Laufzeit eines Dienstleistungsvertrages

Liebe Community,

folgender fiktiver Rechtsfall beschäftigt mich:

Wie Wohnungseigentumsgemeinschaft B hat mit dem Dienstleister M im August 2020 einen Dienstleistungsvertrag (Gartenpflege) geschlossen. Der Vertrag wurde für ein Jahr (bis zum 31. Juli 2021) geschlossen. Im Vertrag heisst es:

„Wird der Vertrag nicht von einem der Parteien 4 Wochen vor Ablauf gekündigt, gilt dieser als stillschweigend verlängert. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate.“

Der Dienstleister M hat keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

B ist nun der Auffassung, der Vertrag verlängert sich nach dem ersten Jahr auf unbestimmte Zeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Bei heutiger Kündigung also Vertragsende spätestens 31. Januar 2023 (über den Begriff „Monat“ kann man sicher nochmal genauer nachdenken).

M vertritt die Auffassung, der Vertrag verlängere sich jährlich und könne jeweils nur nach Ablauf der jährlichen Laufzeit gekündigt werden. Die entspräche einem Vertragsende bei heutiger Kündigung zum 31. Juli 2023.

Wie ist die Rechtslage Eurer Meinung nach? Habt Ihr Quellen mit denen ich mich weiterführend beschäftigen kann?

Beste Grüße

Schildmann

Dazu sollte man den gesamten zusammenhang im vertrag haben. Wenn ich aber lese, dass

kann man sich fragen warum es da 2 Fristen zur Kündigung gibt. Worauf beruft sich denn der Dienstleister?

Da steht nicht „um ein Jahr verlängert“.
Klar könnte man denken, die Verlängerung erfolge stets um die ursprüngliche Laufzeit von 12 Monaten. Steht da aber nicht.
Gegen diese Auslegung spricht auch, dass zur Erstlaufzeit mit vier Wochen Frist zu kündigen ist, anschließend aber mit einer auf drei Monate erhöhten Frist.
Diese schützt den M vor unterjährigen, allzu kurzfristigen Kündigungen und dient ja somit ganz offensichtlich als Ausgleich dafür, dass nach Ablauf der Mindestlaufzeit von einem Jahr jederzeit gekündigt werden kann.
Ich gehe sogar weiter und behaupte, dass jederzeit eine Kündigung zu dem Tag erfolgen kann, der dem Kündigungstag nach drei Monaten folgt. Also zum Beispiel heutige Kündigung mit Wirkung zum 12.01.23

Grundsätzlich gilt, dass jemand, der Formulierungen verwendet, die nicht 100% klar sind, diese zu seinen Ungunsten auslegen lassen muss.
Wer hat den Vertrag aufgesetzt?
Ach - ein Vertrag, der vorformuliert für mehrere Kunden verwendet wird, gilt als AGB.

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Ich sehe es wie @X_Strom. Es ist zudem auch nicht unüblich Verträge so zu gestalten, dass man eine Art „Probezeit“ als zunächst fixe Laufzeit definiert und den Vertrag danach in einen unbefristeten Vertrag mit abweichender Kündigungsfrist zu abweichenden Terminen übergehen lässt. Insoweit passt der hier genannte Vertragsausschnitt wunderbar zu einer solchen Regelung, auch wenn man sie im Wortlaut als Profi anders schreiben würde.

==> Dauerschuldverhältnis. 309a BGB bei Dienstleistungen unbefristet, kann durch Kündigung (hier 3 Monate) aufgelöst werden. Kündigung jederzeit möglich.

Danke für Deine Antwort.

Es gibt keinen Vertrag im Sinne einer geordneten Aneinanderreihung von Vereinbarungen.
Vielmehr werden der Leistungsumfang und der Preis beschrieben sowie wer Putzlappen etc. beschafft. Darunter steht:

Vertragsbeginn: 01.08.2020
Vertragsende: 31.07.2020

Wird der Vertrag nicht von einem der Parteien 4 Wochen vor Ablauf gekündigt, gilt dieser als stillschweigend verlängert.

Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate.

Dienstleister M beruft sich auf „ist so“.

Danke und Gruß

Dann soll sich die WEG auf „ist anders“ berufen. S. Antwort von @X_Strom, bestätigt durch @Wiz.

Danke für Deine Antwort!

Der Vertrag wurde vom Dienstleister M bereitgestellt und vom Verwalter der WEG B gegengezeichnet.

In dem Vertrag steht selber nicht viel drin

Vielmehr werden der Leistungsumfang und der Preis beschrieben sowie wer Putzlappen etc. beschafft. Darunter steht:

Vertragsbeginn: 01.08.2020
Vertragsende: 31.07.2020

Wird der Vertrag nicht von einem der Parteien 4 Wochen vor Ablauf gekündigt, gilt dieser als stillschweigend verlängert.

Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate.

Danke und Gruß

Vielen Dank für Deine Antwort.

Ich kann keinen §309a BGB finden. Gab es den 2020 vielleicht noch und ist er mittlerweile weggefallen?

