Krisen: Störfall oder Notwendigkeit?

Hallo.

Ich beschäftige mich gerade mit der Fragestellung „Sind Krisen ein „Störfall“ der Geschichte oder gehören sie notwendigerweise zur historischen Entwicklung?“. Dazu würden mich eure Meinungen sehr interessieren!

Wäre schön, wenn ich so erfahren könnte, wie ihr über das Thema denkt.

Danke.

Hallo,

Ich beschäftige mich gerade mit der Fragestellung „Sind Krisen
ein „Störfall“ der Geschichte oder gehören sie
notwendigerweise zur historischen Entwicklung?“. Dazu würden
mich eure Meinungen sehr interessieren!

Das hört sich nach Hausaufgabe an. (Zur Klarstellung: auch Referate usw. sind für mich Hausaufgaben.)
Es wäre sinnvoll, die genaue Fragestellung einzustellen.

Wäre schön, wenn ich so erfahren könnte, wie ihr über das
Thema denkt.

Wenn es eine Hausaufgabe ist, dann stell bitte dar, was Du denkst. Es muß sich keiner nochmal Gedanken machen über Dinge, die Dir eh schon aufgefallen sind.

Gruß
Jörg Zabel

Hallo!

„Störfall“ der Geschichte…

…impliziert, es gebe einen bestimmungsgemäßen Betrieb der Geschichte.

notwendigerweise…

…suggeriert, eine Krise sei eo ipso etwas schlechtes.

Ohne die Worthülsen und Füllwörter lässt sich die Frage verkürzen zu: Sind Krisen Teil der Geschichte? Und wenn das tatsächlich eine Hausaufgabe ist, dann zeig ein bisschen Schneid und sag deinem Lehrer, dass dir die Frage zu blöd ist.

Gruß
Peter

Hallo,

Ich beschäftige mich gerade mit der Fragestellung „Sind Krisen
ein „Störfall“ der Geschichte oder gehören sie
notwendigerweise zur historischen Entwicklung?“.

„Störfall“ impliziert Vermeidbarkeit bzw. die Möglichkeit, aus seinem Eintreten Lehren zu ziehen, um eine Wiederholung zu vermeiden. Damit beantwortet sich die Frage selbst.

Wichtigster Aspekt der historischen Entwicklung der letzten Jahrhunderte ist die Entstehung und globale Verbreitung einer bestimmten Produktionsweise. Zu dieser Produktionsweise gehören „notwendigerweise“ in der Tat zyklisch auftretende Krisen, sie sind durch die Produktionsweise selbst bedingt. Die meisten Volkswirtschaftler sprechen beschönigend von Wirtschafts- oder Konjunkturzyklen, indes handelt es sich tatsächlich um Krisenzyklen.

Das ist seit langem bekannt, ein gewisser Karl Marx beschrieb und analysierte diesen Mechanismus insbesondere im dritten Band seines Hauptwerkes „Das Kapital“. Eine kurze Einführung in die Marx’sche Krisentheorie findet sich z.B. hier.

Freundliche Grüße,
Ralf

Dankesehr. Hat mir sehr geholfen.

Hallo

für mich wäre eine grundsätzliche (nicht auf Geschichte) zugeschnittene Antwort:

Ohne Krisen keine Entwicklung.

Dabei definiere ich für mich „Krise = unvorhersehbare Zukunft“, also nicht aufgrund der Erfahrung sicher voraussagbare Zukunft.

In jedem Entwicklungsschritt ist dies der Fall. Ich sehe die ganze Evolution als eine Kette von Krisen, als aus der traditionellen Sicht „unmöglichen“ Entwicklungen. Beispiel: Was dachten wohl die Zurückbleibenden, als die ersten Wasserlebewesen ans Land gingen?

Störfälle können zu Krisen führen, Krisen können (aber müssen nicht) Entwicklungsschritte einleiten.

Urs Peter

Das ist seit langem bekannt, ein gewisser Karl Marx beschrieb
und analysierte diesen Mechanismus insbesondere im dritten
Band seines Hauptwerkes „Das Kapital“.

Und ein gewisser Adolf Hitler führte alles weltgeschichtliche Geschehen auf den Kampf nicht der Klassen, sondern der Rassen zurück und beschrieb und analysierte diesen Mechanismus insbesondere im zweiten Band seines Hauptwerkes „Mein Kampf“.

Marx ist tot. Hitler ist tot. Das Dritte Reich ist tot und die DDR auch. Juden und Kalitalisten gibt es aber immer noch. Und nun?

