Kritik am Konjunkturpacket II?

Hallo,

stimmt. Da nehme ich mich einfach mal als Beispiel. Ich habe
einen Kredit aufgenommen um mir ein Auto zu kaufen, weil ich
damit schneller, bequemer, günstiger und flexibel zur Arbeit
komme. Dafür bekomme ich von meinem Chef Gehalt, davon zahle
ich die Raten, einschließlich Zinsen.

Du zahlst damit aber mehr für das Auto, als es eigentlich wert ist. Das ist in deinem persönlichen Einzelfall „egal“ weil es einfach nur teurer ist und sich die Welt um dich herum trotzdem weiter dreht. Wenn man es aber auf sämtliche Kreditnehmer bezieht:

Ich kann einfach nur weniger kaufen.

Genau, und dadurch lahmt die Binnenkonjunktur. Also verlierst du, wenn es schlecht läuft, deinen Job und kaufst noch weniger als sowieso schon, dadurch gehen weitere Jobs verloren, die Anforderungen an Sozialleistungen steigen allerdings…

Oder du musst weitere Einkäufe wieder mit Krediten finanzieren und das Spiel steigert sich weil deine Verbindlichkeiten insgesamt größer und teurer werden, du brauchst wieder einen Kredit um den vorhergehenden Kredit zu bedienen usw. Und dann kommt irgendwann das, was in den USA zum Auslöser der Krise wurde: das Kartenhaus bricht zusammen, weil man nicht endlos so weiter machen kann.

Gruß,

MecFleih

Hallo,

Du zahlst damit aber mehr für das Auto, als es eigentlich wert
ist. Das ist in deinem persönlichen Einzelfall „egal“ weil es
einfach nur teurer ist und sich die Welt um dich herum
trotzdem weiter dreht.

ja, es gibt noch ein paar Millionen solcher Einzelfälle.

Genau, und dadurch lahmt die Binnenkonjunktur.

Im Gegenteil, das ist seit jeher der Motor der Konjunktur in der Bundesrepublik. Ohne Kredite und Zinsen hätte das ‚Wirtschaftswunder‘ nie stattgefunden.

Wenn ich das Auto nicht auf Kredit kaufe, bekomme ich die Stelle nicht und habe kein Einkommen, kann nichts sparen und kaufe das Auto nie.

Wenn die Unternehmen keine Kredite für Investitionen bekommen, können sie nichts oder weniger/schlechter produzieren …

Kredite und die anfallenden Zinsen nützen im Normalfall durchaus allen Beteiligten.

Daß die Finanzkrise mit Kredieten zu tun hat ist klar, das bedeutet aber nicht, daß Kredite und Zinsen die Wirtschaft grundsätzlich immer behindern, der Wirtschaft immer schaden.

Gruß Rainer

Hallo,

ja, es gibt noch ein paar Millionen solcher Einzelfälle.

… und darunter viele, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können, so dass die Gläubiger gar kein Geld mehr sehen.

Im Gegenteil, das ist seit jeher der Motor der Konjunktur in
der Bundesrepublik. Ohne Kredite und Zinsen hätte das
‚Wirtschaftswunder‘ nie stattgefunden.

Wenn ich das Auto nicht auf Kredit kaufe, bekomme ich die
Stelle nicht und habe kein Einkommen, kann nichts sparen und
kaufe das Auto nie.

Wenn die Unternehmen keine Kredite für Investitionen bekommen,
können sie nichts oder weniger/schlechter produzieren …

Ich glaube hier muss man differenzieren. Dass Investitionen oft nur über Kredite finanziert werden können, ist richtig und für Unternehmen zum Leben wichtig wie für uns frische Luft.

Im Bezug auf die Menschen, die am Ende Waren und Dienstleistungen konsumieren sollen, geht die Rechnung aber immer weniger auf. Wenn dir das Auto hilft, einen Arbeitsplatz zu erreichen, an dem du gutes Geld verdienst, passt die Sache. Wenn dich das Auto aber monatlich z. B. 1/3 deines viel zu geringen Einkommens kostet und sich die Frage stellt ob es überhaupt Sinn macht unter diesen Umständen noch ein Auto zu finanzieren um damit zu einer Arbeit zu fahren, kippt die ganze Sache.

