Leib-Seele-Problem die Zweite

Hallo,

vielleicht erscheint den Wissenden meine Überlegung naiv, bin dann über jede Belehrung dankbar.

Also der Leib-Seele-Dualismus sei unsinnig, weil wir sonst nicht mit der Welt interagieren könnten? Verstehe ich nicht. Beides kann etwas Verschiedenes (so verstehe ich den Begriff Dualismus) sein und trotzdem aufeinander wirken.
Beispiel die Gravitation:
Materie wirkt auf andere Materie, dazwischen ist etwas Nichtmaterielles, eine Kraft.

(Die Physiker nennen das Gravitationsfeld, na gut, diese Bennenung allein genügt mir nicht, die Gravitationskraft als Materie anzuerkennen; oder wir nennen alles einfach Materie, was existiert, wodurch wir das Problem terminologisch lösen, denn dann ist eben auch das Geistige Materie)

Analog doch hier:
Materie (das Gehirn) wirkt auf andere Materie (den Körper). Dazwischen etwas Nichtmaterielles, das Bewusstsein, die Seele, das Ich, egal wie wir es nennen wollen.
Wo ist hier das Problem??? Es ist eben so und es ist möglich.

Steffen

Hallo Steffen!

Ich will mal versuchen, aus meiner Sicht darzustellen, wo Dein Denkproblem liegt.

Also der Leib-Seele-Dualismus sei unsinnig, weil wir sonst
nicht mit der Welt interagieren könnten?

Wir - also Menschen - können mit der Welt interagieren. Da ist kein Problem, weil sowohl der Körper als auch die Welt beide zur gleichen Menge von Objekten gehören. Du kannst diese Menge Materie nennen (was allerdings etwas zu kurz gegriffen wäre, aber die physikalischen „Feinheiten“ lassen wir mal weg) oder - wie Descartes es tat - „res extensa“.

Materie wirkt auf andere Materie, dazwischen ist etwas
Nichtmaterielles, eine Kraft.

Das ist etwas simpel ausgedrückt, aber es wird klar, was Du meinst. Du mußt nur bedenken, daß Körper und „Welt“ als zur „res extensa“ gehörend die gleichen grundlegenden Eigenschaften besitzen, oder: Sie gehorchen den physikalischen Gesetzen. Für den „Geist“ gilt dies in Anschluß an Descartes aber nicht. Der „Geist“ ist von Körper und Welt grundlegend verschieden und gehorcht insofern nicht den physikalischen Gesetzen, so daß das Problem auftaucht, wie etwas, das nicht den physikalischen Gesetzen gehorcht, mit etwas, das ihnen gehorcht, interagieren kann. Das Problem liegt also eben NICHT darin, wie etwas, das durch die Physik beschreibbar ist (z.B. der Planet Jupiter), mit etwas, das ebenfalls durch die Physik beschreibbar ist (z.B. der Jupitermond Io), interagieren kann.

Zum Abschluß möchte ich noch sagen, daß Du dem „Geist“ Unrecht tust, wenn Du ihn als eine Art Vermittler zwischen Gehirn und Körper bzw. Welt ansiehst. Der „Geist“ wird oft als der Verursacher von Handlungen angesehen (Stichwort: freier Wille): Weil „Ich“ ins Kino gehen will, gehe ich ins Kino. Insofern „erklärt“ „Geist“ (oder eine seiner vielen Komponenten) menschliches Verhalten. Persönlich stehe ich solchen „Erklärungen“ des menschlichen Verhaltens aber eher zweifelnd gegenüber.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Oliver,

du hast oben meiner Ansicht nach etwas übersehen. Ich stimme dir zu, dass die Materie den physikalischen Gesetzen gehorcht. Aber die Gesetze selbst sind nicht materiell - sie selbst sind nicht wahrnehmbar, nur ihre Wirkung! Und da zeigt sich, dass etwas Geistiges, nämlich die Naturgesetze durchaus mit etwas Materiellem in Zusammenhang stehen kann.