Geht’s dir jetzt besser? Hast Du ansonsten auch irgendeine sachdienliche Anmerkung zur Marx’schen Krisentheorie zu bieten? Nur mal so als kleiner Hinweis: mit Klassenkampf hat die eher weniger zu tun …

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Geht’s dir jetzt besser?

Mir geht es vorher wie nachher blendend.

Hast Du ansonsten auch irgendeine
sachdienliche Anmerkung zur Marx’schen Krisentheorie zu
bieten?

Nein, wieso sollte ich da vorpreschen? Sachdienlich formulierst doch du:

„beschönigend“
„seit langem bekannt“
„ein gewisser Karl Marx“

Ich habe mir nur erlaubt, drauf hinzuweisen, dass die Anbetung der Marx’sche Krisentheorie die sozialistische Staaten nicht vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt hat.

Nur mal so als kleiner Hinweis: mit Klassenkampf hat
die eher weniger zu tun …

Du meinst, Krisentheorie und Klassenkampf hätten eher wenig miteinander zu tun. Die Frage ist aber, wozu eine Krisentheorie denn dienen soll, um einen Sinn zu haben. Sie dient Marx dazu, das Zustandekommen von Krisen, hier von Wirtschaftskrisen, zu erklären. Und Krise und Klassenkampf haben verdammt viel miteinander zu tun - jedenfalls nach Ansicht seiner Jünger, wie uns Google schnell belehrt.

Ich habe mir nur erlaubt, drauf hinzuweisen, dass die Anbetung
der Marx’sche Krisentheorie die sozialistische Staaten nicht
vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt hat.

So wenig wie neoklassische und neoliberale Theoretiker jemals eine Wirtschaftskrise verhindert oder auch nur vorhergesagt hätten. Aber davon abgesehen - wie sollte sie auch, da sie sich mit dem Mechanismus kapitalistischer Produktionsweise, nicht mit Wirtschaftssystem des sog. „real existierenden Sozialismus“ beschäftigt? Anders gefragt - inwiefern hältst Du denn diesen wirtschaftlichen Zusammenbruch für vergleichbar z.B. mit der 2007 eingetretenen Wirtschaftskrise?

Nur mal so als kleiner Hinweis: mit Klassenkampf hat
die eher weniger zu tun …

Du meinst, Krisentheorie und Klassenkampf hätten eher wenig
miteinander zu tun. Die Frage ist aber, wozu eine
Krisentheorie denn dienen soll, um einen Sinn zu haben. Sie
dient Marx dazu, das Zustandekommen von Krisen, hier von
Wirtschaftskrisen, zu erklären.

Fein erkannt. Genau das ist ihr Sinn.

Und Krise und Klassenkampf
haben verdammt viel miteinander zu tun - jedenfalls nach
Ansicht seiner Jünger, wie uns Google schnell belehrt.

Dazu brauchst Du weder Marx noch Google zu bemühen. Dass Wirtschaftskrisen dem sozialen Frieden nicht dienlich sind kannst Du jeder Zeitung entnehmen.

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Ich habe mir nur erlaubt, drauf hinzuweisen, dass die Anbetung
der Marx’sche Krisentheorie die sozialistische Staaten nicht
vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt hat.

So wenig wie neoklassische und neoliberale Theoretiker jemals
eine Wirtschaftskrise verhindert oder auch nur vorhergesagt
hätten. Aber davon abgesehen - wie sollte sie auch, da sie
sich mit dem Mechanismus kapitalistischer Produktionsweise,
nicht mit Wirtschaftssystem des sog. „real existierenden
Sozialismus“ beschäftigt? Anders gefragt - inwiefern hältst Du
denn diesen wirtschaftlichen Zusammenbruch für vergleichbar
z.B. mit der 2007 eingetretenen Wirtschaftskrise?

Im Osten gab es keine zyklisch auftretenden Wirtschaftskrisen, sondern stattdessen einen kontinuierlichen volkswirtschaftlichen Substanzverlust über Jahrzehnte, der zwangsläufig irgendwann am unteren Anschlag angelangt war.

Und 2007 gab es keine Wirtschaftskrise, sondern eine Finanzkrise. (Ich gehöre zu denen, die einen Unterschied machen zwischen der wertschöpfenden Realwirtschaft und der Drohnenexistenz der Finanzwirtschaft. Ich sehe aber ein, dass man diese feinen Unterschiede von einem dogmatisch-antikapitalistischen Standpunkt aus nicht machen kann.)

Nur mal so als kleiner Hinweis: mit Klassenkampf hat
die eher weniger zu tun …

Du meinst, Krisentheorie und Klassenkampf hätten eher wenig
miteinander zu tun. Die Frage ist aber, wozu eine
Krisentheorie denn dienen soll, um einen Sinn zu haben. Sie
dient Marx dazu, das Zustandekommen von Krisen, hier von
Wirtschaftskrisen, zu erklären.

