Laufbahn als Sanitätsoffizier

Hallo,
meine Tochter hat letztes Jahr Abi gemacht (2.1) und wartet seitdem auf einen Studienplatz in Medizin, wenn möglich auch noch in ihrer Heimatstadt München. Wenn es dieses Wintersemester wieder nicht klappt, hat sie jetzt die Idee bei der BW Medizin zu studieren. Sie hat auch schon einen Vorstellungstermin in Köln. Da sie sich für 17 Jahre verpflichte müßte, steht jetzt natürlich die Frage im Raum was passiert, wenn sie nach einigen Jahren doch ihren Dienst quittieren will. Wer weiß schon mit 20, auch bei ernsthaftester Beschäftigung mit dem Thema, was vielleicht in 10 Jahren ist.
Wer weiß mehr über dieses Thema oder gibt es Leute, die über ihre Laufbahn als angehender oder schon fertiger Sanitätsoffizier berichten können?

Danke für Eure Mithilfe
Claudia

Hallo Claudia,

ich wollte auch mal beim Bund studieren. Ich war auch in Köln, habe den Test gemacht und bestanden. Der Test ist übrigens „hammerhart“.

Gott sei dank habe ich erstmal meinen Grundwehrdienst abgeleistet, und dabei festgestellt, dass die Bundeswehr nicht der richtig Arbeitgeber für mich sein kann. Es war nicht viel von Abenteuer etc. (wie ich mir das vorgestellt habe) zu spüren. Der Bund musste damals auch schon sparen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass alles, was nach der Grundausbildung kam, stinklangweilig war. Viel zu viele Vorschriften und eingefahrene Routinen, von denen auch die Vorgesetzten nicht befreit waren, machten die Zeit dort für mich zur Hölle.

Selbst die Tatsache, dass man als „Zeitsoldat“ von Anfang an gutes Geld bekommt (Wer bekommt schon Geld fürs Studieren?), konnte mich nicht mehr reizen. Für mich steht fest: Nie wieder Staatsdienst, in welcher Behörde oder Einrichtung auch immer.

Wie das im Sanitätsbereich ausschaut kann ich leider nicht sagen. Aber ich denke gerade für Mediziner kann der Bund ein attraktiver Arbeitgeber sein. Insbesondere, wenn ich mir überlege, was der Bruder meines Mitbewohners als Arzt im Praktikum (schuftet in irgendeinem Krankenhaus unheimlich viel, für sehr wenig Geld) verdient.

Aus finanzieller Sicht kann der Arbeitgeber Bundeswehr, gerade in heutigen Zeiten, interessant sein. Die Bewerberzahlen werden in den letzten Jahren dem entsprechend angestiegen sein.
Jedoch muss man sich genau überlegen, dass man wohl kaum um Auslandseinsätze in Krisengebieten herumkommt. Und wenn einem nach 10 Jahren (oder schon früher) der ganze Mist zum Hals raushängt, ist es nur sehr schwer aus dem „Zeitarbeitsvertrag“ herauszukommen.

Man legt sein Leben also für viele Jahre fest. Wie man das am besten abwägen kann weiss ich allerdings auch nicht. Wie schon erwähnt, ich habe es erst nach/während des Grundwehrdienstes abwägen können, was Bundeswehr wirklich bedeutet.

MfG
Stephan

Hallo,

ergänzend zu Stefans Antwort möchte ich noch etwas hinzu fügen.

Sobald du bei der Bundeswehr „eingestellt“ bist, kommst du dort nicht so einfach raus. Den Plan zu studieren, ein bisschen Dienst zu schieben und dann zu gehen kannst du ersazlos streichen.

Ohne _ernsthafte_ Probleme geht das bei keinem Mannschaftsdienstgrad und Uffz mit oder ohne Portopé.
Für Offiziere ist das noch schwieriger, da der Staat ja jede Menge investiert in die Leute.

Nach ca. 2,5 Jahren ist deine Tocher Leutnant (wenn alles klappt) und bekommt dann knapp 2.000€ monatlich. Semesterfreien fallen weg, denn da gehts zur „Wehrübung“. Wie sich das bei Sanoffzen gestaltet weiss ich nicht. Vom finanziellen Aspekt ist es wirklich ein Anreiz!

Ein weiteres „Problem“ ist, dass man nicht weiss wo man hinkommt. Deine Tochter wird sicherlich nicht die einzige sein, die bei der Bw studieren will. Aber nicht jeder Medizinstudent kann in ein BwK (Bundeswehkrankenhaus). Reisebereitschaft sollte deine Tocher mit bringen!!! München hat ja ne eigene BwUni - kann sie dort nicht hin, ist die nächste in Hamburg. Wehrübungen macht sie auch immer woanders, separate Lehrgänge finden hier, da und dort statt … Offzanwärter sind aller vier Monate woanders.

Was nutzt es deiner Tochter für ihre Karriere, wenn sie ein gutes Studium ablegt, aber danach fünf Jahre „aus dem Bereich“ ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es unbedinngt Karrierefördernd ist, in einem Ausbildungsregiment als SanOffz zu arbeiten - wo die Leute abwechseln mit Schnupfen, Husten und Blasen an den Füßen ankommen.

Deine Tochter kenne ich nicht. Kann sie sich denn konkret etwas unter dem „Dienst an der Waffe“ vorstellen. Ja, schießen müssen sogar die Offiziere, wobei es oftmals besser wäre, das den zu überlassen, die das können :smile: … Wobei es hier nicht um das Können geht, ist ja sicherlich auch eine Frage der inneren Einstellung.

Ich möchte keine Schwarzmalerei betreiben, aber sie sollte sich bewusst sein, dass wenn es zu einem V-Fall (Verteidigungsfall) kommt - dann geht sie dahin!

Auf jeden Fall sollte sie den Termin in Köln-Wahn wahrnehmen um sich ihre eigene Meinung bilden zu können. Als Offz einmal dabei, mind. 15 Jahre keine Ruhe mehr vor diesem Verein!

Gruß, olli

Hallo Olli,
vielen Dank für Dein ausführliches Statement.
Ich denke das wird meiner Tochter bei ihren Überlegungen sehr helfen.

Gruß
Claudia

Hallo Stephan,

auch Dir vielen Dank für Deine ausführliche Auskunft.
Aus Deinen und Ollis Ausführungen kann man sich als jemand der zwar weiß wie die übliche Medizinerlaufbahn aussieht, aber keine Ahnung von der Bundeswehr hat, schon sehr gut ein Bild machen.

Grüße
Claudia