Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften

Hallo,
ich muss eine Arbeit über die LPG’s schreiben und habe da noch ein paar offene Fragen, die mich mal interessieren würden.

Wie hat das Entlöhnungssystem mit den Arbeitseinheiten in den LPG’s funktioniert. Hat irgendjemand Aufzeichnungen dazu, was eine Arbeitseinheit wert war oder wofür man wie viel AE’s bekommen hat?

Wie war eine LPG sonst organisiert?
Ich weiß etwas über den Vorstand etc. und die Brigaden etc. aber dazu hab ich noch nicht so ganz viel herausbekommen?

Was ist mit dem Land passiert was in den LPG’s war.
Hat sich da jeder Gesellschafter einfach seinen Teil rausgetan oder wurde das alles sofort von der BVVG übernommen? Seit wann gibt es die BVVG?

Das ist soweit erstmal alles was mir unter den Nägeln brennt. Ich hoffe dass mir hier jemand weiterhelfen kann und würde mich über eine schnelle Antwort freuen :smile:
Gruß
Stefan

Hallo Stefan,

Wie hat das Entlöhnungssystem mit den Arbeitseinheiten in den
LPG’s funktioniert. Hat irgendjemand Aufzeichnungen dazu, was
eine Arbeitseinheit wert war oder wofür man wie viel AE’s
bekommen hat?

Das lässt sich so generell nicht sagen. Die AE errechnete sich individuell für den einzelnen, in dem die jeweils erbrachte Arbeitsleistung zur Arbeitsnorm ins Verhältnis gesetzt wurde. Dabei spielten aber auch noch andere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die Schwere der Arbeit, wie kompliziert die jeweilige Arbeit war und wie hoch die Verantwortung des Betreffenden für die Planerfüllung waren. Eine endgültige Festlegung des Wertes der AE erfolgte demnach meist erst am Ende des Jahres (nach der Jahresabrechnung), so daß vorher eine Pauschale gezahlt wurde, die dann mit dem tatsächlichen Wert der AE verrechnet wurde.
Erschwerend kommt noch dazu, daß bei der Bezahlung auch soziale Vergütungen wie Urlaub, zusätzliches Krankengeld u.ä. und auch materielle Zuwendungen (Milch, Getreide u.a.) be- bzw. verrechnet wurden.
Der materielle Wert einer AE veränderte sich auch im Laufe der Jahre. Man findet Angaben von 3-4 Mark in den fünfziger Jahren (entspricht einem Jahreseinkommen von ca. 3500 DM
http://books.google.com/books?id=UzNBiMv6HgAC&pg=PA7…
und 12 Mark im Jahre 1968
http://www.zeit.de/1968/04/Mit-dem-Regime-arrangiert

Wie war eine LPG sonst organisiert?
Ich weiß etwas über den Vorstand etc. und die Brigaden etc.

Da musst Du zuerst unterscheiden, daß es drei Typen von LPGs gab, Typ I (nur Ackerland gemeinsam), II (auch Zugtiere u. landwirtschaftliche Geräte gemeinsam) und III (im Prinzip alles gemeinsam). Je nach Typ gab es dann verschiedene „Musterbetriebsordnungen“, an denen sich orientiert wurde und in deren Rahmen dann die LPG-Mitglieder ihre eigenen Organisationsstatuten erarbeiteten. da die Unterschiede letztendlich doch nicht so groß waren, kann man folgende Organisationsprinzipien nennen:
Als oberstes Organ fungierte die Mitgliederversammlung, die über die Verwendung der Mittel entschied, über die Aufnahme/Ausschluß von LPG-Mitgliedern, über die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion usw. Ihr gehörten alle Mitglieder an, die dann auch einen Vorstand und einen LPG-Vorsitzenden wählten. Das war dann so verteilt, daß der Vorstand beriet und entschied und diese Entscheidungen wurden in der Mitgliederversammlung abgesegnet.
Für die praktische Arbeit war der LPG-Vorsitzende weisungsberechtigt. Seine Anweisungen gab er an die Brigadeleiter weiter, die dann wiederum die anfallenden Arbeiten an die Mitglieder ihrer Brigade verteilten. Die Arbeitspläne entstanden auf der Grundlage von staatlich ausgearbeiteten Betriebsplänen, die wiederum von oben (Ministerium) nach unten (Kreisleitung) immer mehr verfeinert wurden. Weiterhin wurden die LPGs im Laufe der Zeit immer spezialisierter (z.B. vorwiegend Schweine- oder Hühnerproduktion, Pflanzenproduktion usw.), so daß auch eine Abstimmung mit benachbarten LPG (sogenannte Kooperationspartner) durchgeführt wurde.
Außerdem gab es noch eine Revisionskommision (ebenfalls von der Mitgliederversammlung gewählt), die quasi Kontrollaufgaben wahrnahm.

Viele Grüße
Marvin

Hallo Marvin,

Das lässt sich so generell nicht sagen. Die AE errechnete sich
individuell für den einzelnen, in dem die jeweils erbrachte
Arbeitsleistung zur Arbeitsnorm ins Verhältnis gesetzt wurde.
Dabei spielten aber auch noch andere Faktoren eine Rolle, wie
z.B. die Schwere der Arbeit, wie kompliziert die jeweilige
Arbeit war und wie hoch die Verantwortung des Betreffenden für
die Planerfüllung waren. Eine endgültige Festlegung des Wertes
der AE erfolgte demnach meist erst am Ende des Jahres (nach
der Jahresabrechnung), so daß vorher eine Pauschale gezahlt
wurde, die dann mit dem tatsächlichen Wert der AE verrechnet
wurde.
Erschwerend kommt noch dazu, daß bei der Bezahlung auch
soziale Vergütungen wie Urlaub, zusätzliches Krankengeld u.ä.
und auch materielle Zuwendungen (Milch, Getreide u.a.) be-
bzw. verrechnet wurden.

