Leichenfund - was dann? (Buchrecherche)

Hallo liebe Wissenden,

ich schreibe seit einiger Zeit an einem Kriminalroman und hoffe, jemand von Euch kann mir bei einer ermittlungstechnischen Frage weiterhelfen.

Der Sachverhalt ist folgender: Der Geschaeftsfuehrer einer recht grossen Firma findet (zusammen mit seiner Frau) die zweite Geschaeftsfuehrerin tot in ihrem Arbeitszimmer auf. Beide haetten zwar Grund, die Geschaeftsfuehrerin umzubringen, waren es aber nicht. Sie rufen die Polizei.

Was passiert, wenn die Polizei eintrifft? Muessen die beiden (die die Tote gefunden haben) mit aufs Praesidium oder reicht eine Befragung an Ort und Stelle? Welche Daten werden aufgenommen? Muessen sie etwas unterschreiben? Wer trifft bei einem Leichenfund als erstes ein (Spurensicherung/Gerichtsmediziner/Mordkommission)? Wer stellt die Fragen? Wie lange dauert die erste Untersuchung des Tatortes? Koennen die beiden, die die Leiche gefunden haben, gleich nach der Befragung nach Hause gehen? Ist davon auszugehen, dass die Firma (zumindest die Etage) erstmal geschlossen wird?

Tut mir leid, dass es eine ganze Menge Fragen auf einmal sind, aber sie haben sich so angesammelt. Ich waere fuer fachmaennischen Rat sehr dankbar!

Gruss,
Kathrin.

Hallo liebe Wissenden,

ich schreibe seit einiger Zeit an einem Kriminalroman und
hoffe, jemand von Euch kann mir bei einer
ermittlungstechnischen Frage weiterhelfen.

Sagen wir es mal so: Du hast noch nicht mal ansatzweise versucht dich anderweitig schlau zu machen und hoffst darauf, dass dir hier jemand die Arbeit abnimmt :wink:

Aber sei es drum:

  1. Die Polizeiorganisation ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. D.h. es kann sein, dass sofort bei Mitteilung des Leichenfundes eine Kriminalstreife erscheint, es kann auch sein, dass erst einmal uniformierte Polizei kommt. Wenn nicht gleich mitgeteilt wird, dass der Tod sicher und die Tat offenbar schon eine Weile vorbei ist, wird bei so einem Anruf ohnehin alles in Bewegung gesetzt, was gerade greifbar und in der NÀhe ist. D.h. es ist dann vom Zufall abhÀngig wer zuerst kommt.

  2. Spurensicherung wird in einigen BundeslĂ€ndern bei Bagatellsachen sogar von der Schutzpolizei miterledigt, ansonsten erledigt die Kriminalstreife den Kleinkram. Bei Leichenfund werden aber auf jeden Fall Spezialisten hinzugezogen. Das macht die Kripo. Zudem wird ein Arzt benötigt um den Totenschein auszustellen. Das ist ĂŒblicherweise der ohnehin von der Leitstelle alarmierte Notarzt (könnte ja sein, dass das Opfer noch lebt, was Laien nicht unbedingt einschĂ€tzen können, wenn nicht gerade der Kopf daneben liegt). Ein echter Gerichtsmediziner am Tatort ist nicht unbedingt zu erwarten.

  3. Parallel zur Spurensicherung wird die Kripo die Zeugen vernehmen. D.h. man nimmt die persönlichen Daten auf und sie werden getrennt befragt, wann und unter welchen UmstĂ€nden sie das Oper zuletzt lebend gesehen haben und wann und unter welchen UmstĂ€nden sie das Opfer gefunden haben. Weiterhin ob sie in der Zwischenezeit auffĂ€llige Dinge beobachtet haben oder Angaben zu möglichen Motiven und potentiellen TĂ€tern machen können. Bei WidersprĂŒchen, die eine eigene Tatbeteiligung vermuten lassen wird natĂŒrlich nachgehakt. Sollte sich ein Tatverdacht ergeben muss der VerdĂ€chtige darauf hingewiesen werden, dass er jetzt nicht mehr als Zeuge, sondern als VerdĂ€chtiger vernommen wird, was ein Aussageverweigerungsrecht und das Recht bedeutet, sich einen Anwalt zu nehmen. Die Aussage muss in beiden FĂ€llen protokolliert und dann unterschrieben werden, wobei oft ein Tonbandprotokoll gemacht wird, das dann erst noch abgetippt und dann ggf. einige Tage spĂ€ter unterschrieben wird.

