Hallo Oliver,
Kann mir jemand weiterhelfen bzgl. der Kritik an der
Philosophie C.F. von Weizsäckers, v.a. seiner Sicht auf das
Verhältnis zwischen Naturwissenschaften und Ethik? Ich habe
irgendwann mal hier im Brett gelesen, daß Weizsäckers Sicht
leicht kritisierbar sei.
ich versuch’s mal, aber ich fürchte, ich werde dir nicht helfen können. (Ich nehme an, du beziehst dich auf meine und Metaphers übereinstimmende Ablehnung Weizsäckers als Philosoph).
Weizsäcker geht davon aus, dass sich alles, was sich klar sagen lässt, quantenmechanisch, also naturwissenschaftlich formulieren lässt. Sein Beitrag zur Philosophie und speziell zur Ethik beschränkt sich darauf, religiöse Gefühle und Verantwortlichkeiten zu wecken, aber wirklich philosophische Fragen (wie z. B. die sehr schwierigen Fragen danach, warum man überhaupt „gut“ sein soll, was denn „gut“ eigentlich heißt oder wie sich Individualethik und Gruppenethik zueinander verhalten) expliziert er kaum, höchstens am Rande.
Das scheint er selbst gemerkt zu haben, denn im Kapitel „Philosophie“ seines Hauptwerks „Zeit und Wissen“ findet sich am Ende der entlarvende Satz: „Hier müsste eigentlich ein philosophisches Buch beginnen.“
Was also Herrn Weizsäcker (philosophisch) vorzuwerfen ist, ist, dass er sich lediglich auf Gefühle beruft, ohne die entsprechenden Urteile kritisch zu befragen. Solange es in seine christliche Weltanschauung (gepaart mit östlichen Elementen der Meditation) passt, ist er zufrieden. Und gerade daraus kann man ihm einen Vorwurf machen. Er denkt nicht „vor“ (obwohl er gerne als Vordenker bezeichnet wird), und er denkt auch nicht wirklich „nach“, denn seine Überlegungen kreisen im Rahmen überkommener Theorien, deren sekundärliterarische Kritiken er völlig ignoriert - mit dem Hinweis, dass sie nicht das Wesentliche träfen. In dieser Hinsicht ist er also höchstens schöngeistig, aber nicht philosophisch. Selbst wenn seine „Lehren“ richtig wären, kümmert er sich überhaupt nicht darum, sie zu begründen, sondern zieht sich auf eine ästhetischen Standpunkt zurück.
Das Problem besteht vor allem darin, dass es kaum kritische Literatur zu Weizsäcker gibt. Seine „Lehren“ sind meist trivial bzw. unwissenschaftlich, dass sich eine kritische Auseinandersetzung nicht lohnt. Die Schwächen seiner Argumente werden von seinen Anhängern einfach zugedeckt mit Bemerkungen wie die, dass seine Werke „lapidar, wie es sich für ein Alterswerk gehört“ (Drieschner) seien, oder mit Formulierungen die auf die „Altersweisheit“ Weizsäckers anspielen.
Seine physikalischen Leistungen bleiben möglicherweise unantastbar, das kann ich nicht beurteilen, aber „philosophisch“ ist das, was er schreibt, kaum zu nennen, allenfalls „populärphilosophisch“.
Entsprechend gibt es auch nur lobende Bücher mit so klangvollen Titeln wie „Weizsäcker. Ein Denker an der Schwelle zum neuen Jahrtausend“ (Görnitz, 1992). Kritische Literatur müsste man in philosophischen Zeitschriften suchen, vermutlich allerdings vergeblich, weil einem „so großen Geist“ niemand ans Bein pinkeln will (oh sorry, das ist mir jetzt so rausgerutscht).
Wenn du möchtest, sehe ich aber in der nächsten Woche mal nach.
Herzliche Grüße
Thomas Miller