Hier spielen dann viele komplexe Dinge hinein, z. B. die, dass viele Menschen immer noch lieber einen schlecht bezahlten als gar keinen Job haben möchten:

„Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt, sie gibt uns das Leben.“
Henry Ford (1863-1947), US-amerikanischer Automobilindustrieller

Dennoch driftet die Gesellschaft auseinander, es spitzt sich zu in eine kleine Elite besonders Reicher und eine große Masse Armer, wobei die frühere Mittelschicht immer mehr in Richtung der unteren Gruppe rutscht. In Wirtschaftswunderzeiten hatten die Leute einen sicheren Job, wenn sie sich nicht ganz doof angestellt oder silberne Löffel geklaut haben. Heute hat man einen befristeten - damit unsicheren - Vertrag oder arbeitet unterhalb eines in Deutschland nicht vorhandenen Mindestlohns als Lohnsklave in der Zeitarbeit. Wenn man Pech hat, rutscht man innerhalb eines guten Jahres auf Hartz IV und verliert dann ALLES, was man vielleicht in Jahrzehnten aufgebaut hat.

Dieses Phänomen ist nicht neu, das haben wir hier schon lange vor Beginn der Finanzkrise erkannt und diskutiert.

Die Finanzkrise ist entstanden weil das amerikanische Kreditgeschäft nicht mehr funktionierte, selbst wenn man das noch als Problem auf Ebene von Banken sähe, wurde es spätestens mit dem Überspringen auf die weltweite Realwirtschaft zu einem weltweiten massiven Problem für konkrete Menschen.

Wenn auch hier in Deutschland „mal eben“ 1-2 Millionen Arbeitslose zusätzlich auftauchen, zusätzlich zu allen Arbeitslosen, Geringverdienern, Aufstockern, niedrig bezahlten Rentnern usw., bleibt das kein reines Arbeitsmarkt- oder Geldproblem. Es wirkt sich gesellschaftlich aus. Und wie gesagt, die Finanzkrise ist da ein Katalysator, der die Dinge verstärkt und beschleunigt. Es lief aber auch vorher schon nicht rund. Du erinnerst dich an viele Diskussionen zwischen dir, exc und mir zu dem Thema…

Ich will ungern als der Besserwisser dastehen, gerade in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik habt ihr beide mehr Kompetenz als ich. Die Wahrnehmung, dass irgendwas schief läuft, habe ich dennoch seit langem und die Zuspitzung der Verhältnisse zeigt ja auch, dass die Beobachtung richtig ist.

Kredite und die anfallenden Zinsen nützen im Normalfall
durchaus allen Beteiligten.

Aber jetzt ist der globale Sonderfall eingetreten… der vermeidbar gewesen wäre, wenn Kredite in einfacher und fairer Weise zum beiderseitigen Nutzen von Kreditnehmer und Gläubiger eingesetzt worden wären (so wie zu Wirtschaftswunderzeiten). Indem Kredite aber zu Spekulationsobjekten wurden, bei denen mit abenteuerlichen Konstruktionen völlig utopische Gewinne realisiert wurden, ging man die Gefahr ein, dass das ganze Kartenhaus irgendwann mal zusammenbrechen würde. Und anhand Murphys Law konnte auch jeder, der die Abläufe kannte, ahnen, dass es nicht immer weiter funktionieren konnte.

Es gibt allerdings auch Experten, die schon immer der Meinung waren, dass Kredite an sich schon ein Problem sind. Viele Entwicklungsländer z. B. kommen nie nach oben weil sie die Kredite, die ihnen gewährt wurden, nie bezahlen konnten…

Gruß,

MecFleih

Hallo MecFlieh,

bis auf einen Punkt kann ich Dir nur zustimmen.

Es lief aber auch vorher schon
nicht rund. Du erinnerst dich an viele Diskussionen zwischen
dir, exc und mir zu dem Thema…

Ja, natürlich.

in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik habt ihr beide mehr
Kompetenz als ich.

Da muss ich widersprechen, der Experte ist Christian. Ich habe da nur eine Meinung, die sich auf Beobachtungen in meinem näheren Umfeld stützt. Christian ist Banker, ich bin Schlosser. :smile:

Gruß Rainer