Zwischenantworten und Grundlagen
Guten Morgen, 
also die Klausur wurde glücklicherweise wegen extremen
Kenntnisschwächen verschoben
Hab ne Woche länger Zeit mich
vorzubereiten…
Glück gehabt … 
Nach allem was ich heute mitbekommen hab, werden
kritizistische Denkansätze in der heutigen Wissenschaft in der
Form „genutzt“, dass man versucht, schon im vornherein eine
Reglung zu finden, um festzulegen, „wieviel“ (a posteriori)
gewonnene Erfahrungen nötig sind, um ein allgemein gültiges
Gesetz zu finden, von dessen Gültigkeit man behaupten kann,
dass sie sicher ist, d.h. wir an Erkenntnis dazugewonnen
haben. Die Gültigkeit dieses Gesetzes liegt uns nun A priori
vor…
Das ist nicht ganz richtig. Denn dadurch, dass wir Experimente häufig machen, wird das Gesetz nicht apriori. Apriori, also vor aller Erfahrung ist nur der Begriff des Gesetzes überhaupt, und das ist in den Naturwissenschaften vor allem die Kausalbeziehung.
- Wir überlegen uns, wie oft wir einen Ball fallen lassen
müssen, um die Erdanziehung zu erkunden.
- Wir machen diese Versuche --> sinnliche Erfahrung, das
Ergebnis liegt uns a posteriori vor
- Wir stellen das Gravitationsgesetz auf —> können seine
Gültigkeit unter BESTIMMTEN BEDINGUNGEN begründen, d.h. sie
(die Gültigkeit) liegt uns nun a priori vor
Eben nicht. Apriori ist nach Kant lediglich, dass die Gravitation überhaupt Gesetzen unterliegen muss. Wie dieses Gesetz aussieht ist eine empirische Frage. Gerade das induktive Vorgehen der Naturwissenschaften, das du oben beschreibst, also das Zurückführen von vielen empirischen Erfahrungen auf ein allgemeines Gesetz wird vom Kritizismus abgelehnt bzw. als bloß hypothetisch anerkannt. Das ist eine der entscheidenden Ergebnisse des Kritizismus, dass alle unsere empirische Erkenntnis prinzipiell nur vorläufig ist (Popper). Um als wissenschaftlich im naturwissenschaftlichen Sinn zu gelten, muss daher eine wissenschaftliche Aussage nicht – wie bisher behauptet – verifizierbar sein (denn empirische Aussagen lassen sich prinzipiell nicht letztlich verifizieren), sondern sie muss prinzipiell falsifizierbar sein, dass heißt man muss angeben können, unter welchen Bedingungen die getroffene Aussage falsch wäre. Vorgehensweisen, die dies nicht berücksichtigen, sind Pseudowissenschaften. Gemeint sind damit so verschiedene Dinge wie Astrologie (weil das Prinzip, dass die Sterne das Schicksal beeinflussen, dort auf keine Weise in Zweifel gezogen wird), aber auch interpretierende Geisteswissenschaften, denen es an der Eindeutigkeit mangelt, mit der man ihre Sätze unwiderlegbar beweisen könnte (man kann sie nur plausibel machen), oder auch die Theologie, in der Gott prinzipiell nicht bezweifelt, sondern immer schon vorausgesetzt wird.
Hans Albert, ein Schüler Poppers, hat diese Erkenntnis auf die apriorischen Voraussetzungen angewendet, also auf den Begriff der Kausalität selbst. Der Apriorismus hatte ja behauptet, dass durch die Fundierung im Apriorischen, also die Voraussetzung von Begriffen wie Substanz, Kausalität, Zahl etc. in uns, eine Letztbegründung vorliegt, die nicht mehr überboten werden kann, vor allem nicht durch neue empirische Ergebnisse. Albert meint nun, mit seinem sogenannten Münchhausentrilemma (bitte nochmal ausführlich selbst recherchieren!) zeigen zu können, dass eine solche Letztbegründung von Erkenntnis prinzipiell unmöglich ist, weil man sich entweder in einen unendlichen Regress begibt, also bei jeder erreichten Voraussetzung wiederum nach der Voraussetzung dieser Voraussetzung fragen muss, in einen methodischen Zirkel begibt, weil man das, was man beweisen will, schon voraussetzt, oder weil man einfach – aus verschiedenen möglichen (meistens pragmatischen) Gründen – die Begründungslinie irgendwo abbricht, wo es einem gerade gefällt oder sinnvoll erscheint. Dadurch dass man in einen dieser drei Irrwege hineingeraten muss (prinzipiell!), ist nach Albert eine Letztbegründung grundsätzlich unmöglich.
Die Spitze dieser Theorie hat Paul Feyerabend geliefert, der durch diese Art des Vorgehens der Naturwissenschaften auch bei diesen die Wissenschaftlichkeit nicht mehr gewährleistet sieht. Sein Wahlspruch „Anything goes“ (Alles ist erlaubt.) bezweifelt prinzipiell die Möglichkeit traditioneller Wissenschaft bzw. deren Anspruch, bessere Ergebnisse zu leisten als die Pseudowissenschaften.
Was sagst du dazu??? Hast du irgendwelche weitere Infos in diese Richtung für mich???
Wenn das immer noch nicht reicht, schau dich mal unter den genannten Namen und den Begriffen „Letztbegründung“ und „Naturwissenschaften“ im Netz um. Weitere Namen wären „Hugo Dingler“ und „Paul Lorenzen“ unter dem Stichwort „Konstruktivismus“ (Achtung: NICHT „radikaler Konstruktivismus“, das ist etwas fundamental anderes!) und „Erlanger Schule“. Der Empirismus ist vertreten durch Moritz Schlick und Rudolf Carnap (die sind zwar schon tot, aber dort findest du prinzipiell Weiterführendes auf Seiten der Gegner des Kritizismus). Carnap ist der Hauptvertreter der Verifikationsthese.
Oder du fragst mich einfach noch einmal … OK?
Herzliche Grüße
Thomas Miller