Laie versucht sich in Impulserhaltung/Rückstoß

Hi,

ich versuche gerade zu verstehen, wie sich die Bewegung von Raketen in verständlichen Worten (für Laien) ausdrücken lässt und habe deshalb an einem Beispiel gearbeitet. Nun, ich bin mir nicht sicher ob das Beispiel so stimmt. Vielleicht könnt ihr mir dabei helfen?

Also die Bewegung von Raketen lässt sich anhand des zweiten und dritten Newtonschen Axioms verstehen, welche wiederum den Impulserhalungssatz ergeben.

Zum Beispiel:
Stellt man sich zuerst eine geschloßene Bierdose, wo nichts ausser komprimiertes Gas drinnen ist, vor. So passiert innerhalb der Dose nichts und die Dose ist im Ruhezustand
Öffnet man jedoch eine Seite der Dose (wie im Fall einer Rakete, wo unten eine Seite geöffnet ist), stößt aus dieser Dose das Gas heraus und (3. Newtonsche Gesetz) die Dose beginnt sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.
Die Dose bewegt(eigentlich: beschleungit) sich solange bis das Gas genug Kraft ausübt (Gas wird ja verbraucht) um das Gewicht (Masse) der Dose zu bewegen (2. Newtonsche Gesetz).
Die Beschleunigung ist konstant, solange keine äußere Wirkung dies verändert (Impulserhaltungssatz).

Wäre das Beispiel zutreffend, oder ist es falsch bzw. mangelhaft erklärt?

Danke im Voraus
lg
S

Hossa :smile:

Also die Bewegung von Raketen lässt sich anhand des zweiten
und dritten Newtonschen Axioms verstehen, welche wiederum den
Impulserhalungssatz ergeben.

Streng genommen ergibt sich die Impulserhaltung nicht aus dem 2-ten und 3-ten Axiom, sondern das 3-te Axiom ist die Forderung nach der Impulserhaltung.

Sei F12 die Kraft, die Teilchen 2 auf Teilchen 1 ausübt und sei F21 die Kraft, die Teilchen 1 auf Teilchen 2 ausübt. Dann fordert das 3-te Newton’sche Axiom, dass „actio = reactio“ gilt:

\vec F_{21}=-\vec F_{12}

Durch die Kraft F12 ändert sich der Impuls p1 von Teilchen 1 und durch die Kraft F21 ändert sich der Impuls p2 von Teilchen 2. Mit dem 2-ten Newton’schen Axiom kann man daher die obige Gleichung umformen:

\frac{d\vec p_2}{dt}=-\frac{d\vec p_1}{dt}

\frac{d\vec p_1}{dt}+\frac{d\vec p_2}{dt}=\vec 0

\frac{d}{dt}\left(\vec p_1+\vec p_2\right)=\vec 0

\vec p_1+\vec p_2=\mbox{const}

Zum Beispiel:
Stellt man sich zuerst eine geschloßene Bierdose, wo nichts
ausser komprimiertes Gas drinnen ist, vor. So passiert
innerhalb der Dose nichts und die Dose ist im Ruhezustand
Öffnet man jedoch eine Seite der Dose (wie im Fall einer
Rakete, wo unten eine Seite geöffnet ist), stößt aus dieser
Dose das Gas heraus und (3. Newtonsche Gesetz) die Dose
beginnt sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.

Genau! Das ist die Impulserhaltung. Vor Öffnen der Dose ist der Gesamtimpuls 0. Also muss er nach dem Öffnen der Dose auch 0 sein. Wenn nun das Gas aus der Dose in die eine Richtung ausströmt, muss sich die Dose in die entgegengesetzte Richtung bewegen, damit die Impulserhaltung nicht verletzt ist.

Die Dose bewegt(eigentlich: beschleungit) sich solange bis das
Gas genug Kraft ausübt (Gas wird ja verbraucht) um das Gewicht
(Masse) der Dose zu bewegen (2. Newtonsche Gesetz).

So lange Gas ausströmt, wird auch die Dose beschleunigt.

Die Beschleunigung ist konstant, solange keine äußere Wirkung
dies verändert (Impulserhaltungssatz).

Nicht ganz. Zwar strömt das Gas mit konstanter Geschwindigkeit aus und übt daher eine konstante Kraft auf die Dose aus, jedoch wird die Dose ständig leichter (da sie ja Gas verliert). Und wenn in F=m*a die Masse m kleiner wird, muss die Beschleunigung a wachsen, um F konstant zu halten.

