Im Osten gab es keine zyklisch auftretenden Wirtschaftskrisen,
sondern stattdessen einen kontinuierlichen
volkswirtschaftlichen Substanzverlust über Jahrzehnte, der
zwangsläufig irgendwann am unteren Anschlag angelangt war.
Das ist zweifellos richtig, wobei die Ursachen dafür ziemlich komplex und auch nur teilweise (wenn auch sicher zum größeren Teil) systemimmanent waren. Aber das ist eine völlig andere Baustelle - hat mit Marx’scher Krisentheorie nichts zu tun.
Und 2007 gab es keine Wirtschaftskrise, sondern eine
Finanzkrise. (Ich gehöre zu denen, die einen Unterschied
machen zwischen der wertschöpfenden Realwirtschaft und der
Drohnenexistenz der Finanzwirtschaft. Ich sehe aber ein, dass
man diese feinen Unterschiede von einem
dogmatisch-antikapitalistischen Standpunkt aus nicht machen
kann.)
Es ist durchaus nicht so, dass dieser „feine Unterschied“ übersehen würde - was allerdings auch nicht übersehen wird, ist der feine Zusammenhang von Finanzsektor und ‚Realwirtschaft‘. Um aus dem von mir verlinkten Artikel zu zitieren:
„Marx identifiziert in seiner Analyse des Kapitalismus zunächst die Umschlagszeit des fixen Kapitals - die Periode, in welcher der Wert, der in Fabriken und Maschinen steckt, auf neu produzierte Güter übertragen wird, die dann als Waren zirkulieren - als den entscheidenden Faktor, der die Dauer der industriellen Zyklen im Kapitalismus bestimmt. Mit dem Fortschreiten des Zyklus steigt die organische Zusammensetzung des Kapitals - es wird also im Vergleich zu den Ausgaben für Arbeitskraft immer mehr und mehr für die anderen Bestandteile des Produktionsprozesses ausgegeben, so dass das fixe Kapital (jene Bestandteile des Produktionsprozesses, die nicht Arbeit, Rohstoffe, Energie oder Vorprodukte sind) genau dann ersetzt werden muss, wenn die Profitrate niedrig ist.
In dieser Situation reichen zumeist die innerbetrieblichen Rücklagen nicht aus, um diese Ersatzinvestitionen vornehmen zu können, so dass auf Kredite zurück gegriffen werden muss. Gleichzeitig haben viele Kapitalisten in dieser Situation, wo die Profitraten in der Realwirtschaft in Folge der Überakkumulation bereits gesunken sind, ihre flüssigen Mittel bereits in Finanzprodukten spekulativ angelegt, was dazu führt, dass nicht genügend liquide Mittel für Kredite zur Verfügung stehen.
Zuletzt begann eine solche Entwicklung im Jahre 2007 in den USA und breitete sich seither auf die ganze Welt aus. Die gestiegene Nachfrage nach Krediten am Ende des Zyklus treibt folglich deren Preis (die Zinsen also) immer mehr in die Höhe. Die steigenden Zinsen und die Ausweitung des fiktiven Kapitals (Spekulation) führen also am Ende jedes zyklischen Aufschwungs zu einer Kredit- und Bankenkrise.“
Dann sind wir uns ja doch einig, dass die Krisentheorie eher
mehr als wenig mit dem Klassenkampf zu tun hat.
Wir sind uns so weit einig, dass Wirtschaftskrisen etwas mit „Klassenkämpfen“ (ich bevorzuge den Begriff „Verteilungskämpfe“) zu haben. Es geht dann darum, zu wessen Lasten die sinkenden Profitraten gehen. Virulent wird das freilich erst dann, wenn auch der Staat durch steigende Kreditaufnahme keinen Sozialklimbim mehr finanzieren kann - siehe Griechenland, Spanien etc. Dann erst wird das deutlich, was Oskar Lafontaine kürzlich sehr treffend formulierte: „Die Schulden der Staaten sind das Vermögen der Reichen.“