Lassalle vs. Marx

Hallo

Kann mir mal jemand erläutern, wieso Lassalle erst mit Marx und Engels zusammenarbeitete, später jedoch verfeindet war??

Wikipedia spuckt dazu irgendwie nix passendes mehr aus, da steht eben nur DASS sie direkte Konkurrenten wurden.

Danke und Grüße

Laralinda

Hallo,

na ja, verfeindet ist so ein Wort. Ihre Theorien waren, obwohl sie uns ähnlich erscheinen, im Detail etwas unterschiedlich. Beide suchten Anhänger zu gewinnen und dass auch zum Teil mit recht heftigen Methoden. Es war also kein Wunder, dass man sich bald gerade bei dieser Anhängersuche in Konkurrenz befand. Für eine Weile versuchte L. verstärkt wohl auch Anhänger in Frankreich zu gewinnen, aber das klappte auch nicht so richtig.
Es gibt da, aus der New Yorker Zeit von Marx die Suppenküchengeschichte. Alle möglichen Gruppen versuchten das Elend zu lindern indem sie Suppenküchen aufbauten. Das reichte von Heilsarmee bis zu den Kommunisten. Allerdings machten sich die Kommunisten dadurch unbeliebt, dass sie z.T. Suppenküchen der Heilsarmee regelrecht überfielen und zerstörten um sicherzustellen, dass die Leute zu den Kommunisten gehen mussten. Und das wiederum waren sehr stark Marxs Leute, die derartige Taktiken später ja auch in Deutschland implementierten.
Wir haben also auf der einen Seite Lassalle, einen eloquenten Redner und auf der anderen Seite Marx, der durchaus den taktischen Wert einer gewissen Gewalttätigkeit zu schätzen wusste. Und beide waren auf die gleichen Anhänger scharf, aber Marx war offensichtlich erfolgreicher. Kein Wunder also, dass bei Lasalle immer erwähnt wird, das er Marx kannte und dass das Verhältnis immer schlechter wurde während Lassalle bei Marx nicht einmal mehr erwähnt wird.

Gruß
Peter B.

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Vielen Dank für diese Antwort :smile:

Hallo Peter

na ja, verfeindet ist so ein Wort. Ihre Theorien
waren, obwohl sie uns ähnlich erscheinen, im Detail
etwas unterschiedlich.

Etwas unterschiedlich?

Lassalle mit seinem „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ war sozialreformerisch während Marx zusammen mit W.Liebknecht die (revolutionär ausgerichtete)„Sozialdemokratische Arbeiterpartei“
gründete. Beide vereinigten sich 1875 (11 Jahre nach dem Tod von Lassalle)zur
„Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“, welche dann später zur „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ wurde.

Es gibt da, aus der New Yorker Zeit von Marx …

Interessant. Das ist mir neu, dass Marx in Amerika war.
Hast Du vielleicht eine Quelle dafür?
Ich weiss nur, dass er von 1852 bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg als Korrespondent in Europa für die "New York Tribune " arbeitete.

…die Suppenküchengeschichte.
Allerdings machten sich die Kommunisten dadurch
unbeliebt, dass sie z.T. Suppenküchen der
Heilsarmee regelrecht überfielen und zerstörten um
sicherzustellen, dass die Leute zu den Kommunisten
gehen mussten. Und das wiederum waren sehr stark Marxs Leute…

Waren das wirklich „Marx’s Leute“ oder vielleicht doch z.B. Bakunin’s?

Zur Erinnerung: Die Heilsarmee gab es in Amerika erst ab 1880.
(http://en.wikipedia.org/wiki/Salvation_army#Worldwid…)

Die Erste Internationale, richtiger „Internationale Arbeiterassoziation“(IAA) wurde 1864 in London gegründet, spaltete sich auf dem Haager Kongress 1872 und die Chaoten:smile: verlagerten die Zentrale nach New York, wo sich die IAA 1876 formell auflöste.

Wir haben also auf der einen Seite Lassalle, einen
eloquenten Redner und auf der anderen Seite Marx, der
durchaus den taktischen Wert einer gewissen
Gewalttätigkeit zu schätzen wusste.

Nochmal: Sozialreform versus Revolution.
Machthaber werden nie kampflos ihre Macht abgeben.
Suppenköche sollte man aber nicht verhauen, da hast Du schon Recht.

Gruß

Wolf

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Hallo Peter

na ja, verfeindet ist so ein Wort. Ihre Theorien
waren, obwohl sie uns ähnlich erscheinen, im Detail
etwas unterschiedlich.