Wäre das Beispiel zutreffend, oder ist es falsch bzw.
mangelhaft erklärt?

Ein schönes Beispiel, gefällt mir.

Viele Grüße

Hasenfuß

Hallo,

Zwar strömt das Gas mit konstanter Geschwindigkeit aus …

Wenn der Druck in der Dose nachlässt, kann die Ausströmgeschwindigkeit nicht gleich bleiben.
Gruß
loderunner

Zuerst ein großes Dankeschön für deine Ausführungen.

Zum 2 Newtonschen Gesetz, muss erhlich gestehen, dass ich ihm noch immer nicht ganz verbildlicht habe.

Ich versuche es nocheinmal. Das zweite Newtonsche Gesetz besagt:

  1. dass je leichter die Dose ist, desto geringer muss die Kraft sein, um die Dose zu bewegen. Bzw. Je größer die Kraft ist, die auf die Dose einwirkt, desto schneller kann die Dose bewegt werden.
  2. So lange eine Kraft auf die Dose ausgeübt wird, so lange wird sie sich bewegen!?
    ad2) was aber wenn die Kraft so gering ist, dass sie die Dose nicht bewegen kann, weil sie schwer ist, was passiert dann mit der Kraft bzw. mit dem Impuls? Wo verschwindet dieser dann. Er wird dann woanders abgelenkt, oder und bewegt die Dose dann nicht? (bzw. wo ist jetzt mein laienhafter Denkfehler?)
    Deswegen habe ich geschrieben, dass sich die Dose bewegt, solange die Kraft ausreicht um die Masse zu bewegen.

Oder anders gefragt, wie würdest du das zweite Axiom auf dieses Besipiel ummünzen!

Hallo,

  1. So lange eine Kraft auf die Dose ausgeübt wird, so lange
    wird sie sich bewegen!?

ja.

ad2) was aber wenn die Kraft so gering ist,

Eine Kraft ist immer noch da ?

dass sie die Dose
nicht bewegen kann, weil sie schwer ist,

Schwer ? Du meinst sehr große Masse im Verhältnis zur Kraft.

was passiert dann mit
der Kraft bzw. mit dem Impuls?

F=m*a, a=F/m

Wo verschwindet dieser dann.

Garnicht,a wird eben sehr klein.
Gruß VIKTOR

Zwar strömt das Gas mit konstanter Geschwindigkeit aus …

Wenn der Druck in der Dose nachlässt, kann die
Ausströmgeschwindigkeit nicht gleich bleiben.

Doch, kann sie. Allerdings muss dazu die Temperatur konstant bleiben.

  1. So lange eine Kraft auf die Dose ausgeübt wird, so lange
    wird sie sich bewegen!?

Nein. Die Dose ändert ihren Bewegungszustand, solange eine Kraft wirkt. Das zweite Axiom ist sogar noch präziser. Es besagt, dass die Änderung der Bewegung proportional zur Kraft ist.

Oder anders gefragt, wie würdest du das zweite Axiom auf
dieses Besipiel ummünzen!

Die Verwendung von Kräften bei Systemen mit veränderlicher Masse ist nicht so einfach. Nach dem zweiten Newtonschen Axiom gilt

F_{Dose} = m_{Dose} \cdot {{dv_{Dose} } \over {dt}} + v_{Dose} \cdot {{dm_{Dose} } \over {dt}}

für die Dose mit der darin noch enthaltenen Luft und

F_{Luft} = m_{Luft} \cdot {{dv_{Luft} } \over {dt}} + v_{Luft} \cdot {{dm_{Luft} } \over {dt}}

für die bereits ausgeströmte Luft.

Zusätzlich gilt für die ausströmenden Luft

v_{Luft} = v_{Dose} + v_0

(wobei v0 die Ausströmgeschwindigkeit relativ zur Dose ist),

{{dv_{Luft} } \over {dt}} = 0

(weil die Luft nach dem Ausströmen nicht mehr mit der Dose wechselwirkt),

{{dm_{Luft} } \over {dt}} = - {{dm_{Dose} } \over {dt}}

(wegen der Erhaltung der Masse) und somit

F_{Luft} = - \left( {v_{Dose} + v_0 } \right) \cdot {{dm_{Dose} } \over {dt}}

Mit dem dritten Newtonschen Axiom

F_{Dose} = - F_{Luft}

ergibt das die differentielle Raketengleichung

{{dv_{Dose} } \over {dt}} = {{v_0 } \over {m_{Dose} }} \cdot {{dm_{Dose} } \over {dt}}

Energiezufuhr ?
Wie geht das folgende:
Gas mit 20 Grad, 1 bar oder
Gas mit 20 Grad, 100 bar
jeweils gleiche Ausströmgeschwindigkeiten nach Deiner Aussage wenn die
20 Grad gehalten werden ?