  4. Bei Tatverdacht wird man eine vorlĂ€ufige Festnahme aussprechen und den Kandidaten entsprechend unterbringen. Es muss dann bis zum Ablauf des folgenden Tages Haftbefehl beim zustĂ€ndigen Amtsgericht beantragt und von dort erlassen werden, um aus der vorlĂ€ufigen Festnahme dann eine Untersuchungshaft zu machen. HierfĂŒr mĂŒssen allerdings die in der StPO zu findenden HaftgrĂŒnde vorliegen.

  5. Bei allen Dingen die nicht gerade Kleinigkeiten sind, wird man von Seiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft auch mit interessanten Zeugen sicherlich mehrfach sprechen und dies kann dann auf der Dienststelle, oder beim Zeugen in der Wohnung oder auf der Arbeitsstelle sein.

  6. Wielange die Untersuchung des Tatortes dauert und ob dieser ggf. versiegelt wird um weitere Untersuchungen zu einem spÀteren Zeitpunkt zu ermöglichen hÀngt ganz vom Einzelfall ab. Ist die Sache recht schnell klar und ist nicht mit weiteren Spuren zu rechnen, wird man den Tatort recht schnell wieder freigeben. Ist die Sache undurchsichtig und kann man davon ausgehen weitere Beweise nach intensiverer Untersuchung des Tatortes finden zu können, dann wird man den Tatort ggf. lÀngerfristig beschlagnahmen.

Gruß vom Wiz

Der Sachverhalt ist folgender: Der Geschaeftsfuehrer einer
recht grossen Firma findet (zusammen mit seiner Frau) die
zweite Geschaeftsfuehrerin tot in ihrem Arbeitszimmer auf.
Beide haetten zwar Grund, die Geschaeftsfuehrerin umzubringen,
waren es aber nicht. Sie rufen die Polizei.

Was passiert, wenn die Polizei eintrifft? Muessen die beiden
(die die Tote gefunden haben) mit aufs Praesidium oder reicht
eine Befragung an Ort und Stelle? Welche Daten werden
aufgenommen? Muessen sie etwas unterschreiben? Wer trifft bei
einem Leichenfund als erstes ein
(Spurensicherung/Gerichtsmediziner/Mordkommission)? Wer stellt
die Fragen? Wie lange dauert die erste Untersuchung des
Tatortes? Koennen die beiden, die die Leiche gefunden haben,
gleich nach der Befragung nach Hause gehen? Ist davon
auszugehen, dass die Firma (zumindest die Etage) erstmal
geschlossen wird?

Tut mir leid, dass es eine ganze Menge Fragen auf einmal sind,
aber sie haben sich so angesammelt. Ich waere fuer
fachmaennischen Rat sehr dankbar!

Gruss,
Kathrin.

Hallo,

normalerweise wird zuerst ein/mehrere Streifenwagen zum Tatort kommen, aber schlichtweg deswegen weil diese gewöhnlich sowieso im Revier unterwegs sind und irgendwer immer relativ nahe bei ist.
Der Tatort wird beschlagnahmt und abgesperrt damit keine Spuren verwischt werden, sei es absichtlich oder durch Tölpel, die sich ungeschickt bewegen.

Mitarbeiter der KTU (Kriminaltechnische Untersuchung) treffen ein und beginnen mit der Spurensicherung. Die Leute tragen Schutzkleidung um die Spuren nicht unbeabsichtigt zu beeinflussen, zum Beispiel durch eigene FingerabdrĂŒcke, Haare etc.

Es werden dann Bilder aus diversen Sichtpositionen gemacht, AuffĂ€lligkeiten, BeweisstĂŒcke und Spuren mit den aus Krimis bekannten Nummern bezeichnet; anhand dieser Kennzeichnungen werden die Spuren auch aufgenommen und protokolliert.

Die Spurensicherung umfaßt diverse Untersuchungen: FingerabdrĂŒcke, Blutspritzer, BeweisstĂŒcke, mit Tesastreifen werden Faserspuren abgenommen, Mikrospuren gesichert, Abstriche gemacht, Temperaturen gemessen (Außentemperatur, Körperkerntemperatur des Opfers, 
) usw.
BeweisstĂŒcke werden schließlich zur Untersuchung mit ins Labor genommen. Die Leiche wird vor Ort in Augenschein genommen und die Auffindesituation genau protokolliert, um sie dann zur Obduktion in die Gerichtsmedizin zu bringen. Ggf. werden die HĂ€nde in Plastikbeuteln gelagert um Spuren an den HĂ€nden/unter den FingernĂ€geln zu sichern.

