Kündigung wg Fernbleiben

Hallo,
ich hätte gerne eure Gedanken zu folgendem Sachverhalt:

AN meldet sich telefonisch beim AG und bittet um sofortige Gewährung seiner 11 verbleibenden Urlaubstage bzw. falls nötig unbezahlte Freistellung. Erklärung: Sein Vater (aus dem Ausland zu Besuch und spricht weder Deutsch noch Englisch) wurde ins Krankenhaus eingeliefert und wird nach Aussage der Ärzte dieses vermutlich nicht mehr verlassen sondern in den nächsten Tagen versterben.
AG lehnt dies ab (angeblich kein Urlaubsanspruch mehr bzw. nur noch für den Betriebsurlaub von 5 Tagen) und bietet statt dessen einen Aufhebungsvertrag an.
AN geht nicht darauf ein, verweist auf die Aussichtslosigkeit seiner Situation und dass sehr wohl noch Urlaubsanspruch bestehe. Er wolle sich melden, sobald er genaueres zum weiteren Verlauf wisse.
AG beendet daraufhin ohne weitere Stellungnahme das Gespräch. Auch auf eine Mail, in der der AN noch einmal auf den beantragten Urlaub hinweist, wird nicht reagiert.

Nach 3 Tagen tritt der Todesfall ein, am nächsten Tag organisiert AN die Rückführung und am 5. Arbeitstag kommt AN wieder zur Arbeit, arbeitet bis Mittags und bekommt dann die fristlose Kündigung in die Hand gedrückt.

Dass das Verhalten des AN rein rechtlich betrachtet nicht korrekt ist (da ja kein Urlaub gewährt wurde), wird akzeptiert. Aber sollte man hier nicht auch eine menschliche Seite betrachten? Und: ja, natürlich hätte sich der AN krankschreiben lassen können, aber das kam ihm in dieser Situation gar nicht in den Sinn - auch wenn man das im Nachhinein nicht verstehen kann.

Ich freue mich über jede qualifizierte Antwort. Wie sieht es z.B. aus mit:

  • Unverschuldeten vorübergehenden Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen, § 616 BGB ist im Vertrag nicht ausgeschlossen
  • Fürsorgepflicht des AG
  • Sollte der AG nicht Urlaub gewähren, wenn dem keine betrieblichen Belange widersprechen?
  • Warum hat der AG den AN erst noch weiter arbeiten lassen und dann erst die Kündigung ausgesprochen? Hätte er doch sofort tun können, nachdem keine fristgerechte Krankschreibung eintraf?

Vielen Dank
Tiffi

Hallo Tiffi,

das dürfte in diesem Fall eine Sache für´s Arbeitsgericht sein,
in diesem Forum nicht so ohne weiteres gelöst werden,da auch
Richter an Arbeitsgerichten von Fall zu Fall unterschiedlich entscheiden.

LG Bollfried

Hallo,

danke für deine Antwort, das gibt ja schonmal etwas Hoffnung. Ich hätte gerne nur vorher eine Einschätzung, wie andere den Sachverhalt sehen. Und ob der Richter überhaupt eine Chance hat, die Umstände zu berücksichtigen oder ist die Lage eindeutig gegen den AN?

Sind noch 4 Wochen bis zum Termin :frowning:

LG
Tiffi

Hi!

Es gibt so ein paar Todsünden, sie man als AN tunlichst vermeiden sollte - eigenmächtige Urlaubsnahme gehört dazu und rechtfertigt regelmäßig eine fristlose Kündigung.

  • Unverschuldeten vorübergehenden Arbeitsverhinderung aus
    persönlichen Gründen, § 616 BGB ist im Vertrag nicht
    ausgeschlossen

Man kann den 616 BGB auch nicht vertraglich ausschließen.
Nur sehe ich hier nicht, welche persönlichen Gründe eine mehrtägige Abwesenheit erfordern.

  • Fürsorgepflicht des AG

OK, und was ist dann mit der Treuepflicht des AN?
Entgegen einiger Meinungen geht beides Hand in Hand - und eine Verletzung der Fürsorgepflicht kann ch im Gegensatz zu einer Verletzung der Treuepflicht nicht erkennen.

  • Sollte der AG nicht Urlaub gewähren, wenn dem keine
    betrieblichen Belange widersprechen?

Das hängt zum einen von den betrieblichen Gepflogenheiten zum Prozess der Urlaubsgewährung ab, zum anderen kann der AN nicht so einfach Urlaub nehmen, wenn er der Meinung ist, der AG müsste den Urlaub gewähren.
Da gibt es für den AN im Zweifel den Weg der einstweiligen Verfügung …

  • Warum hat der AG den AN erst noch weiter arbeiten lassen und
    dann erst die Kündigung ausgesprochen? Hätte er doch sofort
    tun können, nachdem keine fristgerechte Krankschreibung
    eintraf?

Keine Ahnung - vielleicht wollte der AG warten, ob der AN eine AU mitbringt …

Verstehe mich bitte nicht falsch!
Ich gebe nur meine nackte rechtliche Einschätzung wider.

