Kurventechnik 'Drücken' genau erklärt

Hallo,
ich habe mir die Kurventechnik „Drücken“ mal genau durch den Kopf gehen lassen und frage mich, warum man damit engere Kurven fahren kann und auch schneller ausweichen kann als aufrecht auf dem Motorad.

Man drückt ja mit dem Knie das Motorrad in die Kurve.
Aber wenn ich das Motorrad in die Kurve nach unten drücke, dann drückt es mich doch nach oben. Das ist wie wenn man auf dem Bett liegt und mit dem rechts heraushängenden Knie das Bett nach links schieben will. Das geht nicht, weil ich ja aus dem Bett falle und sich das Bett nicht bewegt. So muss das doch auch sein.

Es gibt auch Begründungen die sagen, dass nur das Motorrad in die Kurve gelegt werden muss und das schneller geht, weil ja weniger Gewicht bewegt werden muss.
Aber wenn ich doch eine Kurve mit bestimmtem Radius und Geschwindigkeit einmal aufrecht und dann gedrückt fahre, dann muss man doch immer die gleiche Zentripetalkraft aufbringen und das heißt im Klartext, dass der Schwerpunkt immer um den gleichen Betrag zur Kurveninnenseite verschoben werden muss.

Wenn man aufrecht fährt, dann muss man das Motorrad nicht so schräg legen.
Fährt man gedrückt, dann legt man das Motorrad schräger dafür ist man ja auch aufrechter.

Wodurch entsteht nun der zeitliche Vorteil für das Drücken bei schnellen Reaktionen und wie funktioniert das eingentlich genau, weil man kann ja nicht Newton II verletzen, dass ja besagt, dass jede Kraft auch eine Gegenkraft erzeugt. Die Kraft, die das Motorrad also effektiv in schräglage versetzt ist immer eine Kraft von der Erde auf Motorrad und nicht von Mensch auf Motorrad, weil der ja eine Gegenkraft erfahren würde und sich die Wirkung dann aufhebt.
Wie wird das aber gemacht, dass man beim Drücken die Kraft von der Straße/Erde so wirken lassen kann, dass man schneller in der Schräglage ist, die man braucht?

Vielen Dank
Tim

Hallo,

Der Schwerpunkt von Mensch/Maschine liegt relativ tief, unterhalb der Sitzfläche, irgendwo im Bereich des Motorblocks.

In der Kurve ist der Schwerpunkt immer so gelegen, dass die Resultierende aus Gewichts- und Zentrifugalkraft durch die Verbindunglinie der Reifen-Boden-Kontakte geht (sonst kippt das Mopped ja oder stellt sich auf).

Um das Mopped vom Geradeauslauf in die Kurvenlage zu bekommen, muss es gekippt werden. Dazu müssen zum einen die Präzessionskräfte der Räder überwunden werden als auch der Schwerpunkt zur Seite bewegt werden, wozu (u.a.) immer auch ein Drehmoment aufgewendet werden muss. Dieses Drehmoment, welches zum Kippen aufgewendet werden muss, nenne ich im Folgenden „Kippmoment“.

Bei langsam „eingekippten“ Kurven wird das Kippmoment im Wesentlichen erzeugt, indem der Lenker leicht zur Kurevenaußenseite gedreht wird. Damit rutscht der Schwerpunkt auf die Kurveninnenseite von der Verbindunglinie der Reifen-Boden-Kontakte und das Mopped fängt an, auf die Kurveninnensete zu kippen; die Kurvenfahrt beginnt. Die Kraft ist proportional zum Hebelarm des Schwerpunktes. Die Kipp-Beschleunigung ist proportional zu dieser Kraft und umgekehrt proportional zum Kippmoment.

Jetzt kommt’s:

Das Kippmoment hängt nicht nur von der Lage des Schwerpunkts ab, sondern auch von der VERTEILUNG der Masse. Masse, die weit vom Drehpunkt entfernt ist, erfordert ein größeres Kippmoment.

