Lat. Caro, das Fleisch - woher kommt der Nominativ

Liebe Experten,

ich hoffe, Ihr könnt mir weiterhelfen.
Wir sind neulich über den Nominativ caro des lateinischen Wortes für Fleisch gestoßen. Dekliniert wird das Wort ja carnis, carni, carnem, carne. Unser Problem ist jetzt das fehlende n im Nominativ.
Wie kommt das n in die übrigen Fälle bzw. warum fehlt es im Nominativ? Weiß jemand, wie das Wort sich entwickelt hat?

Vielen Dank im Voraus,
BumbleBee

Liebe BumbleBee,

ich hoffe, Ihr könnt mir weiterhelfen.
Wir sind neulich über den Nominativ caro des lateinischen
Wortes für Fleisch gestoßen. Dekliniert wird das Wort ja
carnis, carni, carnem, carne. Unser Problem ist jetzt das
fehlende n im Nominativ.
Wie kommt das n in die übrigen Fälle bzw. warum fehlt es im
Nominativ? Weiß jemand, wie das Wort sich entwickelt hat?

Lies hier mal auf Seite 43: http://www.uzh.ch/mls/files/Vrticka_Linguistik.pdf

Dort wird erklärt:

A. Die indogermanischen Liquiden und Nasale bleiben im Latein als solche erhalten.

->Im vorhistorischen Latein besass das /l/ zweierlei Aussprachen (= es existierten zwei Allophone) – cf. supra, S. 38 – die von der nachfolgenden lautlichen Umgebung
abhingen, für uns jedoch an der unterschiedlichen Entwicklung vorausgehender Vokale kenntlich geworden sind.

->Im Latein entwickeln die silbischen Allophone von r, l, m und n [… aus PDF kopierte phonetische Zeichen werden hier nicht richtig dargestellT)] Sprossvokale.
(…)

*-®r-, *-÷ll- > ar, al: *k®r-on- > caro, carnis

Ein ähnliches Phänomen tritt übrigens auch in der lateinischen Konjugation auf, wo die nasale Endung für die erste Person Singular, die beim Verb „esse - su m ” auch im Präsens Indikativ erhalten ist und dort also nicht nur in Konjunktiv- und/oder Vergangenheitsformen auftritt, nicht -wie sonst im Präsens Indikativ der ersten Person Singular zu „-o” vokalisiert wurde.

Gruß Gernot

Kampf mit den Sonderzeichen
Hallo nochmal,

_aus PDF kopierte phonetische Zeichen
werden hier nicht richtig dargestellT)
(…)

*-®r-, *-÷ll- > ar, al: *k®r-on- > caro, carnis_ ”

Ich habe mir die sonderbaren Zeichen jetzt mal von woanders kopiert, obwohl in dem PDF-Dokument Kringel statt Punkte drunter standen, gehe ich davon aus, dass das beides für die Syllabizität bzw. Vokalizität der entsprechenden ur-indogermanischen Laute stehen soll.
http://de.wikipedia.org/wiki/%u1E5A
http://de.wikipedia.org/wiki/IAST

_->Im Latein entwickeln die silbischen Allophone von r, l, m und n (/ṛ, ḷ, ṃ , ṇ/) Sprossvokale.

*ṛ r, *ḷ l > ar, al: *kṛ r-on- > caro, carnis_

Ich würde selbst gerne mal Genaueres über den Unterschied zwischen Syllabizität und Vokalizität von Lauten und die Diakritika erfahren, mit denen man sie transkribiert.

Weiß wer was?

Gruß Gernot

Hallo Gernot,

vielen Dank schon mal für Deine Erklärung. Ich habe aber doch noch eine Rückfrage, damit ich sicher bin, alles richtig verstanden zu haben.
Ich deute die folgende Zeile so, dass sich aus krron im lateinischen caron, caronis entwickelt hätte, sich aber das n bei caron und das o bei caronis verschliffen haben zu caro, carnis. Stimmt das?

*-®r-, *-÷ll- > ar, al: *k®r-on- > caro, carnis

Vielen Dank und viele Grüße,
BumbleBee

Hallo BumbleBee,

->Im Latein entwickeln die silbischen Allophone
von r, l, m und n (/ṛ, ḷ, ṃ , ṇ/) Sprossvokale.

vielen Dank schon mal für Deine Erklärung. Ich habe aber doch
noch eine Rückfrage, damit ich sicher bin, alles richtig
verstanden zu haben.
Ich deute die folgende Zeile so, dass sich aus krron im
lateinischen caron, caronis entwickelt hätte, sich aber das n
bei caron und das o bei caronis verschliffen haben zu caro,
carnis. Stimmt das?

*ṛ r, *ḷ l > ar, al: *kṛ r-on - > caro, carnis

Über den geanuen ur-indogermanischen Vorläufer des lateinischen Wortes „caro” (sind ja eh alles erschlossenen Mutmaßungen, wie man an den Sternchen davor sieht) lässt sich das PDF-Dokument ja nicht so genau aus. Ob es überhaupt jemals im Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ eine Form mit „-o-” gab, ist nicht gesagt.

Möglicherweise lautete der frühlateinische Vorläufer ja auch *kṛ rn, und neben der Ausbildung des Sprossvokals a anstelle des silbischen wurde das auslautende n im Nominativ komplett vokalisiert, während es in den übrigen Formen der Folgesilbe zugeschlagen wurde und erhalten blieb.

Im American Heritage Dictionary http://www.bartleby.com/61/roots/IE467.html steht jedenfalls unter Punkt 10, dass der lateinische Stamm carn- ist. Von Vorläuferstämmen mit „-o-”liest man da nichts.

Übrigens, jetzt mein ganzes, mittlerweile sehr spärliches Latein mal wieder aus dem Hinterstübchen gekramt:

In der Deklination des lateinischen Wortes für Jungfrau findet ja auch ein merkwürdiger Lautwechsel statt: virg o , virg i nis

Gruß Gernot