Labiler Verkäufer zögert Notartermin heraus

Guten Abend liebe Wissende,
angenommen, Familie X hat endlich ein Einfamilienhaus inkl. Einliegerwohnung gefunden, das sie erwerben möchte. Das Angebot läuft über einen Makler. Man wird sich schnell einig - Verkäufer und Käufer akzeptieren den Kaufpreis. Innerhalb von wenigen Tagen erhalten die Parteien einen Vertrag vom Notar, der Beurkundungstermin ist für zwei Wochen später anberaumt.

Der 1. Termin wird von der Verkäuferin auf Grund zeitlicher Nöte abgesagt, der zweite Termin wird wiederum verschoben, da sie darauf drängt, dass ihr Vater sie begleitet, der am zweiten, anberaumten Termin aber leider keine Zeit hat. Beide Male wird jeweils zwei Stunden vor Beurkundung abgesagt. Mittlerweile hat Familie X durch den Makler erfahren, dass die Verkäuferin ein starkes Alkoholproblem hat und dass ihre Verkaufsentscheidung nicht 100% fest steht. Der Verkauf scheint zu platzen.

Familie X hat jedoch ihre Wohnung gekündigt (es gibt schon einen Nachmieter), eine Küche bestellt und für die Einliegerwohnung einen Mieter gefunden, der ebenfalls seine jetzige Wohnung gekündigt hat.

Wie sie die Rechtslage für Familie X aus? Ist die Verkäuferin in diesem Fall schadenersatzpflichtig?

Wir hoffen auf wertvolle Infos.
Vielen Dank schon mal im Voraus!

Wie sie die Rechtslage für Familie X aus?

Ziemlich finster. Bevor ein Vertrag geschlossen wurde ist niemand verpflichtet zu verkaufen. Familie X hat da wohl sehr voreilig gehandelt.

Ist die Verkäuferin in diesem Fall schadenersatzpflichtig?

Nein, denn sie ist keine Verpflichtung eingegangen. Da ein Immobiliengeschäft zwingend einen notariellen Vertrag benötigt, kann man vor der Unterschrift auch keine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen.

Hallo

Nein, denn sie ist keine Verpflichtung eingegangen. Da ein
Immobiliengeschäft zwingend einen notariellen Vertrag
benötigt, kann man vor der Unterschrift auch keine Ansprüche
gegen den Verkäufer geltend machen.

Aber natürlich kann man das. Es gibt vorvertragliche Sorgfaltspflichten, welche früher als culpa in contrahende lediglich Richterrecht waren, nunmehr gesetzlich geregelt sind.

Eine davon ist, Vertragsverhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen. Dieses KANN einen Schadenersatzanspruch des potentiellen Käufers bedingen für diejenigen Schäden, die dadurch entstanden sind, dass der Vertrag nicht abgeschlossen wurde.

Ob das hier aber tatsächlich der Fall ist und ob auch ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, das kann nur konkret von einem Anwalt vor Ort festgestellt werden.

Gruß
Dea

Es gibt zwei Entscheidungsgrundlagen, die der Interessent geltend machen könnte :

  1. Ersatzanspruch nach §§ 280, 241 II BGB
    Voraussetzungen :
  • Bestehen eines Schuldverhältnisses ( bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nach § 311 II Nr.1 BGB gegeben )
  • Pflichtverletzung ( des Verkäufers, keine unbegründeten Erwartungen in die Käufer zu erwecken und diese dadurch zu nutzlosen Aufwändungen zu veranlassen ).
  • die der Schuldner ( = Verkäufer ) zu vertreten hat
  1. Aufwändungsersatz nach § 284 BGB
    Voraussetzungen :
  • Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I+III, 281 BGB
  • Bestehen eines Schuldverhältnissen
  • Pflichtverletzung durch Nichtleistung
  • Vertretenmüssen des Schuldners
  • Bestimmen einer angemessenen Frist durch den Gläubiger
  • keine ordnungsgemäße Leistung während der Frist
  • Aufwändungen im Sinne des § 284 BGB

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Eine davon ist, Vertragsverhandlungen nicht ohne triftigen
Grund abzubrechen.

Und das gilt auch für Immobilengeschäfte ? Ich war der Meinung wegen des Notarzwanges sind alle vorvertraglichen Absprachen vor der Beurkundung umwirksam.

Ich bin auch der Meinung, dass ähnliche Fragen hier im Forum in der Vergangenheit auch in diesem Sinne beantwortet wurden (auch von Deinen Berufskollegen).

Das Gesetz ist da ziemlich eindeutig: Schon bei Anbahnung eines Vertrages entsteht ein Schuldverhältnis. Und für DIESES Schuldverhältnis besteht kein Formzwang. Vergleiche dazu § 311 II BGB.

Der Formzwang für das angestrebte Geschäft kann sich auf die Rechtsfolge auswirken. Zum Beispiel wird man wohl nicht als Schadensersatz die Eingehung eines formbedürftigten Rechtsgeschäfts verlangen dürfen, jedenfalls dann nicht, wenn dieser Formzwang auch den anderen gerade warnen sollte; denn damit würde der Formzwang unterlaufen.

Levay

Und das gilt auch für Immobilengeschäfte ?

Das gilt für alle Verträge.

Ich war der Meinung
wegen des Notarzwanges sind alle vorvertraglichen Absprachen
vor der Beurkundung umwirksam.

Nein. Denn das vorvertragliche Schuldverhältnis ist ein anderes als der Vertrag selbst. Das ist auch logisch, denn der Übereilungsschutz der Beurkundung dient der Gewissheit, dass man Grundeigetum erwerben oder übertragen muss. Er schützt nicht vor der Veletzung vertraglicher Nebenpflichten.

Ich bin auch der Meinung, dass ähnliche Fragen hier im Forum
in der Vergangenheit auch in diesem Sinne beantwortet wurden
(auch von Deinen Berufskollegen).

Kann sein, kann nicht sein. Ändert aber nichts ander Rechtslage. Zudem habe ich lange aufgegeben, mich zu wundern, was einige Anwälte von sich geben.

Eni Blick ins Gesetz hilft da auch: § 311 II Nr. 1 BGB. Die kodifizierte cic und ganz ohne Formzwang.

Man sollte auch Bedenken, dass die cic ja auch insb. Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten gewährt, die dann nach Vertragsschluss geltend gemacht werden können. Das wäre schon sehr seltsam, wenn das nun hier nicht der Fall wäre, nur weil der Vertrag selbst dann beurkundungspflichtig ist.

Gruß
Dea

Man sollte auch Bedenken, dass die cic ja auch insb.
Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher
Aufklärungspflichten gewährt, die dann nach Vertragsschluss
geltend gemacht werden können. Das wäre schon sehr seltsam,
wenn das nun hier nicht der Fall wäre, nur weil der Vertrag
selbst dann beurkundungspflichtig ist.

Nicht nur das! Hier mein Fall aus der HGB-Klausur im Studium: A und B wollen einen notariellen Grundstückskaufvertrag abschließen. Auf dem Weg zum Notfahr (Anbahnung des Vertrages) baut A mit dem Wagen, in dem auch B sitzt, einen Unfall. Und schon haben wir vertragliche Schadensersatzansprüche. Und warum sollte es hier auch anders sein?

Levay

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