Fein erkannt. Genau das ist ihr Sinn.

Und Krise und Klassenkampf
haben verdammt viel miteinander zu tun - jedenfalls nach
Ansicht seiner Jünger, wie uns Google schnell belehrt.

Dazu brauchst Du weder Marx noch Google zu bemühen. Dass
Wirtschaftskrisen dem sozialen Frieden nicht dienlich sind
kannst Du jeder Zeitung entnehmen.

Dann sind wir uns ja doch einig, dass die Krisentheorie eher mehr als wenig mit dem Klassenkampf zu tun hat.

Im Osten gab es keine zyklisch auftretenden Wirtschaftskrisen,
sondern stattdessen einen kontinuierlichen
volkswirtschaftlichen Substanzverlust über Jahrzehnte, der
zwangsläufig irgendwann am unteren Anschlag angelangt war.

Das ist zweifellos richtig, wobei die Ursachen dafür ziemlich komplex und auch nur teilweise (wenn auch sicher zum größeren Teil) systemimmanent waren. Aber das ist eine völlig andere Baustelle - hat mit Marx’scher Krisentheorie nichts zu tun.

Und 2007 gab es keine Wirtschaftskrise, sondern eine
Finanzkrise. (Ich gehöre zu denen, die einen Unterschied
machen zwischen der wertschöpfenden Realwirtschaft und der
Drohnenexistenz der Finanzwirtschaft. Ich sehe aber ein, dass
man diese feinen Unterschiede von einem
dogmatisch-antikapitalistischen Standpunkt aus nicht machen
kann.)

Es ist durchaus nicht so, dass dieser „feine Unterschied“ übersehen würde - was allerdings auch nicht übersehen wird, ist der feine Zusammenhang von Finanzsektor und ‚Realwirtschaft‘. Um aus dem von mir verlinkten Artikel zu zitieren:

„Marx identifiziert in seiner Analyse des Kapitalismus zunächst die Umschlagszeit des fixen Kapitals - die Periode, in welcher der Wert, der in Fabriken und Maschinen steckt, auf neu produzierte Güter übertragen wird, die dann als Waren zirkulieren - als den entscheidenden Faktor, der die Dauer der industriellen Zyklen im Kapitalismus bestimmt. Mit dem Fortschreiten des Zyklus steigt die organische Zusammensetzung des Kapitals - es wird also im Vergleich zu den Ausgaben für Arbeitskraft immer mehr und mehr für die anderen Bestandteile des Produktionsprozesses ausgegeben, so dass das fixe Kapital (jene Bestandteile des Produktionsprozesses, die nicht Arbeit, Rohstoffe, Energie oder Vorprodukte sind) genau dann ersetzt werden muss, wenn die Profitrate niedrig ist.
In dieser Situation reichen zumeist die innerbetrieblichen Rücklagen nicht aus, um diese Ersatzinvestitionen vornehmen zu können, so dass auf Kredite zurück gegriffen werden muss. Gleichzeitig haben viele Kapitalisten in dieser Situation, wo die Profitraten in der Realwirtschaft in Folge der Überakkumulation bereits gesunken sind, ihre flüssigen Mittel bereits in Finanzprodukten spekulativ angelegt, was dazu führt, dass nicht genügend liquide Mittel für Kredite zur Verfügung stehen.
Zuletzt begann eine solche Entwicklung im Jahre 2007 in den USA und breitete sich seither auf die ganze Welt aus. Die gestiegene Nachfrage nach Krediten am Ende des Zyklus treibt folglich deren Preis (die Zinsen also) immer mehr in die Höhe. Die steigenden Zinsen und die Ausweitung des fiktiven Kapitals (Spekulation) führen also am Ende jedes zyklischen Aufschwungs zu einer Kredit- und Bankenkrise.“

Dann sind wir uns ja doch einig, dass die Krisentheorie eher
mehr als wenig mit dem Klassenkampf zu tun hat.

Wir sind uns so weit einig, dass Wirtschaftskrisen etwas mit „Klassenkämpfen“ (ich bevorzuge den Begriff „Verteilungskämpfe“) zu haben. Es geht dann darum, zu wessen Lasten die sinkenden Profitraten gehen. Virulent wird das freilich erst dann, wenn auch der Staat durch steigende Kreditaufnahme keinen Sozialklimbim mehr finanzieren kann - siehe Griechenland, Spanien etc. Dann erst wird das deutlich, was Oskar Lafontaine kürzlich sehr treffend formulierte: „Die Schulden der Staaten sind das Vermögen der Reichen.“