Da die Kipp-Beschleunigung umgekehrt proportional ist zum Kippmoment, geht das Kippen schneller, wenn Masse, die sich weit vom Drehpunkt entfernt befindet, nicht mitgekippt werden muss. Da der Schwerpunkt des Systems deutlich niedriger ist als der Oberkörper des Fahrers, kann so insgesamt eine engere Kurve schneller eingefahren werden. Eine höhere Kurvengeschwindigkeit bekommt man damit nicht (eher weniger, weil der Schwerpunkt doch eine winzige Spur höher liegt), aber man kommt schneller in die Kurve (und auch schneller wieder raus).

LG
Jochen

Hallo.

warum man damit engere Kurven fahren kann und auch schneller
ausweichen kann als aufrecht auf dem Motorad.

Engere Kurven bekommt man mit der Drückerei nicht hin: Das Moped kann nur bis zu einem bestimmten Winkel in Schräglage gebracht werden, bevor die Reifen wegschmieren - und wenn der Fahrer nicht mitkippt, ist die Kippizität des gesamten Systems geringer als wenn er das tut.

Schneller ausweichen kann man, weil der Hebelarm gegenüber dem Mitneigen des Fahrers deutlich verkürzt ist. Je mehr Masse um den Schwerpunkt herum angesiedelt ist, desto kurvenfreudiger die ganze Fuhre.

Die engstmöglichen Kurven bei Geschwindigkeit x bekommt man mit dem Hanging off, bei dem der Fahrer nach innen aus der Schwerpunktachse weicht. Damit wird der Schwerpunkt zum Kurveninneren verschoben.

Wie das ganze Schwerpunktgelump praktisch funktioniert, merkt man am besten (Nicht nachmachen, liebe Kinder!), wenn man mit Sozia fährt, wo der Meinung ist, man sollte sich in der Kurve am besten nach außen lehnen. Kinderüberraschung! Wer das mitgemacht und überlebt hat, hat den ganzen Sums von mir und meinem Vorposter komplett verinnerlicht :wink:

Gruß Eillicht zu Vensre

Hallo,
das Hanging-off braucht aber auch am längstem von den drei Kurvenvarianten, bis man endlich in die Kurve fahren kann, weil man erst den Schwerpunkt so weit verlagern muss, oder?

Hallo.

das Hanging-off braucht aber auch am längstem von den drei
Kurvenvarianten, bis man endlich in die Kurve fahren kann,
weil man erst den Schwerpunkt so weit verlagern muss, oder?

Wer es kann, ist mit hanging-off deutlich schneller - besonders in Wechselkurven - von einer Lage zur nächsten gewuppdicht. Den eigenen Körper zur Kurveninnenseite zu verlagern, ist ja nicht das Gleiche, wie das komplette System in der Lage zu verändern. Außerdem können die Experten Kniffe anwenden, die nochmal die Hebelwege verkürzen (kurveninneres Knie nach vorn, und was derlei Faxen mehr sind).

Jedenfalls, wenn es langsamer ginge als das LEgen, würde man es nichtt im Rennsport sehen …

Gruß Eillicht zu Vensre

Aber ein Rennsportler, der das Drücken beherrscht, würde doch mit dieser Technik am schnellsten in die Kurve kommen.
Ich meinte jetzt mit „am schnellsten in die Kurve hineinkommen“ nicht die tatsächliche Geschwindigkeit, die beim Hanging-off am größten ist, sondern der Vorgang, bei dem man das Motorrad in Schräglage bringt.

Beim Drücken ist der sich bewegende Schwerpunkt am tiefsten (==> günstige Hebelverhältnisse), aber beim Hänging-off am weitesten in der Kurveninnenseite, was dann die höchste Kurvengeschwindigkeit erlaubt, was beim Rennsport ja viel wichtiger ist als schnell auszuweichen.

