Kündigung wg. Übernahme der Abteilung durch Fremdfirma?

Liebe/-r Experte/-in,

meine Mutter arbeitet in der Hauswirtschaft in einem Pflegeheim und hat nach 2 befristeten nun einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen (April bzw. Mai 2010).
Derzeit ist sie wegen einer Herzbeutelentzündung krank geschrieben und hat nun auf telefonischem Wege durch eine Kollegin erfahren, dass das Pflegeheim plant die Hauswirtschaft künftig durch eine Fremdfirma erledigen zu lassen. Die Kolleginnen meiner Mutter haben alle Jahresverträge die im August / September auslaufen, die Übernahme durch die Fremdfirma schein im November erfolgen zu sollen.

Nun zu meiner Frage: Muss meine Mutter eine Kündigung befürchten? Oder besser: wäre eine Kündigung rechtens? Schließlich werden keine Stellen gestrichen sondern nur durch eine andere Firma besetzt.
Ich bin mir so garnicht sicher…

Meine Mutter hat zuvor auch in der Pflege direkt gearbeitet, daher meine Hoffnung dass sie wegen des Festvertrages eventuell nur einen Abteilungswechsel zu befürchten hat. Eventuell also eine Änderungskündigung?

Ich bin dankbar für jeden Hinweis, eventuelle Texte zum Thema Arbeitsrecht die sich darauf beziehen und insbesondere natürlich für klare Aussagen zum Fall.

Herzlichen Dank im Voraus!

Beste Grüße
Suzy

Hallo,
hier sollte alles stehen was Sie benötigen:

Gleich ob Übernahme oder Unternehmensverkauf, Ausgliederung, Ausgründung oder Outsourcing – rechtlich handelt es sich in aller Regel um einen Betriebsübergang, der unter § 613a BGB fällt. Der bestimmt im Kern, dass der neue Arbeitgeber in allen Rechten und Pflichten an die Stelle des alten tritt; insbesondere darf Mitarbeitern nicht wegen des Betriebsübergangs gekündigt werden. Neu ist seit dem 1.4.2002, dass die Mitarbeiter im Voraus über den Betriebsübergang informiert werden müssen und dass sie ein Widerspruchsrecht haben.

Im Wortlaut bestimmt der vielzitierte § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):

„(1) Geht ein Betrieb oder einen Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. (…)“

Das bedeutet faktisch, um zwei beliebte Begriffe aufzugreifen, ein „Schlechterstellungsverbot“ bzw. eine „Besitzstandswahrung“, jedenfalls für ein Jahr – allerdings nur für Regelungen, die im individuellen Arbeitsvertrag vereinbart sind. Für Regelungen, die sich aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben, gibt es hingegen keine Schonfrist; sie gehen sofort in die Rechtslage bei dem Erwerber über. Kompliziert wird es, wenn Regelungen im Einzelvertrag auf Regelungen im Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen des alten Arbeitgebers verweisen. Unter welchen Voraussetzungen solche Regelungen Bestand haben oder aber sofort unter die Geltung der neuen Bestimmungen fallen, gehört zu den umstrittenen Problemen in Schrifttum und Rechtssprechung.

Dass der neue Inhaber an die Stelle des alten Arbeitgebers tritt, all dessen Rechte und Pflichten übernimmt und daran das erste Jahr gebunden ist, gilt nach dem Gesetz ausdrücklich auch für Kündigungen:

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs des Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt."

Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage wäre der Arbeitgeber geradezu närrisch, wenn er bei Kündigungen Bezug auf den Betriebsübergang nehmen würde. Doch allzu cleveren Schachzügen hat das Bundesarbeitsgericht einen Riegel vorgeschoben: Nach dessen Rechtsprechung des liegt eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs auch dann vor, wenn es keinen anderen sachlichen Grund gibt, der die Kündigung aus sich heraus (!) rechtfertigt. Wie immer bei Juristen kommt es dabei auf die Umstände des speziellen Falles an.