Es wird häufig übersehen, aber die Physik beschreibt z.B. NICHT was die Gravitation ist, sondern nur wie sie wirkt, wie sich die Wirkung z.B. mathematisch beschreiben lässt. Was sie ist, das würde Aufschluss darüber geben, WIE sie das tut. Da wird allerhöchstens spekuliert und reine Spekulation ist kaum wissenschaftlich zu nennen.

Viele Grüße, Michael

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Hallo Matthias!

Zuerst einmal denke ich, daß es heute nicht mehr angemessen ist, davon zu sprechen, daß „Materie den physikalischen Gesetzen gehorcht“. Zu definieren, was Materie ist, ist schwieriger als mancher sich vorstellt (man lese zur Einführung Schrödingers Artikel „Was ist Materie?“). Außerdem: Was ist damit gemeint, daß „Materie“ den „physikalischen Gesetzen gehorcht“? Es ist nicht so, daß da ein Gesetzgeber Gesetze erstellt und die „Materie“ bemüht sich, diese Gesetze einzuhalten, aber dennoch sprechen wir so, als ob die Naturgesetze von der gleichen „Natur“ wären wie die der Legislative.

Insofern haben wir es bei dem Satz „Materie gehorcht den physikalischen Gesetzen“ mit etwas zu tun, was wohl in unserem Alltagsverständnis Sinn macht, bei näherer Betrachtung aber ziemliche Probleme aufwirft. Deshalb habe ich auch versucht, diesen Satz in meinen Postings zu diesem Thema zu vermeiden.

Zum anderen frage ich mich, was Du unter den physikalischen Gesetzen verstehst. Meinst Du - im Kontext Deines Postings (bitte beachten!) - damit die physikalischen Zusammenhänge (1) oder die von Menschen formulierten Sätze (2), die diese Zusammenhänge beschreiben? Natürlich müßten wir uns erst einmal einigen, ob (1) existiert. Ich denke (1) annehmen zu können (erkenntnistheoretischer Realismus).

Geschrieben habe ich in den betreffenden Postings von (1), Du scheinst aber (2) zu meinen. (2) sind ohne Zweifel Produkte von Menschen und könnten damit als „geistige Produkte“ bezeichnet werden (für Popper dürften sie zu „Welt 3“ gehören). Diese „geistigen Produkte“ sind aber „materiell“ niedergelegt, z.B. in Form von Büchern. Diese Bücher als Elemente von „Welt 1“ sensu Popper interagieren zweifelsohne mit anderer „Materie“. Physikalische Gesetze im Sinne von (1) - also „real existierende Zusammenhänge zwischen physikalischen Objekten“ - interagieren IMHO nicht mit „Materie“, weil sie selbst keine physikalischen Elemente sind, sondern eben die Zusammenhänge, die zwischen diesen bestehen.

Verhält sich ein physikalisches Verhältnis zu den dieses Verhältnis definierenden Elementen? Und zwar realiter, nicht nur in einer Formel! Mir fällt hier Kierkegaard ein, der von einem „zu sich selbst verhaltenden Verhältnis“ gesprochen hat. Damit war - wenn ich mich richtig erinnere - das „Selbst“ gemeint. Das „Selbst“ ist aber - wenn wir Descartes folgen - kein Bestandteil der „res extensa“ und hat mit ihr nichts gemein. Deshalb mögen sich Verhältnisse der „res cogitans“ zu sich selbst und zu den sie konstituierenden Elementen verhalten, für die „res extensa“ halte ich dies für fraglich. Ich meine daher, daß es hier keine Lösung zu dem Problem zu finden gibt, wie „Geist“ und „Materie“ miteinander interagieren können, und daß ich somit auch nichts übersehen habe.

Am Rande sei noch gesagt, daß die Behauptung, daß (2)Beschreibungen von Zusammenhängen darstellen, richtig, weil tautologisch ist. Für mich ist diese Art von Beschreibung auch ausreichend. Ein darüber hinausgehendes „Was-ist“-Wissen wäre sicherlich schön, aber ist es durch Menschen erreichbar?

Freundliche Grüße,

Oliver Walter