Kündigungsfrist nach BGB oder Tarifvertrag?

Hallo Community,

ein Arbeitnehmer möchte nach 1 Jahr und 1 Monat seinen unbefristeten Arbeitsvertrag kündigen.
Lt Arbeitsvertrag gilt für die Kündigungsfrist der Tarifvertrag (welcher dem Arbeitnehmer zum Vertragsabschluss nicht bekannt war).
Aus diesem ergibt sich eine Frist von 6 Wochen zum Quartalsende.
Lt. BGB bestünde aber nur eine Frist von 4 Wochen zum Monatsende.

Der Arbeitnehmer wäre nun durch den Tarifvertrag schlechter gestellt als durch den Gesetzgeber.
Ist er trotzdem an den Tarifvertrag gebunden?

Vielen Dank für Eure Meinungen.
LG Sven.

Hallo!

Findet ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, so haben die tarifvertraglichen Kündigungsfristen Vorrang vor den gesetzlichen Kündigungsfristen . Zum Schutze des Arbeitnehmers dürfen die gesetzlichen oder sofern anwendbar, die tarifvertraglichen Kündigungsfristen nicht unterschritten werden.

MfG
duck313

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Vielen Dank für Deine Antwort.
Den ersten Satz habe ich auch gefunden.
Allerdings habe ich noch folgende Kommentierung dazu gefunden:

Tatsächlich sind tarifvertragliche Kündigungsfristen gegenüber den gesetzlichen höherrangig, das bedeutet, dass tarifvertragliche Regelungen vorgehen. Sollten die Fristen in Arbeits- und Tarifvertrag voneinander abweichen, gilt immer die für der Arbeitnehmer günstigere Regelung.
Quelle: https://www.firma.de/…

Ist das jetzt nur eine Interpretation des Autors, oder steht das so auch im Gesetzestext?

Vielen Dank,
Gruß Sven.

Da geht es um das so genannte Günstigkeitsprinzip. D.h. nach § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) darf von den Regelungen eines Tarifvertrages durch individualvertragliche Regelungen eigentlich nur abgewichen werden, sofern das im Tarifvertrag selbst – durch so genannte Öffnungsklauseln – ausdrücklich vorgesehen ist. Darüber hinaus darf aber immer auch dann durch individualvertragliche Vereinbarung abgewichen werden/ist eine individualvertragliche Regelung heranzuziehen, wenn die Abweichung ausschließlich zu Gunsten der Arbeitnehmenden erfolgt.

Wohlgemerkt: Es geht hier um individualvertragliche Abweichungen, nicht darum, dass Gesetz und Tarifvertrag voneinander abweichen! D.h. man kann sich gegenüber einem Tarifvertag nicht auf eine gesetzliche Regelung stützen, die günstiger wäre, sofern die Regelung im Tarifvertrag selbst zulässig ist.

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Abseits der rechtlichen Sicht: Einfach den Arbeitgeber ansprechen. Es mag da sicher Fälle geben, in denen das nichts bringt, ein paar wenige auch, in denen das kontraproduktiv ist.

Aber meiner - nicht repräsentativen - Erfahrung nach findet sich dann fast immer eine gemeinsame Lösung, während das wedeln mit Paragraphen eher eine Bolockierung verursacht.

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Bin ich voll bei Dir.
Es geht bei der Fragestellung eher darum, was der AN dem neuen AG als frühesten Starttermin anbieten kann, wenn er vorher nicht mit dem alten AG sprechen möchte.

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Hallo,

den muss der AG zur Einsicht für die AN bereithalten, wenn er sich auf tarifvertragliche Regelungen bezieht. Und Gewerkschaftsmitglieder bekommen diesen TV jederzeit kostenlos von ihrer Gewerkschaft.

Und bei dem hier

würde ich doch mal ein paar Fragezeichen machen, wenn das Arbeitsverhältnis nur etwas mehr als ein Jahr gedauert hat. Ein TV, der so früh so lange Kündigungsfristen für AN festschreibt, ist mir unbekannt - und ich kenne eine Menge TVen.

Bist Du sicher, daß Du da nicht in der Zeile „verrutscht“ bist?
Und wenn nicht - bist Du sicher, daß diese Frist nicht nur für den AG gilt? Unterschiedliche Kündigungsfristen für AN und AG kennt ja das BGB in § 622 sowieso, aber auch in TVen ist das nicht selten.

&tschüß
Wolfgang

Hallo Wolfgang, das steht im MTV drin.
Verstehe ich auch nicht, warum man so einen MTV abschließt.

Aber wie gesagt, eigentlich geht es mir hier eher um Klarheit, die es scheinbar nicht gibt. :thinking:
Ich hätte mir jetzt das Günstigkeitsprinzip zurecht gelegt, aber das scheint auch nicht anwendbar zu sein, wenn ich die anderen Antworten richtig verstanden habe.

LG Sven

Wie dir ja bereits ausfuehrlich erklaert wurde, gilt die tarifvertragliche Frist und nicht die gesetzliche. Aktuell (16. November) kannst du fruehestens zum 31. Dezember kuendigen. Allerdings muss deine schriftliche Kuendigung dafuer noch in dieser Woche beim Arbeitgeber zugehen. Danach ginge es erst wieder zum 31. Maerz 2023.

Mit der (fuer dich nicht geltenden) gesetzlichen Kuendigungsfrist koenntest du aber auch fruehestens zum gleichen Termin kuendigen (31. Dezember), nur haettest du fuer die Einreichung der Kuendigung noch 2 Wochen mehr Zeit.

Vermutlich geht es dir darum, dass der neue Arbeitsvertrag nicht rechtzeitig fertig wird, um noch in dieser Woche das alte Arbeitsverhaeltnis zu kuendigen. Das solltest du mit dem neuen Arbeitgeber kommunizieren. Wenn der weiss, dass du nur dann bereits ab dem 1. Januar bei ihm anfangen kannst, wenn der Arbeitsvertrag spaetestens am Donnerstag dieser Woche unter Dach und Fach ist und sonst erst ab dem 1. April, liegt es an ihm, ob er sich mit dem Arbeitsvertrag entsprechend beeilen will oder nicht.