Leichenfledderei früher und heute

Hallo Allerseits,

in der Antike und im Mittelalter war Plündern ein Grundrecht von Soldaten. Gefallene Gegner wurden durchsucht, eroberte Städte durften drei Tage lang geplündert werden.

Wie war das ab dem ersten Weltkrieg und später?
Das Plündern von Städten erfolgte wohl nicht mehr (in ungeordneter Form). Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass nützliche Dinge und Wertgegenstände mit den Leichen der Gegner begraben wurden.

Wie wurde und wird dies behandelt?

Gruß
Carlos

Hallo,

insgesamt wurden im 19. Jahrhundert diverse Versuche unternommen, „die Gebräuche des Krieges“ zu kanonisieren und verbindlich festzulegen. Dies fällt, insbesondere nach dem Eindruck des Krimkrieges, in den Versuch, den Krieg einzudämmen und zu humanisieren. Dazu zählen auch und insbesondere das Verbot von Plünderungen.

Rein rechtlich gesehen durften Soldaten eroberte Städte nicht plündern oder niederbrennen. Dass dies, insbesondere in den ersten Tagen des 1. Weltkrieges dennoch vorkam, sorfte für einen hellen Aufschrei unter den alliierten Parteien.

Auch die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete, insbesondere Belgiens und Frankreichs ab 1916/1917, kann man als großangelegte „strukturelle“ Plünderung sehen. Sie wurde allerdings zumindest teilweise dadurch gerechtfertigt, dass die alliierten ihrerseits mit der völkerrechtlich nicht ganz sauberen Seeblockade die Lebensgrundlage der deutschen Bevölkerung sehr stark limitierten (das D.R. war vom Nahrungsmittelimport abhängig).

Zur Leichenfledderei kann ich nicht viel sagen. Aus dem 1870er Krieg ist bekannt, dass nach Schlachten die umliegende Zivilbevölkerung die Toten und Verwundeten nach Wertgegenständen durchsuchten. Soldaten haben sich da sicherlich auch dran beteiligt.
Und ich denke mal, dass deine Annahme, dass es ja „schade“ um die Wertgegenstände sei, die man einem Toten mit ins Grab gibt, nicht ganz falsch ist. Man wird da wohl einen gewissen Pragmatismus an den Tag gelegt haben.

Rein rechtlich gesehen durften Soldaten eroberte Städte nicht
plündern oder niederbrennen. Dass dies, insbesondere in den
ersten Tagen des 1. Weltkrieges dennoch vorkam, sorfte für
einen hellen Aufschrei unter den alliierten Parteien.

Wie kommt man auf eine so kühne These?
Bei Belagerungen wurde eine Stadt aufgefordert, sich zu ergeben.
Tat sie das, durfte nicht geplündert werden, mußte allerdings Kriegskontribution zahlen.

Gab sie nicht auf und wurde sie erobert, durften die siegreichen Soldaten drei Tage lang plündern.

Hallo,
sicher?
Auch noch im ersten Weltkrieg?

Gruß
Werner

Wie kommt man auf eine so kühne These?
Bei Belagerungen wurde eine Stadt aufgefordert, sich zu ergeben.
Tat sie das, durfte nicht geplündert werden, mußte allerdings Kriegskontribution zahlen.

Gab sie nicht auf und wurde sie erobert, durften die siegreichen Soldaten drei Tage lang plündern.

Richtig. Aber diesen Brauch gab es in den napoleonischen Kriegen und davor… Artikel 28 der Haager Landkriegsordnung spricht davon dass Städte, selbst wenn sie im Sturm erobert worden sind, nicht geplündert werden dürfen. Artikel 47 spricht sogar davon das Plünderungen ausdrücklich untersagt sind.

Bzgl. der Ausgangsfrage könnte man hilfsweise Artikel 4 heranziehen. Demnach dürfen Kriegsgefangenen nur Waffen, Pferde und militärische Schriftstücke abegenommen werden, alles andere verbleibt ihr Eigentum. Dies müsste dann auch für die Besitztümer von Gefallenden gelten.

Im ersten Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer int… findet man unter Artikel 34 II c. einen passus wonach jedes Land indem sich die sterblichen Überreste befinden, sich darum kümmern müssen das diese oder das persönliche Habe von Gefallenden ins Heimatland überführt werden kann.

Aus dem vorgenannten kann man also ableiten, dass:

  • das ausplündern Gefallender verboten ist. Ausnahme: Gegenstände von militärischem Interesse (Waffen, Munition, Teile der Ausrüstung, militärische Unterlagen)

  • der Staat indem sich der Gefallende befindet, der erste Ansprechpartner in Fragen der Rückführung der Leiche oder des persönlichen Besitzes eines Gefallenden in sein Heimatland ist.
    Damit der Staat dies auch tun kann, muss er ja das Recht haben Gefallende zu untersuchen und deren persönlichen Besitz in Verwahrung zu nehmen. Auf verlangen des Heimatstaates oder der Angehörigen des Toten, muss der Besitz aber ausgehändigt werden.
    Sollte eine dritte Macht die Leiche oder dessen persönlichen Besitz sichern, müsste das Ganze entweder an den Heimatstaat oder den o.g. Staat ausgehändigt werden

Soweit die Theorie.

Hoffe das hilft Dir weiter.

Charlie80

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Haager Landkriegsordnung

Wie war das ab dem ersten Weltkrieg und später?

