Latein und das Perfekt

Hola,

"Das Perfekt gehört zur Zeitstufe der Vergangenheit und kennzeichnet im Unterschied zum Imperfekt einmalige oder in rascher Folge geschehene Handlungen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Das Perfekt wird vom Perfektstamm gebildet. Der aktivische Perfektstamm wird in der a- und i-Konjugation regelmäßig durch das Kennzeichen -v- markiert, in der e-Konjugationen regelmäßig durch das Kennzeichen -u-. Neben dem v-Perfekt und dem u-Perfekt finden sich bei den unregelmäßigen Verben und in den übrigen Konjugationen auch ein s-Perfekt, ein Reduplikations- (Verdoppelungs-)Perfekt, ein Dehnungsperfekt und eine Perfektbildung ohne Stammveränderungen. Das Perfekt wird durch eigene Personalendungen markiert, die man in unserer Übersicht der Konjugationen findet. Der passivische Perfektstamm wird aus dem Partizip Perfekt Passiv und einer Präsensform von esse gebildet.

Das Perfekt ist im Lateinischen das Erzähltempus. Im Deutschen findet sich stattdessen zumeist das Präteritum [Imperfekt]. In wörtlicher Rede hingegen muss man das lateinische Perfekt auch mit deutschem Perfekt wiederegeben."

Quelle: http://www.lateinservice.de/grammatik/inhalte/verbei…

Jetzt meine Frage: Wenn das Perfekt im Lateinischen das Erzähltempus ist, bedeutet das auch, dass auch die obigen Aussagen gelten müssen?
Also muss gelten: Wenn der Römer erzählt, muss er dann über vergangene Sachen erzählen, die einmalig stattgefunden haben bzw. in rascher Abfolge stattgefunden haben???

Oder ist der Erzähltempus völlig losgelöst von einmaligen oder rasch ablaufenden Handlungen? Und wenn nicht:

In welcher Zeit würde man dann über lang andauernde, sich wiederholende Handlungen erzählen? Muss man dann das Imperfekt benutzen? Aber das Imperfekt ist doch nicht das Erzähltempus.

Danke
Liebe Grüße…

Hallo!
Ich glaube, dein Problem liegt im zugegebenermaßen mißverständlichen Begriff „Erzähltempus“:

Wenn der Römer erzählt, muss er dann über
vergangene Sachen erzählen, die einmalig stattgefunden haben
bzw. in rascher Abfolge stattgefunden haben???

Hihi, dann hätten Römer ja vieles nicht erzählen können. Im Ernst: „Erzähltempus“ ist einfach der Fachbegriff für das Tempus, das zum Berichten/Wiedergeben von nacheinander erfolgten, in sich abgeschlossenenen Handlungen verwendet wird.

Oder ist der Erzähltempus völlig losgelöst von einmaligen
oder rasch ablaufenden Handlungen?

Ob die Handlung einmal ablief oder wie lange sie tatsächlich dauerte, ist nicht wirklich entscheidend. Entscheidend ist, wie sie der Sprecher auffasst. Bestes Beispiel Caesar: Veni, vidi, vici (Ich kam, sah und siegte). Alle 3 Handlungen liefen also nacheinander ab und waren in sich abgeschlossen: erst das Kommen, dann das Sehen / Erfassen der Situation und dann das Siegen. Natürlich hat das „vici“ tatsächlich sicher einige Zeit gedauert, aber Caesar vermittelt es so, als ob er die gesamte Schlacht zack, zack in der Tasche hatte.

In welcher Zeit würde man dann über lang andauernde, sich
wiederholende Handlungen erzählen? Muss man dann das Imperfekt
benutzen? Aber das Imperfekt ist doch nicht das Erzähltempus.

Nein, es ist nicht das sogenannte „Erzähltempus“ (Definition siehe oben), sondern das Tempus, in dem wiederholte, lang andauernde oder versuchte Handlungen oder Zustände „erzählt“ werden. In vielem ist es vergleichbar mit dem englischen past progressive (When I was walking down the street (im Verlauf, nicht abgeschlossen), I dropped my handbag (Handlung leider in sich abgeschlossen, das Ding war auf dem Boden). Das Imperfekt ist also das Tempus für den Hintergrund einer Geschichte, ein bißchen wie das Bühnenbild sozusagen; das Perfekt ist dann für die „action“.
Hätte Caesar gesagt: veniebam, videbam, vincebam, würde man z.B. davon ausgehen, dass alle 3 Aktionen in sich nicht abgeschlossen waren, also ungefähr gleichzeitig abliefen.
Grüße
mitzisch

salve

Ich glaube, dein Problem liegt im zugegebenermaßen mißverständlichen Begriff „Erzähltempus“:

Ja, stimmt.