Nun werden Fusionen und Übernahmen aber in aller Regel unternommen, um Synergieeffekte zu erzielen. Und die sind in vielen Fällen eben auch mit Personalabbau verbunden. Da Kündigungen aber zumindest für ein Jahr unzulässig sind, hat der neue Eigentümer nur zwei Möglichkeiten: Er kann entweder dieses Jahr abwarten und die Kündigungen danach aussprechen, oder er kann auf freiwillige Vereinbarungen und finanzielle „Fluktuationsanreize“ setzen. Denn die sind immer zulässig.

Da es sich auf Betriebsklima und Motivation, aber auch auf die Abwanderung wichtiger Mitarbeiter verheerend auswirken würde, ein Jahr lang unter dem Damoklesschwert drohender Kündigungen zu leben, sind freiwillige Vereinbarungen in solchen Fällen der einzig gangbare Weg. Allerdings muss auch bei größerem freiwilligen Personalabbau oftmals ein Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat abgeschlossen werden. Denn sobald die Schwellenwerte des § 17 (1) Kündigungsschutzgesetz überschritten sind, handelt es sich um „anzeigepflichtige Entlassungen“. Dabei werden nach dem Gesetz nicht nur Kündigungen mitgezählt, sondern auch „andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses, die vom Arbeitgeber veranlasst werden“.

Mit Wirkung zum 1.4.2002 hat der Gesetzgeber dem § 613a BGB zwei neue Absätze hinzugefügt, die den alten und den neuen Arbeitgeber gemeinsam dazu verpflichten, die Mitarbeiter vor dem Wechsel in den Eigentumsverhältnissen eines Betriebs umfassend und schriftlich über die Veränderungen zu informieren. Die beiden neuen Absätze im Wortlaut:

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über: 1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 2. den Grund für den Übergang, 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und 4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden."

Das liest sich relativ harmlos, hat es aber in sich. Denn wenn ein Mitarbeiter dem Übergang widerspricht, bleibt sein Arbeitsverhältnis mit alten Arbeitgeber weiter bestehen – obwohl seine Stelle mittlerweile bei dem neuen Unternehmer ist. Der alte Arbeitgeber muss ihn also anderweitig einsetzen oder ihm, wenn das nicht geht (etwa weil der Betrieb komplett verkauft wurde), betriebsbedingt kündigen. Auf den ersten Blick könnte man sogar meinen, dass eine solche Kündigung gemäß dem oben wiedergegebenen Absatz 4 unzulässig wäre. Vermutlich ist sie aber doch zulässig, weil sie nicht (direkt) wegen des Betriebsübergangs erfolgt, sondern wegen der danach nicht mehr vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeit. Doch hier könnte die Rechtsprechung noch Überraschungen bringen.

Doch auch so macht ein Widerspruch die Sache kompliziert, denn in solch einem Fall greift das Kündigungsschutzgesetz und seine Verpflichtung zur Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten. Das heißt, der Arbeitgeber dürfte (außer wenn er seinen Betrieb komplett verkauft oder aufgegeben hat) nicht einfach den Arbeitnehmer kündigen, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, sondern muss aus der Menge der nach Funktion und Qualifikation vergleichbaren Arbeitnehmer denjenigen auswählen, dessen soziale Schutzbedürftigkeit am geringsten ist. Bei hochspezialisierten Funktionen, die es nur in dem abgegebenen Unternehmensteil gibt, ändert das nicht viel – wohl aber bei all den Funktionen, die auch bei dem alten Arbeitgeber weiterhin existieren.

Wenn eine größere Zahl von Mitarbeitern dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widerspricht und deshalb entlassen werden muss, ist schnell die Schwelle zu einer Massenentlassung erreicht, welche die komplizierte Prozedur von Interessenausgleich und Sozialplan auslöst. Das schafft bei Ausgliederungen und Outsourcing, aber auch bei Übernahmen und Unternehmensverkäufen ein hohes Maß an Unsicherheit sowohl für das abgebende als auch für das übernehmende Unternehmen: Zumindest theoretisch könnte passieren, dass sich der alte Arbeitgeber mit Massenentlassungen herumschlagen muss, während dem neuen für eine geordnete Fortführung des Geschäftes die Leute fehlen.