Es war und ist klar in der (bis heute gültigen) Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 geregelt (welche übrigens die Basis für das heutige Humanitäre Völkerrecht ist):

Artikel 28

„Es ist untersagt, Städte oder Ansiedelungen, selbst wenn sie im Sturme genommen sind, der Plünderung preiszugeben.“

Das Plündern von Städten erfolgte wohl nicht mehr (in
ungeordneter Form). Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass
nützliche Dinge und Wertgegenstände mit den Leichen der Gegner
begraben wurden.

Wie wurde und wird dies behandelt?

Artikel 23

"Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten, ist namentlich untersagt:

[…]

b) die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres,

c) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Feindes, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat,

[…]

g) die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums außer in den Fällen, wo diese Zerstörung oder Wegnahme durch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt wird,

h) die Aufhebung oder zeitweilige Außerkraftsetzung der Rechte und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei oder die Ausschließung ihrer Klagbarkeit."

Leichenfledderei war und ist darüber hinaus mindestens einmal Diebstahl.
Das gerade im Grabenkrieg des ersten Weltkrieges Toten natürlich auch Wertgegenstände gestohlen wurde ist nicht zu leugnen, aber es war nicht legal.

Gruß Andreas

Rein rechtlich gesehen durften Soldaten eroberte Städte nicht
plündern oder niederbrennen. Dass dies, insbesondere in den
ersten Tagen des 1. Weltkrieges dennoch vorkam, sorfte für
einen hellen Aufschrei unter den alliierten Parteien.

Wie kommt man auf eine so kühne These?
Bei Belagerungen wurde eine Stadt aufgefordert, sich zu
ergeben.
Tat sie das, durfte nicht geplündert werden, mußte allerdings
Kriegskontribution zahlen.

Gab sie nicht auf und wurde sie erobert, durften die
siegreichen Soldaten drei Tage lang plündern.

Äh, Gegenfrage: Wie kommt man auf so eine unsinnige und völlig falsche These?

Die Haager Landkriegsordnung, die im 1. Weltkrieg bereits galt verbietet Plünderungen als auch grundsätzlich Diebstahl explizit!

Gruß Andreas

Hallo

Rein rechtlich gesehen durften Soldaten eroberte Städte nicht
plündern oder niederbrennen. Dass dies, insbesondere in den
ersten Tagen des 1. Weltkrieges dennoch vorkam, sorfte für
einen hellen Aufschrei unter den alliierten Parteien.

Nicht nur bei denen. Auch in Deutschland schrie man laut auf, als alliierte Truppen ostpreußische Städte und Dörfer plünderten und niederbrannten und die Bevölkerung umbrachten, schändeten und verschleppten. 1914 wohlgemerkt, nicht 1944.

In Belgien wurde übrigens nicht geplündert, dafür waren die deutschen Soldaten sowohl zu gut situiert als auch zu diszipliniert. Und wenn niedergebrannt wurde oder Geiseln erschossen wurden, dann auf ausdrücklichen Befehl eines mit den Kriegsgesetzen vertrauten Offiziers.

Auch die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete,
insbesondere Belgiens und Frankreichs ab 1916/1917, kann man
als großangelegte „strukturelle“ Plünderung sehen. Sie wurde
allerdings zumindest teilweise dadurch gerechtfertigt,

Sie wurde dadurch gerechtfertigt, dass man diese Gebiete erbeutet hatte und sie selbstverständlich wie jede Partei jede Kriegsbeute zu jeder Zeit für eigene Zwecke nutzte, wie etwa Frankreich seinerseits die von ihm besetzten elsässischen Vogesendörfer oder alle Allierten die besetzten deutschen Kolonien.

dass
die alliierten ihrerseits mit der völkerrechtlich nicht ganz
sauberen Seeblockade
die Lebensgrundlage der deutschen
Bevölkerung sehr stark limitierten (das D.R. war vom
Nahrungsmittelimport abhängig).

Die Blockade war, da sie sich nicht ausschließlich auf kriegswichtige Güter beschränkte, schlichtweg Völkermord, nach dem Burenkrieg der zweite des 20. Jahrhunderts, der von England ausging, und der uneingeschränkte U-Boot-Krieg war die adäquate Antwort. Man machte nur den Fehler, nicht vom ersten Tag an ausnahmslos alle Schiffe in der Sperrzone ohne Warnung zu versenken.

Zur Leichenfledderei kann ich nicht viel sagen. Aus dem 1870er
Krieg ist bekannt, dass nach Schlachten die umliegende
Zivilbevölkerung die Toten und Verwundeten nach
Wertgegenständen durchsuchten. Soldaten haben sich da
sicherlich auch dran beteiligt.

Ich glaube kaum, dass die deutschen Soldaten 1870 (nach ihren stets gewonnenen Schlachten) die von ihren republikanischen Agitatoren zum „Volkskrieg“ verhetzte französische Zivilbevölkerung an die deutschen Verwundeten herangelassen haben. Du meinst wohl eher 1815 in Belle Alliance.

Aus 1870 ist hingegen bekannt, dass die Bayern zumeist mit Plündern beschäftigt waren. (Nicht dass es den Franzosen geschadet hat, das zur Abwechslung auch mal am eigenen Leib zu erleben.)

Gruß
smalbop

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Herzlichen Dank Allerseits,
ich bin davon ausgegangen, das meine Frage hier verwaist und freue mich über die späten, dafür aber aussagekräftigen Beiträgen

Gruß
Carlos