Am schnellsten kann man die Kurve wechseln, wenn man das Drücken anwendet. Beim Rennsport wird man aber das vernachlässigen, weil man sich ja auf die Kurven einstellen kann und wie gesagt, wenn der Profi das Drücken anwendet, kann er bestimmt die Kurven noch schneller wechseln als mit dem Hanging-off. Aber wie gesagt, die Kurvengeschwindigkeit wäre beim Drücken geringer und ist deshalb wahrscheinlich für den Rennsport nicht geeignet, weil man mit dem Hanging-off schnell genug die Kurve wechseln kann.

Ich wollte nochmal anders formulieren, damit auch alles richtig verstanden worden ist und keine Missverständnisse auftreten.
Kann man das so stehen lassen?

Gruß
Tim

Hallo,

Habt ihr schon einmal beim fahren am Lenker in Fahrtrichtung links oder rechts gedrückt?
Was meint ihr in welche Richtung ihr fahrt?
Probiert mal.
Gruß Martin

Der Schwerpunkt von Mensch/Maschine liegt relativ tief,
unterhalb der Sitzfläche, irgendwo im Bereich des Motorblocks.

In der Kurve ist der Schwerpunkt immer so gelegen, dass die
Resultierende aus Gewichts- und Zentrifugalkraft durch die
Verbindunglinie der Reifen-Boden-Kontakte geht (sonst kippt
das Mopped ja oder stellt sich auf).

Um das Mopped vom Geradeauslauf in die Kurvenlage zu bekommen,
muss es gekippt werden. Dazu müssen zum einen die
Präzessionskräfte der Räder überwunden werden als auch der
Schwerpunkt zur Seite bewegt werden, wozu (u.a.) immer auch
ein Drehmoment aufgewendet werden muss. Dieses Drehmoment,
welches zum Kippen aufgewendet werden muss, nenne ich im
Folgenden „Kippmoment“.

Bei langsam „eingekippten“ Kurven wird das Kippmoment im
Wesentlichen erzeugt, indem der Lenker leicht zur
Kurevenaußenseite gedreht wird. Damit rutscht der Schwerpunkt
auf die Kurveninnenseite von der Verbindunglinie der
Reifen-Boden-Kontakte und das Mopped fängt an, auf die
Kurveninnensete zu kippen; die Kurvenfahrt beginnt. Die Kraft
ist proportional zum Hebelarm des Schwerpunktes. Die
Kipp-Beschleunigung ist proportional zu dieser Kraft und
umgekehrt proportional zum Kippmoment.

Jetzt kommt’s:

Das Kippmoment hängt nicht nur von der Lage des Schwerpunkts
ab, sondern auch von der VERTEILUNG der Masse. Masse, die weit
vom Drehpunkt entfernt ist, erfordert ein größeres Kippmoment.

Da die Kipp-Beschleunigung umgekehrt proportional ist zum
Kippmoment, geht das Kippen schneller, wenn Masse, die sich
weit vom Drehpunkt entfernt befindet, nicht mitgekippt werden
muss. Da der Schwerpunkt des Systems deutlich niedriger ist
als der Oberkörper des Fahrers, kann so insgesamt eine engere
Kurve schneller eingefahren werden. Eine höhere
Kurvengeschwindigkeit bekommt man damit nicht (eher weniger,
weil der Schwerpunkt doch eine winzige Spur höher liegt), aber
man kommt schneller in die Kurve (und auch schneller wieder
raus).

LG
Jochen

Hallo,

Habt ihr schon einmal beim fahren am Lenker in Fahrtrichtung
links oder rechts gedrückt?

Na klar.

Was meint ihr in welche Richtung ihr fahrt?

Genau so, wie oben beschrieben. Drück ich die linke Lenkerseite (während ‚normaler‘ Fahrt natürlich) nach vorne, dann kippt das Mopped nach Links und ich „fange“ es in der Linkskurve. Wenn ich dann wieder an der linken Lenkerseite ziehe, stellt sich das Mopped wieder auf und die Kurvenfahrt ist beendet.

Probiert mal.

Schon geschehen.

LG
Jochen