Die Leitung aller Aktionen vor Ort hat ĂŒblicherweise die Staatsanwaltschaft, deren Vertreter vor Ort ist.

Die Ermittlungen werden dann in der Regel von einer Mordkommission ĂŒbernommen, in der verschiedene Ermittlerteams tĂ€tig sind. Sollte nicht klar sein wer die/der Tote ist beginnt man Ermittlungen zur IdentitĂ€t der/des Toten, da das ĂŒberhaupt erst einen Ansatzpunkt fĂŒr weitere Ermittlungen gibt.
Ist die IdentitĂ€t klar wird das soziale Umfeld des Opfers untersucht. Wer hat es zuletzt gesehen, wer hĂ€tte ein Motiv fĂŒr ein Verbrechen, wer hĂ€tte die Möglichkeit, wer ist aus irgendwelchen GrĂŒnden verdĂ€chtig?

Ein anderes Team beginnt mit Befragungen und Untersuchungen im Umfeld des Tatorts, befragt z. B. Zeugen oder Leute, die in irgendeiner rÀumlichen oder zeitlichen NÀhe zum Tatort waren und womöglich irgendwelche Beobachtungen gemacht haben könnten.

Direkte Zeugen werden ebenso vernommen, die Aussagen - insbesondere in dieser Anfangsphase - sehr genau aufgenommen weil da oft unter dem Eindruck des Ereignisses und wegen der frischen Erinnerung Dinge gesagt werden, die spĂ€ter so nicht mehr geĂ€ußert wĂŒrden.
Leute denken nach und reimen sich ErklĂ€rungen fĂŒr ErinnerungslĂŒcken zusammen, oder sie interpretieren Dinge, obwohl man nur Sachaussagen, aber keine „Meinungen“ hören möchte, oder sie umschiffen Dinge, die fĂŒr sie selber ungĂŒnstig sein könnten.

Gruß,

MecFleih

Die Beschreibungen sind sicher der „Soll“-Fall. Ich war vor ein paar Tagen bei einem tatsaechlichen Fall anwesend und will kurz beschreiben, wie es ablief:

  1. Leiche wurde gefunden und die Polizei per 110 informiert.

  2. Innerhalb von wenigen Minuten(!) waren zwei uniformierte Streifenpolizisten und ein Notarztteam vor Ort. Das Notarztteam (ein Arzt, ein Mann von der Feuerwehr, zwei Auszubildende) und einer der Polizisten stuermten gemeinsam in die Wohnung um festzustellen, ob der Tote noch lebt. Auf Spuren etc. wurde nicht geachtet.

  3. Der zweite Polizist nahm derweil von Finder der Leiche die Personalien auf und befragte ihn nach den Personalien der Leiche.

  4. Nachdem der Tod festgestellt war, stuermten alle wieder aus der Wohnung, die Auszubildenden tauschten eine selbstgebrannte Musik-CD aus(!), und alle bis auf den Mann von der Feuerwehr verliessen den Tatort. Der Mann von der Feuerwehr nahm dann noch die vom Finder der Leiche angegebenen Personalien auf und verschwand ebenfalls.

  5. Einer der Polizisten rief nun das Landeskriminalamt und fragte, ob jemand herauskommen will. Das LKA bejahte und 15min spaeter traf der Mann vom LKA ein, kleidete sich in einen Spezialanzug, Spezialschuhe, Mundschutz, usw. um noch vorhandene Spuren ggf. aufzunehmen, Fotos zu machen usw.

  6. Die Streifenpolizisten beschlagnahmten trotz Widerspruch der Angehoerigen des Toten die Wohnungsschluessel. (Was ist mir Art. 13 GG? Muss nicht ein Gericht den Zugang zu der Wohnung regeln? Duerfen die Angehoerigen nicht darauf bestehen, bei Betreten der Wohnung dabei zu sein?)

  7. Ein zufaellig die Nachbarwohnung verlassender Mensch wurde vom LKA Mann befragt.

  8. Polizei und LKA verliessen den Tatort, der Tote blieb unveraendert in der Wohnung. Die Wohnungstuer wurde versiegelt.

  9. Der Tote wird von einem Bestattungsunternehmer in Anwesenheit der Polizei in die Rechtsmedizin gebracht und die Tuer wieder versiegelt.