Hossa :smile:

Zwar strömt das Gas mit konstanter Geschwindigkeit aus …

Wenn der Druck in der Dose nachlässt, kann die
Ausströmgeschwindigkeit nicht gleich bleiben.

Raketentriebwerke sind in der Regel so gebaut, dass sie konstanten Schub liefern. Den Fall habe ich auf die Dose übertragen, weil das der angestellte Vergleich war.

Viele Grüße

Hasenfuß

Hossa :smile:

Ich versuche es nocheinmal. Das zweite Newtonsche Gesetz
besagt:

  1. dass je leichter die Dose ist, desto geringer muss die
    Kraft sein, um die Dose zu bewegen. Bzw. Je größer die Kraft
    ist, die auf die Dose einwirkt, desto schneller kann die Dose
    bewegt werden.

korrekt!

  1. So lange eine Kraft auf die Dose ausgeübt wird, so lange
    wird sie sich bewegen!?
    ad2) was aber wenn die Kraft so gering ist, dass sie die Dose
    nicht bewegen kann, weil sie schwer ist, was passiert dann mit
    der Kraft bzw. mit dem Impuls?

So lange eine Kraft F auf eine Masse m einwirkt, wird diese Masse eine Beschleunigung a erfahren und daher ihre Geschwindigkeit v ändern.

Deine Wahrnehmung ist hier vermutlich durch die Vorstellung einer Cola-Dose, die auf einem Tisch steht, bestimmt. Wenn du gegen eine solche Cola-Dose zu leicht drückst, wird sie sich nicht verschieben. Das hängt aber mit der Haftreibungskraft zusammen, die dadurch entsteht, dass sich die Oberfläche des Tisches und die Unterseite der Cola-Dose mikroskopisch ineinander „verhaken“. Du musst dann eine Kraft aufbringen, um diese „Verhakung“ zu lösen.

Wenn sich die Cola-Dose dann bewegt, musst du sogar noch eine Kraft aufwenden, damit sich die Dose überhaupt weiter bewegt. Andernfalls würde sie durch Reibungseffekte schnell wieder zum Stillstand kommen. Wenn Reibung im Spiel ist, entsteht oft der Eindruck, als wäre die Kraft proportional zur Geschwindigkeit anstatt proportional zur Beschleunigung, was aber natürlich nicht stimmt.

Viele Grüße

Hasenfuß

Hossa :smile:

Oder anders gefragt, wie würdest du das zweite Axiom auf
dieses Besipiel ummünzen!

Das zweite Newton’sche Axiom wird häufig als „Kraft gleich Masse mal Beschleunigung“ wiedergegeben:

\vec F=m\cdot\vec a

Das findet man auch so in vielen Büchern. Jedoch gilt diese Gleichung nur für den häufig vorkommenden Spezialfall, dass die Masse m konstant ist. Newton selbst hat die Gleichheit von Kraft F und Änderung des Impulses p=m*v mit der Zeit gefordert:

\vec F=\frac{d\vec p}{dt}\quad=\frac{d}{dt}\left(m\vec v\right)=\frac{dm}{dt},\vec v+m,\frac{d\vec v}{dt}=\dot m,\vec v+m,\vec a

Zum Zeitpunkt t habe die Rakete die Masse m(t). Sie erfährt dann die Kraft:

\vec F_r=m(t)\cdot\vec a

Das mit konstanter Geschwindigkeit vg ausgestoßene Gas erfährt die Kraft:

\vec F_g=-\dot m(t)\cdot\vec v_g

Dazu überlegt man sich, dass die Masse der Rakete von m(t) auf m(t+dt) abnimmt. Es wird also die Gasmenge [m(t)-m(t+dt)] ausgestoßen. Das ist gerade gleich -dm, wenn man dm wie üblich als [m(t+dt)-m(t)] definiert. Die Ausstoß-Geschwindigkeit ist vg. Der Impuls ist dann -dm*vg. Die Kraft ist die Zeitableitung des Impulses, also (-dm/dt)*vg.

