Kuhmilch ohne Kuh

Hallo Brainstorm64,

Ich habe noch nie gehört, daß man eine Kuh schlachten muß, um
an die Milch zu kommen. Was wäre auch reichlich ineffizient.
Wenn Dich die Ethische Frage der Schlachtung bewegt, müsstest
Du eher die Frage nach Fleisch ohne Tiere stellen.

… natürlich muss man die Kuh nicht schlachten, um an die Milch zu kommen.
Aber: Für die Milchproduktion ist es nötig, dass die Kuh regelmäßig kalbt - was sollte man mit den Kälbern machen?
Alle Kälber „durchfüttern“ geht nur theoretisch; aus wirtschaftlichen Gründen würde man das nicht machen.
Auch die Milchkuh selbst - sie wird nach zwei, drei Jahren geschlachtet, da sie zu unrentabel ist. Theoretisch könnte man alle diese ausgedienten Milchkühe auf Gnadenhöfen weiterleben lassen. Eine Kuh wird aber zehn, zwanzig Jahre alt, wenn sie nicht „runtergeschunden“ wird.
Überlege dir mal, wie viele Rinder das insgesamt wären…

Fakt ist: Milchproduktion in einem so großen Maßstab, wie z.B. in Europa der Fall (Milchprodukte sind allgegenwärtig und die müssen auch irgendwo her kommen…) und zu dem Preis geht mit der Schlachtung von Tieren einher (außer man produziert Milch in ganz kleinem Maßstab hobbymäßig oder man hat eine hohe natürliche Todesrate der Kälber und Rinder).

Viele Grüße,
Nina

moin,
so ganz verstehe ich das Problem nicht… das Fleisch geht doch in den Verzehr. Sogar eine Milchkuh wird noch als Hackfleisch und zur Wurstherstellung verarbeitet.

Also geht es doch nicht um die Milch - sondern um Fleisch - kein Fleisch?
Gruß…lux

Hallo pollux,

moin,
so ganz verstehe ich das Problem nicht… das Fleisch geht
doch in den Verzehr. Sogar eine Milchkuh wird noch als
Hackfleisch und zur Wurstherstellung verarbeitet.
Also geht es doch nicht um die Milch - sondern um Fleisch -
kein Fleisch?

beides hängt (bei unserer Form von Landwirtschaft) miteinander zusammen.

Lehnt man die Schlachtung von Tieren ab, muss man eigentlich nicht nur Fleisch, sondern auch andere Produkte, die zur Schlachtung von Tieren führen, ablehnen.
Milch ist (bei unserer Form von Landwirtschaft) nunmal ein Produkt, das zur Schlachtung von Tieren führt - die ganzen Kälber durchfüttern geht ja nicht.

Klar ist Fleisch ein „Nebenprodukt“ der Milcherzeugung - aber dann könnte ich auch sagen: „Tiere schlachten lehne ich ab! Aber kein Problem, ich esse nur Ochsenschwänze und die Innereien, die kaum einer mag - das fällt leider bei der Produktion von Filet und Steak an und ist zu schade zum Wegwerfen.“
Im Prinzip könnte man so alles als Nebenprodukt eines anderen sehen, und sagen:
"Ich lehne Tierleid ab und würde es am liebsten sooooofort abschaffen. Aber ich

  • esse Innereien, da sie nur ein Nebenprodukt der Steaks sind
  • esse Steaks, da sie nur das Nebenprodukt von Milch sind
  • konsumiere Milchprodukte, da sie nur ein Nebenprodukt von Fleisch sind
  • verwende Leder, da es nach der Schlachtung nunmal übrig bleibt."
    –> gegenseitige Rechtfertigung :wink:

Milch könnte man theoretisch auch ohne Schlachtung von Kälbern, ohne „Runterschinden“ der Milchkuh produzieren, Leder könnte man theoretisch auch allein aus der Haut eines natürlichen Todes gestorbener Tiere produzieren. Aber das ist eben (normalerweise) nicht der Fall.

Ich will da keineswegs jemandem ein Verhalten vorschreiben, aber: Das eine abzulehnen und das andere nicht, ist inkonsequent.
Störe ich mich an einem Produktionsprozess, ist konsequenterweise jedes Produkt dieses Produktionsprozesses, insbesondere wenn verzichtbar und umgehbar (und Fleisch, Milchprodukte, Leder… sind’s in unserer Kultur), abzulehnen.

Viele Grüße,
Nina

Besten Dank für die vielen zum Teil sehr konstruktiven Antworten. Es ist für mich nicht nur ein ethisches Problem sondern auch ein ökologisches. Die riesige Menge an Methangasen, die von den Rindern ausgestoßen werden tragen wesentlich zu unserer Erderwärmung bei. Wertvolles Ackerland wird durch die Rinderhufe auf Jahre zerstört. Und ja, jedes Tier hat genauso Anspruch auf ein lebenswertes Leben, wie ein Mensch. die Naturvölker, insbesondere die Indianer, haben uns gelehrt, mit welcher Achtung man mit Tieren umgehen kann, ohne deshalb auf Fleisch verzichten zu müssen.

Sojamilch ist kein Ersatz. Erstens zu teuer, zweitens gibt es nach Aussage von Wissenschaftlern durch die starke Nachfrage bereits kein Soja mehr, das nicht genmanipuliert ist.
Abgesehen davon wäre es wünschenswert die Kräfte aus unseren Gräsern gewinnen zu können, als immer wieder auf einzelne Produkte zugreifen zu müssen.
Aber ich glaube, ich habe durch diese Diskussion wertvolle Tipps erhalten. Vielen Dank.

Servus,

obwohl Du bereits eine Art Fazit gezogen hast - dieses:

Wertvolles Ackerland wird durch die Rinderhufe auf Jahre zerstört.

ist nicht richtig.

Die Produktivität des Bodens ist unter Ackerland so viel größer als unter Weide oder Wiese, dass nirgendwo auf der Welt Böden, die ackerbaulich nutzbar wären, als Wiesen oder Weiden genutzt werden. Wiesen und Weiden findet man heute in Europa nur auf Flächen, die aus verschiedenen Gründen (hohe Niederschläge, geringe Mächtigkeit des Bodens, saure Böden etc.) für Ackerbau nicht geeignet sind.

Im 19.- 20. Jahrhundert wurden zeitweise in Uruguay und Argentinien für Ackerbau geeignete Böden für Weidemast genutzt, aber das ist lange her. Heute liegt dort alles, was irgendwie unter den Pflug zu kriegen ist, unter Soja - Einzelheiten dazu nicht hier, weil das wieder eine andere, emotional höchst aufgeladene Baustelle öffnen würde.

Auf den Schwarzerdeböden der Ukraine und angrenzender Gebiete gab es intensiven Feldfutterbau zur Fleischproduktion, der kann aber heute mit der südamerikanischen Soja auch nicht mehr konkurrieren.

Und last but not least: Die Bodenverdichtung durch extensive Weidehaltung von Rindvieh ist im Vergleich zu den Verdichtungen, die im viehlosen (= mistlosen) Ackerbau durch die ganz reguläre Bodenbearbeitung verursacht werden, maximal der Dreck unterm Daumennagel - so gut wie nichts.

Im Gegenteil: Extensive Weidemast von Rindvieh, Schafen, Damwild etc. ist unter europäischen Bedingungen eines von sehr wenigen Produktionsverfahren mit positiver Energiebilanz - Wiederkäuer können Zellulose in Fett umbauen. Also eine ganz im Stillen und ohne große KfW-Programme stattfindende Nutzung von Sonnenenergie.

Schöne Grüße

MM

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Wie Du scheibst ist dies eine andere Baustelle. Ich stimme Dir zum Teil zu, insbesondere, was europäische Bedingungen betrifft, doch habe ich nicht behauptet diese als Grundlage meiner Überlegungen zu nehmen. Abgesehen davon ist für mich die Art der Tierhaltung auch im europäischen Bereich eine Sache, die es zu ändern gilt.

Hallo Martin,

Die Produktivität des Bodens ist unter Ackerland so viel
größer als unter Weide oder Wiese, dass nirgendwo auf der Welt
Böden, die ackerbaulich nutzbar wären, als Wiesen oder Weiden
genutzt werden. Wiesen und Weiden findet man heute in Europa
nur auf Flächen, die aus verschiedenen Gründen (hohe
Niederschläge, geringe Mächtigkeit des Bodens, saure Böden
etc.) für Ackerbau nicht geeignet sind.

das stimmt, sofern man die Kühe tatsächlich weiden lässt - was auf viele Milchkühe jedoch nicht zutrifft.
Ich habe jedenfalls schon etliche Bauern erlebt, die zu hohen Anteilen mit selbstproduzierter Maissilage und Futterrüben gefüttert haben (es spräche sicher nichts dagegen, auf diesen Flächen Zuckermais und Kohlrüben, also für den Menschen Genießbares, anzubauen).

Und: Soja geht zu sehr hohen Anteilen ins Tierfutter, nicht in vegane Lebensmittel.

Viele Grüße,
Nina

Servus,

das stimmt, sofern man die Kühe tatsächlich weiden lässt - was
auf viele Milchkühe jedoch nicht zutrifft.

auch bei intensiver Grünlandnutzung als Wiese, verbunden mit reiner Stallhaltung, ist das so. Milchwirtschaft in Ackerbaugebieten sucht man seit dem Ende der DDR abgesehen von ganz wenigen Nischenbetrieben wie z.B. Rudolstadt vergebens - Milchviehhaltung ist unmittelbar verbunden mit Mittelgebirgslagen und Grünlandgebieten wie im nordwestdeutschen Raum.