Etwas unterschiedlich?

Lassalle mit seinem „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ war
sozialreformerisch während Marx zusammen mit W.Liebknecht die
(revolutionär ausgerichtete)„Sozialdemokratische
Arbeiterpartei“
gründete. Beide vereinigten sich 1875 (11 Jahre nach dem Tod
von Lassalle)zur
„Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“, welche dann
später zur „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ wurde.

-> Halten wir aber durchaus fest, das diese Sozialreformerische Tätigkeit durchaus Hand in Hand mit der Sozialdemokratie ging, die damals durchaus revolutionär gesinnt war. L. hat ja auch nicht ohne Grund z.B. seinen Namen auf die franz. Schreibweise abgeändert sondern weil er ja in den ebenfalls revolutionären Kreisen Frankreichs um Unterstützung buhlte.

Es gibt da, aus der New Yorker Zeit von Marx …

Interessant. Das ist mir neu, dass Marx in Amerika war.
Hast Du vielleicht eine Quelle dafür?
Ich weiss nur, dass er von 1852 bis zum Amerikanischen
Bürgerkrieg als Korrespondent in Europa für die "New
York Tribune " arbeitete.

Marx war in dieser Zeit nicht nur als „Fernschreib-Korrespondent“ tätig sondern immer wieder in Amerika. Ich müsste jetzt nur nachsehen, ob das im Rubel oder im Fetscher oder im Mehring erwähnt wurde.

…die Suppenküchengeschichte.
Allerdings machten sich die Kommunisten dadurch
unbeliebt, dass sie z.T. Suppenküchen der
Heilsarmee regelrecht überfielen und zerstörten um
sicherzustellen, dass die Leute zu den Kommunisten
gehen mussten. Und das wiederum waren sehr stark Marxs Leute…

Waren das wirklich „Marx’s Leute“ oder vielleicht doch z.B.
Bakunin’s?

Da Bakunin von 1851 bis 1858 in Haft in Russland saß eher nicht.

Zur Erinnerung: Die Heilsarmee gab es in Amerika erst ab 1880.
(http://en.wikipedia.org/wiki/Salvation_army#Worldwid…)

Die Erste Internationale, richtiger „Internationale
Arbeiterassoziation“(IAA) wurde 1864 in London gegründet,
spaltete sich auf dem Haager Kongress 1872 und die Chaoten:smile:
verlagerten die Zentrale nach New York, wo sich die IAA 1876
formell auflöste.

Was so nicht ganz stimmt. Es gab die Heilsarmee schon, nur war sie erst ab 1864 wirklich als INTERNATIONALE Organisation tätig. Es gab aber vergleichbare Organisationen, zum Teil nicht einmal auf nationaler sondern gerade in den USA eher auf der Ebene von Bundesstataten, die später in der heutigen Heilsarmee aufgingen.

Wir haben also auf der einen Seite Lassalle, einen
eloquenten Redner und auf der anderen Seite Marx, der
durchaus den taktischen Wert einer gewissen
Gewalttätigkeit zu schätzen wusste.

Nochmal: Sozialreform versus Revolution.

-> Nochmal: Revolution um oder Revolution um. Beide namen ja Revolution zumindest in Kauf, nur für Marx wurde die Revolution mehr und mehr zum Zweck während Lassalle sie als Mittel sah.

Machthaber werden nie kampflos ihre Macht abgeben.

-> Und hier ist genau der springende Punkt.

Suppenköche sollte man aber nicht verhauen, da hast Du schon
Recht.

Gruß

Wolf

Gruß
Ralf

Lassalle und Marx - und Bebel und all die anderen
Liebe Linda,

Kann mir mal jemand erläutern, wieso Lassalle erst mit Marx
und Engels zusammenarbeitete, später jedoch verfeindet war??

Wikipedia spuckt dazu irgendwie nix passendes mehr aus, da
steht eben nur DASS sie direkte Konkurrenten wurden.

Weder kann von „Feindschaft“ die Rede sein, noch sonderlich sinnvoll von einem Konkurrenzverhältnis.

  1. Beide, Marx und Lassalle, waren Männer der Wissenschaft, und dazu gehört es, sachbezogene Kontroversen auszutragen, und sich gegenseitig möglichst scharf zu kritisieren.
    Mit Feindschaft hat das nun wahrlich wenig zu tun.

Die Unterschiede in der wissenschaftlichen Haltung Marx’ und Lassalles sind doch recht umfangreich, aber viel zu speziell um das nun hier in Länge zu diskutieren, weshalb ich nur einen Punkte anführen möchte:
Marx selbst hatte in seinen früheren Schriften (z.B. im „Kommunistischen Manifest“) erklärt, der Arbeitslohn würde unter Bedingungen ungehinderter Ausbeutung zum Niveau der bloßen biologischen Reproduktion (gerade das, damit die Arbeiter nicht verhungern und noch Nachwuchs aufziehen können) tendieren.

Lassalle übernahm diese Sicht in seinem Theorem des „ehernen Lohngesetzes“.

Marx dagegen revidierte seine frühere Sicht, die allzu überhistorisch-naturalistisch war, und hob das folgende Spezifische der kapitalistischen Produktionsweise hervor:

Durch Entwicklung der Produktivkräfte (= Technik, Wissen, etc.) wird die Ausbeutung der Arbeiter (= die Differenz, der vielgepriesene Mehrwert, den der Kapitalist einbehält zwischen dem bezahlten Lohn für die Bearbeitung einer Sache und der Wertsteigerung, den diese Sache durch die Bearbeitung erhält; also das, was der Kapitalist an der Bearbeitung einer Sache durch den Arbeiters selbst einbehält, ohne selbst die Sache bearbeitet zu haben) immer größer, dabei muss aber der Lohn nicht aufs Existenzminimus sinken, sondern kann sogar steigen.
Also: steigende Lohn und zugleich steigende Ausbeutung sind kein Widerspruch (wie dies Marx früher und Lassalle nahelegen).

Auf Basis dieser Unterschiedlichkeit kritisiert Marx Lassalles „ehernes Lohngesetz“ z.B. in seiner „Kritik des Gothaer Programms“ von 1875 (lange nach dem Tod Lassalles, man sieht daran, es ist also nichts „Persönliches“, sondern einzig dem Dienst an der Sache geschuldet).

  1. In politischer Sicht wollten Marx wie Lassalle den Umsturz der (politischen) Produktionsverhältnisse, wie Wherewolf es bereits treffend beschrieben hat.

Während die Marxisten aber von der Notwendigkeit einer gegen die gesamtkapitalistische Staatsordnung gerichteten proletarischen Revolution ausgingen, glaubte Lassalle, diese Veränderung könne auf Grund der zahlenmäßigen Überlegenheit durch das Erringen der Zulassung der Arbeiterschaft zu gleichen und freien Wahlen erreicht werden.

Der Unterschied war also v.a. einer in der Einschätzung der Rolle des Staates in Bezug auf die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterschaft als auch seine Rolle in Bezug auf den Kampf der Arbeiterschaft gegen die Unterdrückung (das betrifft auch die weit konsequentere internationalistische Haltung der Marxisten, während Lassalle deutsch-national eingestellt war).

Diesem Punkt war übrigen auch der Bruch innerhalb Lassalles ADAV zwischen ihm bzw. den Vertretern seiner Position und Liebknecht geschuldet, weshalb Liebknecht 1869 die SDAP gründete (als Lassalle bereits 5 Jahre tot war), die sich aber bereits 1875 mit dem Gothaer Manifest wieder mit dem ADAV vereinigte, was zeigt, dass es programmatische Differenzen gab, aber keineswegs „Feindschaften“.

Außerdem sollte man auch die Gemeinsamkeiten nicht vergessen:
Marxisten und Lassalle-Anhänger proklamierten beide die Notwendigkeit des Aufbaus von durch Arbeiter selbstverwalteten Betrieben, die Notwendigkeit eines klaren proletarischen Klassenbewusstseins inklusive politischer Zusammenschlüsse, wohingegen wiederum Lassalle anders als Marx den Kampf gegen die Bourgeoisie einzig auf dem politischen Feld führen wollte, sehr viel weniger aber auf dem ökonomischen Feld durch Gewerkschaftsbildungen und Streiks.

  1. Dass zwischem Marx und Lassalle keine „Feindschaft besteht“, zeigt sich schon im umfangreichen Briefverkehr zwischen den beiden und in ihren Besuchen.

Marx hielt Lassalle aber für ein -naja- theoretisches Leichtgewicht, zudem nahm er ihm übel, dass er viele Gedanken von ihm übernommen hatte (z.B. das eherne Lohngesetz, siehe oben!), dabei aber oft einerseits Marx nicht als Urheber nannte, und andererseits zudem noch Marx’ Gedanken (aus Marx’ Sicht) recht schluderhaft und verfälschend propagierte.

