Lebensmittelrecht

Liebe/-r Experte/-in,
es geht um die Kennzeichnungsvorschriften selbst hergestellter Lebensmittel (Gelees, Fruchtaufstriche, Säfte etc. die in einem bäuerlichen Hofladen verkauft werden).
Hierzu meine konkrete Fragen:

  1. Wie ist ein „Gelee“ lebensmittelrechtlich definiert (wo nachzulesen)?

  2. Muss bei allen hausgemachten und im Hofladen verkauften Produkten (neben der korrekten Zutatenliste) eine Los-Nummer (Chargennummer) und ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben sein?

  3. Gibt es für hausgemachten Essig (aus Fruchtwein) spezielle Vorschriften?

Herzlichen Dank für alle Antworten.
Gruß
Josef Kopelent

Hallo Josef!

  1. Wie ist ein „Gelee“ lebensmittelrechtlich definiert (wo nachzulesen)?

In der Anlage 1 der Konfitüren-Verordnung:
http://www.gesetze-im-internet.de/konfv_2003/BJNR215…

  1. Muss bei allen hausgemachten und im Hofladen verkauften Produkten (neben der korrekten Zutatenliste) eine Los-Nummer (Chargennummer) und ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben sein?

Ja.
Rechtsgrundlage: Lebenmittelkennzeichnugsverordnung §3 (http://www.gesetze-im-internet.de/lmkv/index.html)
und Loskennzeichnungsverordnung (http://www.gesetze-im-internet.de/lkv/index.html)

Kleiner Trick: Wenn du eine Tagesproduktion als eine Charge definierts und das MHD mit Tag/Monat/Jahr angibst, dann brauchst du keine Losnummer, dann ist das MHD ja eine eindeutige Nummer. siehe LKV §2 Nr. 5

  1. Gibt es für hausgemachten Essig (aus Fruchtwein) spezielle Vorschriften?

Hey, wir leben hier in Deutschland - natürlich gibt es da Vorschriften

Verordnung über den Verkehr mit Essig und Essigessenz:
http://bundesrecht.juris.de/essigv/BJNR007320972.html

lg, mabuse

Hallo Josef,

  1. Wie ist ein „Gelee“ lebensmittelrechtlich definiert (wo
    nachzulesen)?

Also Gelee ist genau rechtlich definiert und zwar in der RL 2001/113 EG EU-Fruchtaufstrichrichtlinie.
Man unterscheidet zusätzlich noch zwischen „Gelee“ und „Gelee extra“!
Ausgangsprodukt bei Gelee: Zubereitung aus Zuckerarten und Saft oder wässrigen Auszügen von Früchten.
Zuckergehalt (refraktrometrisch bestimmt): 60% (Außer bei Diätprodukten, andere Verordnung!)
Konservierungsmittel: sind nicht zulässig
Der Fruchtgehalt muss gekennzeichnet sein mit: „hergestellt aus …g Früchten je 100g“ (mit genau diesem Wortlaut!)
Kennzeichnung Zuckergehalt: „Gesamtzuckergehalt …g je 100g“

  1. Muss bei allen hausgemachten und im Hofladen verkauften
    Produkten (neben der korrekten Zutatenliste) eine Los-Nummer
    (Chargennummer) und ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben
    sein?

Losnummer nein! Mindesthaltbarkeitsdatum JA! Und zwar ganz dringend notwendig! Losnummer ist für die Rückverfolgbarkeit wichtig und zwar dann, wenn das Produkt nicht nur für den Endverbraucher bestimmt ist, sondern auch an andere Handelskunden abgegeben wird, der diese Produkte wiederrum vertreibt. Dann muss ich wissen, was dieser Handelskunde erhalten hat, um im Notfall die Ware rückrufen zu können. Geht aber auch mit dem MHD, wenn dieses, natürlich nach Lagertest, einen bestimmten Zusammenhang mit dem Produktionsdatum hat. Aber nur ein Beispiel! Die Sache mit der Rückverfolgbarkeit ist ein Thema für sich, und würde wahrscheinlich die E-Mail sprengen:smile:

  1. Gibt es für hausgemachten Essig (aus Fruchtwein) spezielle
    Vorschriften?

Hierfür gibt es eine DIN Norm von der EU!

Definitionen
Für die Anwendung dieser Norm gelten die folgenden Definitionen:

Essig (Erzeugnis aus Flüssigkeiten landwirtschaftlicher Herkunft)

Erzeugnis, das ausschließlich durch den biologischen Vorgang der doppelten Gärung, nämlich der alkoholischen und der Essigsäuregärung, aus Flüssigkeiten oder anderen Erzeugnissen landwirtschaftlicher Herkunft hergestellt wird

1.2
Weinessig

Essig, der ausschließlich aus Wein durch den biologischen Vorgang der Essigsäuregärung gewonnen wird

1.3 Fruchtessig oder Fruchtweinessig, Beerenessig oder Beerenweinessig, Obstessig/Apfelessig
1.3.1 Fruchtessig, Beerenessig
Essige, die aus Früchten oder Beeren durch den biologischen Vorgang der alkoholischen und der Essigsäuregärung gewonnen werden

1.3.2 Fruchtweinessig, Beerenweinessig
Essige, die aus Fruchtwein oder Beerenwein durch den biologischen Vorgang der Essigsäuregärung gewonnen werden