VG
Guido

Hallo,

Hallo,

Ich hätte gerne nur vorher eine Einschätzung, wie andere den
Sachverhalt sehen.

An Guidos Einschätzung gibt es grundsätzlich nix zum 'rumdiskutieren. Deswegen wirst Du von Leuten mit arbeitsrechtlichen Kenntnissen kaum was Anderes hören. Es gibt aber in diesem Forum genügend Trolle, die zwar zu Allem 'ne Meinung, aber von nix eine Ahnung haben.

LG

&Tschüß

Tiffi

Wolfgang

3 Like

Ich gebe nur meine nackte rechtliche Einschätzung wider.

ok, danke :smile:

Hallo Guido,

§ 616 BGB ist dispositives Recht (s. § 619 BGB, in dem § 616 nicht als unabdingbar aufgeführt ist).

§ 616 BGB könnte durchaus einschlägig sein, wenn er nicht abbedungen ist. Für Todesfälle / Beerdigungen im engen Familienkreis gilt er in jedem Falle. Beim Krankenhaus sehe ich das anders, dass eine erwachsene Person sich nicht selbst verständigen kann, kann nicht das Problem des Arbeitgebers sein.

Aber selbst wenn man einen Anspruch auf Freistellung hat, bedeutet nicht, dass man diesen mit dem Faustrecht durchsetzen kann. Es kann aber sein, dass die außerordentliche Kündigung wegen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls unwirksam ist. Das hängt aber vom Richter ab.

VG
EK

2 Like

Hi!

§ 616 BGB ist dispositives Recht (s. § 619 BGB, in dem § 616
nicht als unabdingbar aufgeführt ist).

OK, da hätte ich in der Tat ein „nicht so einfach“ oder ein „nicht komplett“ (im Bezug auf die Freistellung an sich) hinzufügen müssen - danke für den Hinweis.

§ 616 BGB könnte durchaus einschlägig sein, wenn er nicht
abbedungen ist. Für Todesfälle / Beerdigungen im engen
Familienkreis gilt er in jedem Falle. Beim Krankenhaus sehe
ich das anders, dass eine erwachsene Person sich nicht selbst
verständigen kann, kann nicht das Problem des Arbeitgebers
sein.

Deshalb sagte ich „mehrere Tage“.

Es kann aber sein, dass die außerordentliche Kündigung
wegen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls unwirksam
ist. Das hängt aber vom Richter ab.

Kein Widerspruch!
Da ist wohl von Bestätigung der fristlosen Kündigung über Umwandlung in eine ordentliche Kündigung bis hin zum kompletten „In die Tonne damit“ (wobei ich das in Fällen der eigenmächtigen urlaubsnahme noch nicht erlebt habe) alles drin.

Ich hätte auch abgemahnt, und gut wäre es gewesen - wobei zugegeben das Verhalten des Mitarbeiters im Vorfeld natürlich eine Rolle spielt.

VG
Guido

Liebe Tiffi,

egal welche rechtliche Komponente dieser Fall hat.

Menschlich gesehen geht das Verhalten des Arbeitgebers gar nicht!

Ich wünsche dem Betroffenen, dass er einen tollen neuen Job findet, mit Vorgesetzten, die menschlich sind!

Ich selber und einige meiner Kollegen haben Schicksalsschläge erfahren, in denen es kein Problem war, in Ruhe die Dinge zu ordnen. Ich kann so ien Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen und würde dort nicht mehr arbeiten wollen.

Liebe Grüße
Tiri

ArbeitsRECHT
Hi!

egal welche rechtliche Komponente dieser Fall hat.

Neijn, das ist nicht egal, das Brett hier heißt ArbeitsRECHT, wir befinden uns in einem Expertenforum, und hier geht es um Wissen.

Menschlich gesehen geht das Verhalten des Arbeitgebers gar
nicht!

Darum geht es hier nicht.
Außerdem: Wie meinst Du denn, das beurteilen zu können, wenn Du nicht alle Details kennst?

Ich selber und einige meiner Kollegen haben Schicksalsschläge
erfahren,

Auch darum geht es hier nicht - Plauderei ist weiter unten.

Gruß
Guido

1 Like

Hier mal ein Urteil bei einem ähnlich gelagerten Fall:

http://www.n-tv.de/ratgeber/Chef-muss-Urlaub-genehmi…

Gruß

Nö, der Fall ist nicht vergleichbar, da es hier in erster Linie um die Gewährung unbezahlten Urlaubs geht.

In der Begründung steht auch so unwesentliches Zeug wie
-fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu einer Änderung der Urlaubsgestaltung in der Form, in welcher sie vorher (vor dem Betriebsübergang) Gang und Gäbe war,
-bereits erfolgte mündliche Genehmigung des bezahlten Urlaubs (wenn auch streitig)
-Mitgliedschaft des AN im Betriebsrat

Nix für ungut, aber hier ist es mal wieder so, dass ein stümperhafter Journalist eines stümperhaften Nachrichtensenders eine Einzelfallentscheidung, die alles andere als grundsatztauglich ist, also genau solche verkauft.

Gruß
Guido