Dazu kommt, dass Lassalle und Marx rein vom persönlichen Lebensstil her nicht zusammenpassten, dennoch schätzten sie sich als Kämpfer für die Arbeiterklasse sehr, wie dies etwa diese bekannte Aussage Engels zu Lassalles für ihn sehr passenden Tod im Duell mit dem Verlobten seiner Verlobten wunderbar auf den Punkt bringt:

Lassalle mag sonst gewesen sein, persönlich, literarisch, wissenschaftlich, wer er war, aber politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland. Welcher Jubel wird unter den Fabrikanten und unter den Fortschrittsschweinehunden herrschen; Lassalle war doch der einzige Kerl in Deutschland selbst, vor dem sie Angst hatten

  1. Zudem trug zu diesem Eindruck einer „Feindschaft“ zwischen Marx und Lassalle bzw. den Marxisten und den Lassalle-Anhängern die Tatsache bei, dass Lassalle gerade in der Geschichtsschreibung der Ostblockländer, aber auch im Westen, aus der Geschichte des Marxismus/Sozialismus eher getilgt bzw. an den Rand gedrängt wurde, weil er nicht so recht passte zum real-existierenden Sozialismus und weil aus seiner Perspektive auch gehörige Kritik an diesem geübt werden konnte - aus Marxens Perspektive(n) übrigens auch, der ließ sich jedoch schwerer als Randfigur darstellen :wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð €


Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie mit Suppenküchen zu verändern.
(11. Suppenkaspar-These)_

danke!
Danke dir auch, das war ja mal ein gelungenes Posting :smile: Machst du das immer so :wink:

Erinnerung

Marx war in dieser Zeit nicht nur als
„Fernschreib-Korrespondent“ tätig sondern immer wieder in
Amerika. Ich müsste jetzt nur nachsehen, ob das im Rubel oder
im Fetscher oder im Mehring erwähnt wurde.

Hallo Peter,
bist Du mittlerweile fündig geworden? Auch ich halte Deine Behauptung für - gelinde gesagt - sehr zweifelhaft und habe nirgendwo Belege dafür gefunden. Marx war Europakorrespondent der New York Daily Tribune und stand in Kontakt mit Joseph Weydemeyer (der „Achtzehnte Brumaire“ erschien 1852 im ersten Heft von Weydemeyers „Revolution“) in New York und später Chicago. Aber das war’s auch schon so ziemlich. Selbst Engels kam erst 1888 in die USA.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf,

Maximilian Rubel: Daten zu Karl Marx Leben (Ich übersetze hier den Englischen Titel rückwärts, da ich nur eine Englische Fassung habe). Der Original-Verweis bezieht sich aber auf den Hanser-Verlag, der das deutsche Original 1975 rausgebracht hat. Auf Seite 51 wird erwähnt, dass er mindestens drei Mal in New York war.

Herrmann Fischer-Harriehausen: Die Absurdität der Anthropologie des Karl Marx erwähnt am Rande, dass er über dieses Thema auch in New York gesprochen hat (allerdings nicht den genauen Ort in NY).

und hier noch etwas besonders Hübsches: George F. Franklin, später immerhin bis zum Kommodore in der Royal Navy aufgestiegen, erwähnt in seinen Erinnerungen eine Reihe Passagiere, die er (vornehmlich auf Cunardschiffen) während seiner Zeit als Matrose getroffen hat. Karl Marx ist hier nur eine Randerwähnung (andere haben ihn offensichtlich mehr beeindruckt). Koehlers Verlagsgesellschaft hat das Ding 1904 herum übersetzt, da war es aber schon über zwanzig Jahre alt. Da F. aber auf der Cambria gefahren ist und die 1860 an Italien verkauft wurde, kann sich diese Erwähnung nur auf die Zeit davor beziehen.

Ansonsten: T’schuldigung, ich habe Deine Nachfrage nicht gesehen, da das Thema für mich abgeschlossen war und ich erst die Erinnering auf dem Religionsbrett gefunden habe.

Gruß
Peter B

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Peter,
Danke für die Antwort. Ich kann’s zwar immer noch nicht so recht glauben, aber ich habe ja nun einen Ansatzpunkt. Mal sehen, ob ich den Rubel in der Bibliothek auftreibe. Wenn Du ihn vorliegen hast - gibt es da einen Verweis auf einen Beleg? Z.B. Briefe irgendwo in Abt.III der MEGA o.ä. ?

Freundliche Grüße,
Ralf