Zusätzliche Brisanz bekommt die Sache dadurch, dass die gesetzliche Widerspruchsfrist von einem Monat erst mit Zugang der (ordnungsgemäßen!!) Unterrichtung zu laufen beginnt. Ungewollte oder absichtliche Verstöße gegen die Form- und Inhaltsvorschriften des Absatz 5 werden damit zur Zeitbombe sowohl für alten als auch für den neuen Arbeitgeber: „Werden die Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß unterrichtet, können sie auch noch nach Monaten oder Jahren widersprechen und die Beschäftigung beim alten Arbeitgeber verlangen“, fasste Rechtsanwalt Dr. Michael Tepass in der FAZ vom 6.3.2002 die Rechtslage zusammen. „Man stelle sich nur den Fall vor, dass der Erwerber ein Jahr nach dem Betriebsübergang die Mannschaft erheblich reduzieren will und nun sämtliche Arbeitnehmer nachträglich dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen, mit der Begründung, sie seien bei der Unterrichtung über diese Planungen nicht informiert worden.“

Angesichts der existenzbedrohenden Folgen, die formale oder sachliche Fehler bei der Unterrichtung haben können, empfiehlt es sich dringend, die neue gesetzliche Regelung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. In Anbetracht des Risikos dürfte es eine gute Investition sein, vor der Unterrichtung der betroffenen Mitarbeiter den Rat eines erfahrenen und auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung befindlichen Fachanwalts für Arbeitsrecht einzuholen.

Im Gegensatz zu den Regelungen über Kündigungsschutz und Sozialpläne hat der § 613a BGB nichts mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zu tun. Da er im Bürgerlichen Gesetzbuch im Abschnitt über den „Dienstvertrag“ steht, bezieht er sich auf die einzelvertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das hat zur Konsequenz, dass unabhängig von einem bestehenden Sozialplan jeder einzelne Mitarbeiter auf eigene Faust die Wahrung seines im Gesetz festgelegten Besitzstand einklagen kann – auch gegen den Rat und die Empfehlung des Betriebsrats.

Doch auch das Betriebsverfassungsgesetz sollte bei einem Betriebsübergang zu Rate gezogen werden, denn häufig liegt in solchen Fällen zugleich auch eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111ff. BetrVG vor. Zum Beispiel dann, wenn der Betriebsübergang den „Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben“ (§ 111 Ziffer 3) oder „grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen“ (Ziffer 4) mit sich bringt. In diesen Fällen ist der Arbeitgeber nach §111 verpflichtet, den Betriebsrat „rechtzeitig und umfassend zu informieren und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten.“ § 112 verpflichtet den Arbeitgeber außerdem, in solchen Fällen über einen Interessenausgleich und ggf. über einen Sozialplan zu verhandeln.

Ich hoffe das hilft Ihnen etwas weiter.

MfG

Guten Tag, die hier gemachten Aussagen ersetzen keine Rechtsauskunft bzw. Rechtsberatung. Hierzu müssten Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen. Die Aussagen werden nach Besten Wissen und Gewissen abgegeben. Ob Ihre Mutter nun gekündigt wird oder nicht, kann man leider nicht genau sagen, denn die Gerüchte sind Hören/Sagen, also nichts konkretes. Angenommen die Hauswirtschaft wird aufgelöst und out gesourct, dann kann ihre Mutter mit einer Kündigung rechnen auch wenn sie krank ist zu dem Zeitpunkt der Kündigung. Der AG darf betriebsbedingt kündigen, denn die Abteilung würde ja wegfallen. Desweiteren kommt in diesem Fall eine Änderungskündigung gar nicht in Betracht. Denn die neue Firma muss ja auch nicht die AN der Altfirma übernehmen, oft wird dies zwar praktiziert, doch das kann man ja so nicht wissen. Ich würde mich jetzt nicht fertig machen, sondern in Ruhe abwarten was passiert. LG Bea

Hallo Suzy1,

es scheint sich hierbei um einen Betriebsübergang zu handeln, bei welchem die Beschäftigten ein Jahr lang eine Arbeits- und Tarifgarantie haben.
Alles weitere steht im § 613 a BGB.

Lieber Gruß
Wolfgang