Hallo Matthias!
Zuerst einmal denke ich, daß es heute nicht mehr angemessen ist, davon zu sprechen, daß „Materie den physikalischen Gesetzen gehorcht“. Zu definieren, was Materie ist, ist schwieriger als mancher sich vorstellt (man lese zur Einführung Schrödingers Artikel „Was ist Materie?“). Außerdem: Was ist damit gemeint, daß „Materie“ den „physikalischen Gesetzen gehorcht“? Es ist nicht so, daß da ein Gesetzgeber Gesetze erstellt und die „Materie“ bemüht sich, diese Gesetze einzuhalten, aber dennoch sprechen wir so, als ob die Naturgesetze von der gleichen „Natur“ wären wie die der Legislative.
Insofern haben wir es bei dem Satz „Materie gehorcht den physikalischen Gesetzen“ mit etwas zu tun, was wohl in unserem Alltagsverständnis Sinn macht, bei näherer Betrachtung aber ziemliche Probleme aufwirft. Deshalb habe ich auch versucht, diesen Satz in meinen Postings zu diesem Thema zu vermeiden.
Zum anderen frage ich mich, was Du unter den physikalischen Gesetzen verstehst. Meinst Du - im Kontext Deines Postings (bitte beachten!) - damit die physikalischen Zusammenhänge (1) oder die von Menschen formulierten Sätze (2), die diese Zusammenhänge beschreiben? Natürlich müßten wir uns erst einmal einigen, ob (1) existiert. Ich denke (1) annehmen zu können (erkenntnistheoretischer Realismus).
Geschrieben habe ich in den betreffenden Postings von (1), Du scheinst aber (2) zu meinen. (2) sind ohne Zweifel Produkte von Menschen und könnten damit als „geistige Produkte“ bezeichnet werden (für Popper dürften sie zu „Welt 3“ gehören). Diese „geistigen Produkte“ sind aber „materiell“ niedergelegt, z.B. in Form von Büchern. Diese Bücher als Elemente von „Welt 1“ sensu Popper interagieren zweifelsohne mit anderer „Materie“. Physikalische Gesetze im Sinne von (1) - also „real existierende Zusammenhänge zwischen physikalischen Objekten“ - interagieren IMHO nicht mit „Materie“, weil sie selbst keine physikalischen Elemente sind, sondern eben die Zusammenhänge, die zwischen diesen bestehen.
Verhält sich ein physikalisches Verhältnis zu den dieses Verhältnis definierenden Elementen? Und zwar realiter, nicht nur in einer Formel! Mir fällt hier Kierkegaard ein, der von einem „zu sich selbst verhaltenden Verhältnis“ gesprochen hat. Damit war - wenn ich mich richtig erinnere - das „Selbst“ gemeint. Das „Selbst“ ist aber - wenn wir Descartes folgen - kein Bestandteil der „res extensa“ und hat mit ihr nichts gemein. Deshalb mögen sich Verhältnisse der „res cogitans“ zu sich selbst und zu den sie konstituierenden Elementen verhalten, für die „res extensa“ halte ich dies für fraglich. Ich meine daher, daß es hier keine Lösung zu dem Problem zu finden gibt, wie „Geist“ und „Materie“ miteinander interagieren können, und daß ich somit auch nichts übersehen habe.
Am Rande sei noch gesagt, daß die Behauptung, daß (2)Beschreibungen von Zusammenhängen darstellen, richtig, weil tautologisch ist. Für mich ist diese Art von Beschreibung auch ausreichend. Ein darüber hinausgehendes „Was-ist“-Wissen wäre sicherlich schön, aber ist es durch Menschen erreichbar?
Freundliche Grüße,
Oliver Walter