenspraxis, deren Sinn theoretisch erläutert und begründet wird - und da ist eine Vielzahl unterschiedlicher, gleich-gültiger Ansätze möglich. Kern der Lehre ist ein ‚Yoga‘ - eine bestimmte Art der Lebensführung. Damit ist sehr vieles vereinbar - auch Geisterglaube, Ahnenkult, Glaube an Götter usw… Notwendig, als konstitutiver Bestandteil buddhistischer Lehre, ist das hingegen alles nicht. Im Gegenteil, es ist durchaus verzichtbar.

Dass mein westlich rationales Denken da ein Hindernis
darstellt ist schon klar.

Nun - es gibt, wie schon angedeutet, auch sehr rationale Zugänge. Einen guten Einstieg gibt da beispielsweise Stephen Batchelors populäres Buch ‚Buddhismus für Ungläubige‘ (ISBN 3596140269 Buch anschauen). Persönlich empfehle ich gerne von Benjamin Radcliff / Amy Radcliff ‚Zen denken‘ (ISBN 3451053160 Buch anschauen) - das ist wirklich nüchtern und kommt ganz ohne folkloristisches Kolorit aus.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Buddhismus in D und tibetischer Buddhismus
Moin Powenz

Gibt es hier auch innerbuddhistische Auseinandersetzungen
oder ergibt man sich in toleranter Gelassenheit?

Das ist sehr unterschiedlich. Bei manchen Leuten scheint es ganz hoch im Kurs zu stehen, über andere Schulen oder Lehrer herzuziehen, andere interessiert das was die anderen machen eher weniger.

Der Buddhismus in Deutschland hat ja schon eine recht lange Geschichte. Eine kurze Zusammenfassung findet sich z.B. hier:

http://www.tibet.de/tib/tibu/1998/tibu47/47christ.html

Typisch für Menschen, die heutzutage neu zum Buddhismus kommen, scheint folgender Weg zu sein: Erstmal wird alles mögliche zum Buddhismus gelesen, dann entsteht irgendwann das Bedürfnis nach „Konkreterem“, Kontakt zu buddhistischen Gruppen oder auch der Wunsch, die buddhistische Lehre mehr im eigenen Leben zu verwirklichen, dann wird eine zeitlange durch die diversen buddhistischen Gruppen getingelt, bis man dann irgendwann das Gefühl hat, jetzt „richtig“ zu sein. Dabei spielen natürlich recht unterschiedliche Bedürfnisse des Einzelnen eine große Rolle. Manche suchen eher das Gemeinschaftsgefühl, andere wollen hauptsächlich meditieren, wieder andere wollen sich erstmal intensiv mit buddhistischer Lehre und Praxis unter kompetenter Anleitung auseinander setzen etc.

Für interessierte Leute wie mich, ist es schwer die
Explikation des Begriffes Buddhismus zu erfassen, vor allem
weil er kein statisches, dogmatisches System darzustellen
scheint, sondern eher ein innovatives. (Verzeih das
vielleicht unpassende Wort)

Der Buddhismus deckt ein recht weites Feld ab. Für manche ist der erkenntnistheoretische Aspekt von Bedeutung, der Bereich der buddhistischen Philosophie, für den anderen ist es die „Wissenschaft des Geistes“, also die Erforschung des eigenen Geistes durch Introspektion, die buddhistische Psychologie oder auch eine Art „Hilfe zur Lebensführung“ auf der Grundlage buddhistischer Ethik und Werte wie Altruismus und Mitgefühl, oder eben auch der Wunsch nach Religiosität und Spiritualität in einer als zu „materialistisch“ empfundenen Umgebung ohne religiöse Dogmen.

So findet wahrscheinlich auch jeder entsprechend seinem Interesse und seinen Bedüfnissen sein buddhistisches „Zuhause“ in einer der vielen Gruppen, die es mittlerweile in Deutschland gibt.

Wie es bei anderen buddhistischen Gruppen aussieht, kann ich nicht sagen. Die Zeit, wo ich durch diverse Buddhistische Gruppen „getingelt“ bin, ist schon etwas her :smile: Als eine, die im Vajrayana oder „tibetischen Buddhismus“ ihr Zuhause gefunden hat, komme ich sehr viel mit Leuten in Kontakt, bei denen eher die „Wissbegier“, also das Studium des Buddhismus, zusätzlich zur Praxis, eine große Rolle spielt. Die Leute wollen einfach wissen, was es mit dem Buddhismus auf sich hat, bevor sie sich entscheiden, ob sie sich nun darauf einlassen wollen oder nicht.

Wie so eine eher „akademische“ Herangehensweise aussehen kann, erfährt man z.B. exemplarisch hier:
http://www.youtube.com/watch?v=HrCxWlR2_nc&feature=r…

Und ein paar Stimmen von Teilnehmern:
http://www.youtube.com/watch?v=ruci3r4lAtc
http://www.youtube.com/watch?v=ikQeoBfIA-M&feature=r…
http://www.youtube.com/watch?v=-SYC8G6ttBs&feature=r…

Vermutlich wird hier deutlich, dass das Bild der Öffentlichkeit vom tibetischen Buddhismus doch sehr anders ist, als die z.T. doch recht „nüchterne“ Realität :smile:

Dass mein westlich rationales Denken da ein Hindernis
darstellt ist schon klar.

Ganz im Gegenteil. Das kritische Hinterfragen und das intellektuelle Auseinandersetzen mit buddhistischen Inhalten ist z.B. ein ganz wesentlicher Bestandteil des tibetischen Buddhismus.

Gruß
Marion

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Hallo Pendragon und Tychiades,

danke für die inspirativen Tipps!

Gruß
Powenz

An der Stelle mal danke an euch, hab jetzt einiges zu lesen…:wink:.

Gruß Susanne Antje