Wegen des dritten Axioms „action = reactio“ sind beide Kräfte entgegengesetzt gleich:

\vec F_r=-\vec F_g\quad\left|,\mbox{einsetzen}\right.

m\cdot\vec a=-\left(-\dot m\cdot\vec v_g\right)\quad\left|,\mbox{umschreiben}\right.

m,\frac{d\vec v}{dt}=\frac{dm}{dt},\vec v_g\quad\left|,\cdot\frac{dt}{m}\right.

d\vec v=\vec v_g,\frac{dm}{m}\quad\left|,\int\cdots\right.

\int\vec dv=\vec v_g,\int\frac{1}{m},dm

\vec v-\vec v_0=\vec v_g,\left[\ln(m)+C\right]

Die Integrationskonstante v0 ist die Anfangsgeschwindigkeit der Rakete. Die Integrationskonstante C ergibt sich aus der Randbedingung, dass sich die Geschwinidgkeit der Rakete zu Beginn der Verbrennung noch nicht geändert hat:

\vec 0=\vec v\left(m_0\right)-\vec v_0=\vec v_g,\left[\ln\left(m_0\right)+C\right]\quad\Longrightarrow\quad C=-\ln\left(m_0\right)

Damit ergibt sich für die Geschwindigkeit der Rakete:

\vec v(m)=\vec v_0+\vec v_g,\left[\ln(m)-\ln\left(m_0\right)\right]=\vec v_0+\vec v_g,\ln\left(\frac{m}{m_0}\right)

Wegen m0 ist der Logarithmus negativ, um ihn positiv zu machen, kann man den Kehrwert nehmen und dafür ein Minuszeichen vor die Logarithmusfunktion setzen:

\vec v(m)=\vec v_0-\vec v_g,\ln\left(\frac{m_0}{m}\right)

Setzt man darin die Anfangsgeschwindigkeit der Rakete v0=0, erkennt man schön, dass vg und die Geschwinidigkeitsänderung der Rakete entgegengesetzt gerichtet sind.

Viele Grüße

Hasenfuß

Energiezufuhr ?

Sonne (Dose im Strahlungsgleichgewicht mit der Umgebung und im thermischen Gleichgewicht mit dem hinreichend langsam ausströmenden Gas)

Wie geht das folgende:
Gas mit 20 Grad, 1 bar oder
Gas mit 20 Grad, 100 bar
jeweils gleiche Ausströmgeschwindigkeiten nach Deiner Aussage
wenn die
20 Grad gehalten werden ?

So ist es. Nach Bernoulli gilt

p = rho·v²/2

und aus der Zustandsgleichung des idealen Gases folgt

rho = m/V = M·n/V = M·p/(R·T)

Das ergibt

v = sqrt(2·R·T/M)

Der Druck kürzt sich raus. Qualitativ kann man sich das auch direkt aus dem Modell des idealen Gases zusammenreimen. Da es da keine Wechselwirkung zwischen den Teilchen gibt, ist die Geschwindigkeit, mit der sie aus der Öffnung strömen unabhängig davon, wie viele sich in der Dose befinden.

v = sqrt(2·R·T/M)

Der Druck kürzt sich raus. Qualitativ kann man sich das auch
direkt aus dem Modell des idealen Gases zusammenreimen. Da es
da keine Wechselwirkung zwischen den Teilchen gibt, ist die
Geschwindigkeit, mit der sie aus der Öffnung strömen
unabhängig davon, wie viele sich in der Dose befinden.

OK, die größere Kraft des ausströmenden Gases bei höherem Druck
kommt nicht aus der Geschwindigkeitskonponente (wie man spontan
unterstellt wenn man nicht nachdenkt)sondern der größeren
Dichte (Masse !) des ausströmenden Gases.
Oder stehe ich hier noch auf dem Schlauch ?

OK, die größere Kraft des ausströmenden Gases bei höherem
Druck
kommt nicht aus der Geschwindigkeitskonponente (wie man
spontan
unterstellt wenn man nicht nachdenkt)sondern der größeren
Dichte (Masse !) des ausströmenden Gases.

So ist es. Im isothermen Fall ändert sich nur der Massestrom, aber nicht die Auströmgeschwindigkeit. Deshalb kann man hier Ziolkowskis Raketengleichung verwenden. Stömt das Gas allerdings schnell aus, wird es eher adibatisch expandieren. Das wird dann etwas komplizierter.