Ich hab nochmal ne ganz andere Frage zum Imperfekt.
Imperfekt bedeutet ja eigentlich, dass die Handlungen nicht abgeschlossen sind im Gegensatz zum Perfekt.

Wie ist das aber z.B. mit Handlungen, die sich dauernd wiederholen?
Dort ist es doch so, dass diese Handlung beginnt - endet und wieder beginnt und wieder endet ad infinitum, wie könnte man behaupten, dass diese Handlung nicht abgeschlossen ist? Viel mehr ist es doch so, dass die Handlung immer wieder abgeschlossen wird.

Und was ist mit Handlungen, die lange dauern, aber letztenendes doch abgeschlossen sind?

Wie kommt der Begriff Imperfekt da zu stande?

Fragende Grüße
dat ela

Hallo,

Wie ist das aber z.B. mit Handlungen, die sich dauernd
wiederholen?
Dort ist es doch so, dass diese Handlung beginnt - endet und
wieder beginnt und wieder endet ad infinitum, wie könnte man
behaupten, dass diese Handlung nicht abgeschlossen ist? Viel
mehr ist es doch so, dass die Handlung immer wieder
abgeschlossen wird.

Erstens: Gib mir mal für sowas ein Beispiel!? Kann mir nichts drunter vorstellen. Aber es kommt doch darauf an, was dem Sprecher wichtig ist. Derjenige, der das Imperfekt verwendet, legt den Schwerpunkt auf das Wiederholte/Unvollständige dieser Handlung. Er „behauptet“ nichts.
Zweitens: wenn du verlangst, dass Bezeichnungen/Fachbegriffe so exakt auf jedes Detail der Verwendung passen, findet man nie einen passenden Begriff. Das Tempus heißt halt so, weil die Bezeichnung „imperfekt“ auf die meisten lateinischen Belege passt, wenn sie auch vielleicht nicht in jedem Minibeispiel ideal ist.

Und was ist mit Handlungen, die lange dauern, aber
letztenendes doch abgeschlossen sind?

Dafür hatte ich ein Beispiel gegeben: „vici“ als Zusammenraffung einer ganzen Schlacht.
Grüße
mitzisch

Morgen,

Hier ein deutsches Beispiel:

„Ich ging jeden morgen mit dem Hund spazieren.“

Diese Handlung ist abgeschlossen. Warum?
Weil jeden morgen beginne ich damit mit dem Hund spazieren zu gehen und diese Handlung endet dann auch und werde die Handlung dann wieder am nächsten Morgen beginnen, welche dann wieder endet und so weiter…

Wir haben hier also einen Kreis von Beginn und Abgeschlossenheit einer Handlung.

Man könnte aber natürlich auch hergehen und sagen, dass die Betonung hier auf der Wiederholung liegt und über die Abgeschlossenheit bzw. nicht Abgeschlossenheit gar keine Aussage getätigt werden soll?

Wenn das Imperfekt aber gar nicht so perfekt ist, sprich: Dass es einige Biepsiele gibt wo, wo die Handlungen eben nicht abgeschlossen sind, habe ich vielleicht gar kein Problem.

Liebe Grüße
dat ela.

Hi,

Hier ein deutsches Beispiel:
„Ich ging jeden morgen mit dem Hund spazieren.“
Diese Handlung ist abgeschlossen. Warum?
Man könnte aber natürlich auch hergehen und sagen, dass die
Betonung hier auf der Wiederholung liegt und über die
Abgeschlossenheit bzw. nicht Abgeschlossenheit gar keine
Aussage getätigt werden soll?

So würde ich das im vorliegenden Beispiel sehen. Natürlich haben wir im Deutschen keine Möglichkeit, das Wiederholte/ die Gewohnheit nur über die Verbform auszudrücken - bei uns ist „jeden Morgen“ die entscheidende Info.

Wenn das Imperfekt aber gar nicht so perfekt ist, sprich:
Dass es einige Beispiele gibt wo, wo die Handlungen eben nicht
abgeschlossen sind, habe ich vielleicht gar kein Problem.

Ein „nicht“ zuviel? Ansonsten finde ich, dass oben deutlich wird, dass du es verstehst, zumindest sind wir vom Verständnis her dann gleich auf. Feinheiten kann dann einer der Superexperten für uns beide nachliefern :wink:
Grüße
m.

N’abend,

Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir beim letzten Absatz gedacht habe.
Aber ich denke, ich hab das jetzt alles mehr oder weniger kapiert :wink:

Falls nicht, schreibe ich nochmal :wink: