Mahlzeit,
ich empfinde schon, dass Europa und Deutschland an mancher
Ecke im speziellen, eine bestimmte Kulturauffassung hat, die
nicht diskutabel sein darf.
Unten wurde schon gesagt, daß deine Beispiele mehr für eine Anerkennung der Rechtsnormen als für eine Annahme einer wie auch immer gearteten Leitkultur sprechen.
Aber ich möchte noch ein bißche weitergehen: ich behaupte, noch nicht mal diese Werte werden von allen Deutschen bedingungslos anerkannt.
Die Achtung der Würde aller Menschen
Hatten wir nicht vor kurzem die Diskussion im Polizeibrett? Da ging es darum, daß Folter in ganz speziellen Fällen erlaubt sein soll. Ich hatte nicht den Eindruck, daß die Mehrheit der Deutschen dieses höchste Gut als selbstverständlich ansehen.
Das staatliche Gewaltmonopol
Ebenfalls - da wurde sogar von fachkundigen Juristen überlegt, ob der Staat nich ein bißchen zurücktreten sollte, um seine Beamten das zu erlauben, was sie sonst nicht dürften.
Die Ablehnung von Aggression als Mittel der Politik
Richtig. Die Bundeswehr ist momentan wo stationiert?
Die Toleranz gegenüber Andersgläubigen, aber die Nichtduldung
von Intoleranz Andersgläubiger.
DAS ist mir bisher nur in der aktuellen Diskussion untergekommen, ist also mitnichten eine selbstverständliche kulturelle Eigenart.
Und einige dieser Grunddinge, die uns so selbstverständlich
vorkommen, sind für viele Menschen dieser Erde eben nicht
selbstverständlich. Ich behaupte aber, dass wir von unseren
Gästen diese Dinge verlangen dürfen, ohne als intolerant oder
rechtslastig geoutet zu werden.
Wir sollten das dann aber auch von den Einheimischen verlangen. Warum kein Eid auf die Verfassung für alle Bürger?
Abgesehen davon - überleg doch mal, was damit bewirkt werden würde. Ich behaupte: gar nichts. Diejenigen Einwanderer, die sowieso diese Dinge achten, hätten damit keine Probleme. Die anderen, z.b. islamistische Terroristen, die sich als Tarnung einbürgern lassen wollten, hätten sicherlich kein Problem damit, zusätzlich zum geplanten mehrfachen Mord eine Bagatelle wie einen Meineid zu begehen.
Was die Leitkultur angeht: ich hab mich mal mit einem jungen Abiturienten unterhalten, der ausländerfeindliche Parolen verbreitete mit der Begründung, er wollte die deutsche Kultur gegen Überfremdung schützen. Ich fragte ihn, was er darunter verstand. Ich fragte ihn nach Goethe, Heine, Ringelnatz, Mann, Walser, ich fragte ihn nach Schopenhauer, Kant, Mozart, Schubert, Stockhausen, Daimler, Robert Koch - er kannte kaum einen davon. (Ich wußte, daß ich einige Österreicher mit einbezogen hatte und warum ich das tat). Er konnte mir auch keine Werte nennen, die er für besoners deutsch, besonders schützwürdig und besonders bedroht ansah.
Die Debatte um die Leitkultur ist für mich nur ein Versuch, diffuse Ängste und Ressentiments zu kanalisieren und politisch auszuschlachten. Mehr nicht. Integration sieht für mich anders aus.
Gruß
Sancho
seit 21 Jahren hier lebender Ausländer ohne Eid auf irgendwas