Danke und Gruß

Egal, ich habe für dich die aktuelle Regelung:
https://linda-heitmann.de/stillschweigende-vertragsverlaengerung-ab-maerz-gelten-neue-verbraucherinnen-regeln/

Dort steht u. a.:

Für „Altverträge“ , also solche Verträge, die vorher geschlossen wurden, bleibt es bei der alten Rechtslage : Die Wirksamkeit von Klauseln über Kündigungsfristen und stillschweigende Vertragsverlängerungen in solchen Altverträgen – auch wenn die tatsächliche Verlängerung erst nach dem 1. März 2022 erfolgt – bemisst sich also weiterhin nach der bis dahin geltenden Fassung von § 309 Nummer 9 BGB. Danach sind AGB-Klauseln zulässig, die für den Fall, dass Verbraucher*innen nicht rechtzeitig kündigen, eine stillschweigende Verlängerungen des Vertrages um bis zu ein Jahr vorsehen, und Kündigungsfristen von bis zu drei Monaten Dauer festlegen.

Wie du siehst, steht dort „BIS ZU einem Jahr“. Da bei euch nur etwas von automatischer Verlängerung steht, aber nichts von Dauer, gilt das, was @X_Strom geschrieben hat. Jederzeit mit 3 Monaten Kündigungsfrist.

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Hallo Christa, herzlichen Dank.

Das bedeutet also, dass der M aus der ursprünglichen Vertragslaufzeit von einem Jahr keine automatische Verlängerung von einem Jahr ableiten kann? Er hätte hierfür die Verlängerung präzisieren müssen, was er nicht getan hat? Somit gilt die unbestimmte Laufzeit?

Das klingt alles völlig logisch - ist das jedoch nicht irgendwann mal sinngemäß allgemein geregelt oder entschieden worden?

Danke und Gruß

Schildmann

Genau das, ja!

Sorry, § 309 Ziffer 9a
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__309.html

na dann . . .

Servus,

regelt, dass bei Verträgen über regelmäßig zu erbringende Leistungen eine Laufzeit von mehr als 24 Monaten nicht wirksam über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt werden kann.

Den Zusammenhang mit

könntest Du vielleicht ein bisselchen erläutern. Oder war das mal wieder bloß mit dem Löffel in die Tomatensoße gepatscht?

Der ist nur auf AGB anwendbar. Ob es sich hier um eine AGB handelt, ist nicht sicher.
Im Übrigen würde bei Anwendbarkeit des § 309 Abs. 9 die Kündigungsfrist maximal einen Monat betragen.

Das ist insofern interessant, als hier der Auftraggeber anscheinend Interesse an einer baldigen Kündigung hat.
Ob dieser Vertragstext eine AGB darstellt, muss man hieran prüfen:
„Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.“
(Aus § 305 BGB)

Eine Frage an die Rechtsgelehrten (@Wiz):
Falls es eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt, mit der man eine dreimonatige Kündigungsfrist nach Ablauf des ersten Jahres festzulegen versuchte, wird dann

  • die gesamte Floskel der stillschweigenden Verlängerung unwirksam
    oder
  • die Kündigungsfrist auf einen Monat reduziert?

Falls sich das nicht auf den aktuellen Fall bezieht, ok. Falls es sich doch darauf beziehen sollte: die 3 Monate wären ok, weil der Vertrag seit 2020 besteht, und da war es noch erlaubt, s. meine Antwort weiter oben.

Hatte ich gelesen, aber nicht gespeichert. Mein Fehler.

Du sprichst hier ein durchaus nicht ganz so einfaches Thema an. In Deutschland gilt der Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion. D.h. wenn in AGB eine Klausel unzulässig ist, dann wird diese im Streitfall hierüber nicht durch ein Gericht so angepasst, dass sie gerade eben noch zulässig (und oftmals durchaus dann so im Interesse beider Parteien) wäre, sondern entfällt sie ganz, wodurch es zur Anwendung der gesetzlichen Regelung kommt, wenn es hierzu eine gesetzliche Regelung gibt. D.h. werden durch eine solche Regelung Ansprüche oder Abwehrrechte geregelt, die das Gesetz nicht regelt, entfallen diese komplett.

Wie weitreichend eine solche Streichung im Einzelfall zu gehen hat, wird durch den so genannten „Blue-Pencil-Test“ ermittelt. D.h. man streicht den unzulässigen Teil einer Regelung und schaut, ob diese auch noch ohne diesen Teil sinnhaftig ist. Ist sie so noch umsetzbar, indem man sich für den unzulässigen Teil dann auf eine gesetzliche Regelung beziehen kann, bleibt der Rest bestehen. Ist sie so nicht mehr zulässig/umsetzbar muss die Streichung weiter gehen und weitere Teile der Regelung umfassen. Im Extremfall fällt dann eine komplette Regelung weg.

Das Problem dabei ist natürlich, dass man damit dann ggf. das Kind mit dem Bade ausschüttet, weil auch die Seite, die sich auf das AGB-Verbot der konkret formulierten Regelung beruft, oft durchaus ein Interesse an einer vergleichbaren aber zulässigen Regelung haben kann, die das Gesetz aber eventuell gar nicht kennt. Daher ist das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion durchaus umstritten, und es gibt viele Rechtsordnungen, die dies auch nicht kennen, sondern dann eher nach der für beiden Seiten angemessenen Variante suchen, die dann die unzulässige Regelung ersetzt.

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