Bombe! Das hilft mir auf jeden Fall!!!

Die
Arbeitspläne entstanden auf der Grundlage von staatlich
ausgearbeiteten Betriebsplänen, die wiederum von oben
(Ministerium) nach unten (Kreisleitung) immer mehr verfeinert
wurden.

Habe ich das richtig verstanden, die Aufgaben bzw deren Planung und Koordination wird gar nicht von der lpg selbst durchgeführt sondern kommt von oben? das heißt alle lpg hatten am gleichen tag das gleiche zu tun?

Wenn mir jetzt noch jemand verraten könnte was aus den Betrieben und dem Land nach der Wende geworden ist wär das der Hammer :smile:
Dankbaren Gruß
Stefan

Hallo Stefan,

Habe ich das richtig verstanden, die Aufgaben bzw deren
Planung und Koordination wird gar nicht von der lpg selbst
durchgeführt sondern kommt von oben? das heißt alle lpg hatten
am gleichen tag das gleiche zu tun?

Nein, da habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Nochmals etwas genauer (aber natürlich immer noch vereinfacht), von oben nach unten:
Das Landwirtschaftsministerium hat einen Jahresplan ausgearbeitet, in der DDR werden im Jahr 1975 X Millionen Tonnen Schweinefleisch, soundsoviel Getreide, Zucker usw. benötigt. Dieser Gesamtplan wurde dann auf die einzelnen Bezirke aufgeschlüsselt und dorthin weitergereicht. Dafür existierte in jedem Bezirk eine zuständige Behörde, „Produktionsleitung des Rates für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft“. Da jeder Bezirk wiederum aus mehreren (Land-)Kreisen bestand, ging das Spiel dort weiter. wobei dann schon die Spezialisierung der einzelnen LPGs berücksichtigt werden konnte. Mit diesen Kreisämtern, deren genauer Name mir jetzt gerade entfallen ist, setzten sich dann die Beaufragten der einzelnen LPGs des Kreises zusammen und diskutierten die Planziele, wobei diese „Diskussion“ eher in der Entgegennahme bestand. Diese Planziele waren allerdings meistens quantitative Angaben, also „ihr erntet in diesem Jahr soundsoviel Tonnen Weizen, eure Kühe geben soviel Milch“ usw. Wann nun jede einzelne LPG mit der Weizenaussaat begann, lag in der Verantwortung des LPG-Vorsitzenden. Er entschied, nach einem Blick in den Himmel und einem zweiten in den Plan, wann er seine Leute aufs Weizenfeld losschickte. Da aber wiederum der Stand der Planerfüllung nach oben gemeldet werden musste, kam es schon vor, daß eine fleissige Kreisleitung Druck auf den LPG-Vorsitzenden machte, etwas früher anzufangen, auch wenn es wettermäßig unsinnig war, nur damit man als erster 100%-ige Planerfüllung melden konnte.
Mit anderen Worten, die Planung über die zu erzielenden Mengen kam schon von oben, aber über den Beginn der Aussaat z.B. entschied der einzelne LPG-Vorsitzende. Auch die Koordination der Arbeiten, sowohl in einer LPG als auch in den kooperierenden LPGs wurde auf LPG-Ebene entschieden, alles natürlich im Rahmen des Planes.
Die einzelnen LPGs hatten also durchaus nicht alle am gleichen Tag das gleiche zu tun, so absurd war es nun auch nicht organisiert.
Ich hoffe, daß das Ganze nun etwas klarer ist.

Viele Grüße
Marvin

1 Like

Hallo Marvin,
das hilft mir auf jeden Fall weiter und das werde ich auch sehr gut gebrauchen können :wink:
Ich glaube du meinst den Rat des Kreises kann das sein?

Weiß denn niemand was mit den LPG nach der Wende passiert ist?
Ich habe etwas über Liquidierung, Wiedereinrichtung und Weiterführung gelesen. Außerdem weiß ich nicht an wen der ganze Boden gegangen ist, ein Teil an die Genossenschaftler und ein Teil an die BVVG. Aber wie das genau ablief weiß ich nicht.
Kann mir da denn niemand helfen? :frowning:
gruß
Stefan

Hallo Stefan,

Ich glaube du meinst den Rat des Kreises kann das sein?

Ja klar, Rat des Kreises, wahrscheinlich Abteilung Landwirtschaft. Keine Ahnung, warum ich da nicht drauf gekommen bin.

Weiß denn niemand was mit den LPG nach der Wende passiert ist?

Ein wenig habe ich hier gefunden
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNo…
(ab S. 4)
Und was dabei für Schweinereien passiert sind, kannst Du z.B. hier nachlesen:
http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=…
http://www.abendblatt.de/extra/service/944949.html?u…

Viele Grüße
Marvin

Hallo Marwin,
vielen Dank für deine Hilfe, das hilft auf jeden Fall.
Morgen ist Abgabe und ich denke ohne deine Hilfe hätt ich die Infos nicht so schnell gefunden.
Dankbarer Gruß
Stefan