1.3.3 Apfelessig
Essig, der aus Apfelwein durch den biologischen Vorgang der Essigsäuregärung gewonnen wird

1.4 Branntweinessig, Weingeistessig
Essig, der aus destilliertem Alkohol durch den biologischen Vorgang der Essigsäuregärung gewonnen wird

1.5 Getreideessig
Essig, der ohne Zwischendestillation nach dem in 2.1 beschriebenen Verfahren aus Getreidekörnern gewonnen wird, wobei die Verzuckerung der Stärke auf andere Weise als ausschließlich durch die Diastase von gemälzter Gerste erfolgt

1.6 Malzessig
Essig, der ohne Zwischendestillation aus gemälzter Gerste mit oder ohne Hinzufügung von Getreidekörnern gewonnen wird, wobei die Verzuckerung der Stärke ausschließlich durch die Diastase von gemälzter Gerste durch das in 2.1 beschriebene Verfahren erfolgt

1.7 destillierter Malzessig
Essig, der durch die Destillation von Malzessig unter reduziertem Druck nach dem in 2.6 beschriebenen Verfahren gewonnen wird. Er enthält nur die flüchtigen Bestandteile des Malzessigs, aus dem er hergestellt ist

1.8 Kräuteressig, aromatisierter Essig
Essige nach 2.2 bis 2.7, denen Kräuter, Aromen und andere Zutaten im Sinne von 3.2.2 zugesetzt sind

1.9 andere Essigsorten
z.B. Molkenessig, Bieressig, Honigessig

Alles andere steht in der DIN 13188! Also wie die Anforderungen dann an den Fruchtwein sind, welche Hilfsmittel man verwenden darf und wie die Kennzeichnung zu erfolgen hat.

Für die Kennzeichnung im allgmeinen gilt natürlich die LMKV, die Nährwertkennzeichnungsverordnung und die Fertigpackungsverordnung!

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Herzlichen Dank für alle Antworten.
Gruß
Josef Kopelent

Gruß Gaby

Hallo Josef,

zu Ihrer 1. Frage:
Sie finden die lebensmitterechtlichen Definitionen in der Konfitürenverordnung vom 23.11.2003 unter:

http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/konfv_…

Frage 2:
Nach meinem Kennnisstand haben Sie 2 Möglichkeiten:
Enweder Sie geben das MHD mit Tag, Monat und Jahr an, dann entfällt die Pflicht Los /Charge zu labeln oder Sie verwenden ein „ungenaueres“ MHD (z.B. Ende Oktober 2012), dann müssen Sie das Los kennezeichnen.

Vgl. Loskennzeichnungsverordnung §2:
http://www.gesetze-im-internet.de/lkv/BJNR102200993…

  1. Mit Essig kenne ich mich derzeit leider weniger aus, hier müsste ich mich erst ein bisschen einlesen. Sie könnten selbst in der Essigverordnung nachlesen:

http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/essigv…

Viele Grüße
Susanne

Herzlichen Dank für die kompetente Antwort!

Kleine Nachfrage: welche Verordnung ist für Fruchtsäfte zu beachten (konkret geht es um Mahoniensaft und Holunderblütensirup, beides als Zubereitung unter Gewürzzugabe)?

Besten Dank!
Josef Kopelent

Toll! Herzlichen Dank für diese mühevolle und so ausführliche Antwort.
Josef Kopelent

Hallo Josef!

Kleine Nachfrage: welche Verordnung ist für Fruchtsäfte zu beachten (konkret geht es um Mahoniensaft und Holunderblütensirup, beides als Zubereitung unter Gewürzzugabe)?

Na, das hättest du jetzt aber auch erraten können:
Natürlich die Fruchtsaft-Verordnung!

http://www.gesetze-im-internet.de/frsaftv_2004/index…

und zusätzlich noch die Leitsätze für Fruchtsäfte:
http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/379766/p…

ein schönes Wochenende wünsch ich dir!
mabuse

Besten Dank für die schnelle und sachkundige Antwort!
Josef Kopelent

Liebe/-r Experte/-in,
es geht um die Kennzeichnungsvorschriften selbst hergestellter
Lebensmittel (Gelees, Fruchtaufstriche, Säfte etc. die in
einem bäuerlichen Hofladen verkauft werden).
Hierzu meine konkrete Fragen:

  1. Wie ist ein „Gelee“ lebensmittelrechtlich definiert (wo
    nachzulesen)?

In den „Lebensmittelrechtlichen Leitlinien“ ( Behr´s Verlag Hamburg oder Internet)

  1. Muss bei allen hausgemachten und im Hofladen verkauften
    Produkten (neben der korrekten Zutatenliste) eine Los-Nummer
    (Chargennummer) und ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben
    sein?
    Ja, fragen Sie bitte die für Sie zuständigen Lebensmittelkontrolleuer/Regierungspräsidium
  2. Gibt es für hausgemachten Essig (aus Fruchtwein) spezielle
    Vorschriften?
    Ja, fragen Sie bitte die für Sie zuständigen Lebensmittelkontrolleuer/Regierungspräsidium
    Herzlichen Dank für alle Antworten.
    Gruß
    Josef Kopelent

Freundliche Grüße
Erik Pratsch

Toll! Herzlichen Dank für diese mühevolle und so ausführliche
Antwort.
Josef Kopelent

Danke. Ja gerne, ist ja absolut mein Fachgebiet:smile:
Gruß Gaby