Ich habe jedenfalls schon etliche Bauern erlebt, die zu hohen
Anteilen mit selbstproduzierter Maissilage und Futterrüben
gefüttert haben

Ohne Rauhfutter keine Milchwirtschaft. Jede Milchkuh braucht Rauhfutter als Grundfutter, mit Maissilage pur kann man allenfalls Bullen mästen. In der Milchviehhaltung ist Maissilage ein bei heutigen Milchleistungen kaum verzichtbares Mittel, den Energiegehalt der Ration zu erhöhen, aber eine Ration ohne Rauhfutter kann man einer Milchkuh nicht anbieten. Versuche, das Rauhfutter durch mit Ammoniak aufgeschlossenes Stroh zu ersetzen, sind wegen des hohen Aufwandes in Europa gescheitert (in Israel gibt es Milchkühe, deren Grundfutterration aus aufgeschlossenem Altpapier und Zitrusexpellern besteht - das hat mit der dortigen Landknappheit zu tun und führt ganz woanders hin.

Auf die verheerenden Folgen von Silomaisanbau in für Ackerbau ungeeigneten Lagen wollte ich schon vorher eingehen, aber ich glaube, das verheddert den Thread zu weit. Kurz: Umgekehrt wird ein Schuh draus - es ist nicht die Viehhaltung, die Ackerböden schädigt, sondern die intensive Milchviehhaltung Ende des XX. Jahrhunderts (jetzt infolge sinkender Erzeugerpreise weitgehend vorbei), die durch Silomaisanbau Grünlandböden geschädigt hat.

Futterrüben habe ich zuletzt Anfang der 1980er Jahre auf einem winzigkleinen „Bio“-Betrieb angebaut. In der Milchwirtschaft sind sie heute abgesehen von „Bio“-Nischenbetrieben bedeutungslos: Es gibt viel billigere Energiequellen, in erster Linie Maissilage und Sudangras.

(es spräche sicher nichts dagegen, auf diesen
Flächen Zuckermais und Kohlrüben, also für den Menschen
Genießbares, anzubauen).

Zuckermais würde auf den Stücken, die in Grünlandgebieten für Maissilage unter den Pflug genommen werden, nicht gedeihen. Wenn man die dort für Maissilage genutzten Flächen dauerhaft nutzbar erhalten will, gibts bloß eins: Grünland einsäen, egal ob für Wiesen- oder für Weidewirtschaft.

Die Flächen, auf denen die genannten Nischenbetriebe Futterrüben bauen, sind in den Mittelgebirgen zwar sehr klein, aber grundsätzlich für Ackerbau geeignet; Futterrüben sind relativ anspruchsvoll - wo sie gedeihen, kann man (fast) jede Feldfrucht bauen. Problem sind da in der Regel die kleinen Schläge - man kriegt da keine vernünftigen Arbeitsbreiten hin.

Und: Soja geht zu sehr hohen Anteilen ins Tierfutter, nicht in
vegane Lebensmittel.

Wie wahr, wie wahr. Ich hab schon viele Tonnen Soja durch die Futtermühle gejagt, lang bevor dieses seltsame Wort „vegan“ erfunden war. Das war in den 1980er Jahren, als wegen der politisch gewünschten hohen Erzeugerpreise für Milch fast jeder Aufwand gerechtfertigt war, um noch ein paar hundert Liter Milch rauszukitzeln - bizarrerweise ging damals haufenweise Milch in die Sprühtürme, um nachher als MMP an Kälber verfüttert zu werden; das lag aber nicht an der Milchwirtschaft als solcher, sondern an einer restlos verfahrenen Subventionspolitik.

Heute geht mit sinkenden Erzeugerpreisen die Bedeutung von Soja in der europäischen Milchproduktion ständig zurück, das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht - die Milchwirtschaft kommt wieder dahin zurück, wo sie hingehört (ich sagte es bereits): Zu einer wohlfeilen und einfachen Nutzung von Sonnenenergie, unter Verwendung von Flächen, auf denen keine alternativen Kulturen in Frage kommen. Eine bedeutende Rolle spielt Soja eher noch in der Schweinemast und auch in der Geflügelhaltung.

Mit dem Exkurs in den argentinischen Sojaanbau geht es mir vornehmlich darum, an einem extremen Beispiel zu zeigen, dass die These „Ackerböden werden durch Weidewirtschaft zerstört“ nicht nur in dieser generalisierenden Form, sondern auch im Einzelnen falsch ist: In Argentinien werden Weideböden durch Ackerbau zerstört, nicht umgekehrt; und etwas näher bei uns, in den deutschen Mittelgebirgen und im Alpenvorland auch.

Schöne Grüße

MM

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