Leipogramm ohne e

Hallo,

in dem Wikipedia-Artikel

http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Voyls_Fortgang

heißt es u. a.:

„Anton Voyls Fortgang ist der Titel der deutschen Übersetzung von Georges Perecs Roman La Disparition, das 1969 zum ersten Mal erschien. Genau wie im Original verzichtet der Übersetzer Eugen Helmlé auf die Verwendung des Vokals e, schafft somit also ein Leipogramm.“

Ich stieß zufällig darauf, will mir das Buch nicht kaufen und weiß auch nicht, wie ich mir einen Textausschnitt ergooglen könnte. Mich interessiert aber:

Wie macht der Autor bzw. Übersetzer das? Fehlt das e einfach, und man muss das jeweilige Wort erraten? Oder ist das ganze Buch so geschrieben, dann kein Wort vorkommt, das ein e erfordert? Das wäre wohl schwer, denn immerhin ist das e im Deutschen der am häufigsten vorkommende Buchstabe.

Kann jemand einen Textauschnitt wiedergeben oder gibt es einen Link dazu?

Grüße
Carsten

Hallo,

das Buch ist „normal“ geschrieben, also ohne Wörter wie „lib, ghn, sagn, Trompt blasn“. Der Autor erzählt die Geschichte eben nur, indem er kein einziges Wort benutzt, in dem ein E vorkommt.

Der Übersetzer mußte das im Deutschen nachbilden. Auch in der Übersetzung mußte die ganze Geschichte ausschließlich mit Wörtern erzählt werden, die kein E enthalten. (Deshalb heißt die Übersetzung auch nicht „Das Verschwinden“).

Das IST schwer, aber genau diese Schwierigkeit war für Perec eben die kreative Hürde. (Es gibt dazu einige literaturwissenschaftliche Untersuchuungen, was so eine Methodik psychoanalytisch z.B. mit dem Trauma des spurlosen Verschwindens von Perecs Eltern in Auschwitz zu tun haben könnte etc.)

Die Autorengruppe „Oulipo“, der Perec (und z.B. Queneau) angehörte, stellte sich systematisch solche „sinnlosen äußerlichen“ Aufgaben als „Kreativitätstrigger“.

Es gibt dazu auch ein - vergriffenes - Buch, in der die Oulipo-Methoden beschrieben werden:

http://www.amazon.de/Anstiftung-zur-Poesie-Oulipo-po…

Gruß
p.

Hallo Carsten,

im Netz finde ich auf die Schnelle keine Zitate.

Das Buch bzw. seine deutsche Übersetzung von Eugen Helmlé liest sich anfangs recht eigentümlich, später aber legt sich das.
Der Stil ist, sagen wir mal, eigentümlich und unnatürlich, aber durchaus interessant.
Es werden in beiden Sprachen nur Worte verwendet, die kein ‚e‘ enthalten.
Wobei die Übersetzung ins Deutsche noch problematischer war als das Original, weil das ‚e‘ im Deutschen eine größere Bedeutung hat als im Französischen.
Perec hat einige solcher Kunststücke abgeliefert.

In jeder halbwegs gut bestückten Stadtbücherei sollte das Buch ausleihbar sein.

Gandalf

Der Sinn von Leipogrammen
Hallo,

herzlichen Dank an beide Poster, die bisher auf meine Frage geantwortet haben.

Dass es schwierig ist, einen Text zu schreiben, in dem man permanent auf einen Buchstaben verzichtet, ist klar. Dass es bei einer Übersetzung, in der man möglichst textnah bleiben möchte, noch schwieriger ist, ist auch klar.

Warum macht man das? Wenn ein Autor seine Ideen, sagen wir mal in Reimen, unterbringen will, ist verständlich, dass er hier und da auf Details verzichten oder sich anpassen muss. Aber Reime, Gedichte, haben einen Sinn, sie klingen gut und lassen sich, wenn man will, gut einprägen.

Warum aber erstellt man ein Leipogramm? Wenn ich zufällig an einen Text geraten würde, der unter diesem Gesichtspunkt erstellt worden ist, das aber nicht wüsste, würde ich es doch nicht einmal bemerken.

Grüße
Carsten

Hallo!

Es kann auch Vergesslichkeit sein, dass man was wegläßt.

Grüße

Andreas

Hi,

pettibon1 hat Dir deine Frage bereits beantwortet, sogar mit weiterführendem Link. Es handelt sich um ein Stilmittel, einen Ausdruck von Kreativität. Kreativität muss nciht unbedingt einen kommunikativen Zweck haben, kreativ kann auch bedeuten, etwas zu tun, nur weil man es kann, weil es geht, weil es einem eingefallen ist. und ,schön’ ist ja sowieso relativ und schwer zu definieren :smile:

Die Franzi