Leitungsrecht?!

Problem:
An einem privaten Weg (gebaut 1930) liegen der Reihe nach die Häuser 1, 2, 3 und 4. Die Häuser werden nur über diesen Weg mit der öff. Straße verbunden.
Der private Weg gehört den Eigentümern aus 1 und 2. Nunmehr soll in der öffentlichen Straße erstmals ein Abwasserrohr verlegt werden. Die Häuser 3 und 4 sollen hieran erstmals angeschlossen werden. Der Eigentümer 2 will verhindern, daß die Häuser 3 und 4 über seinen Weg mit dem Rohr verbunden werden. Andere Wege o.ä. zur Erschließung gibt es nicht.
Wo wird geregelt, daß in diesem Fall ein Notleitungsrecht besteht und der Eigentümer 2 die Dienstbarkeit zu dulden hat?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank.

Grüße

Ralf W.

Grunddienstbarkeit, Baulast
Eingentlich müsste eine Baulast auf das Grundstück der „VORlieger“ eingetragen sein… ansonsten kann es kein Prob darstellen, die HINTERlieger über die allgemein geduldete Zufahrt anzuschliessen… es ist doch auch der Weg, den die Feuerwehr und der Müllwagen nehmen??

erkundige Dich einfach beim Bauordnungsamt der Gemeinde! Einige haben inzwischen sorgar Bürgerinnensprechstunden!
Viel Erfolg!
Gruß Ayla

Liebe Ayla,

vielleicht ist es ja der Sachbearbeiter beim Bauordnungsamt *hihi*

Lieber Ralf,

neenee, wenn wir Dir schon bei der Lösung Deiner Hausarbeit helfen sollen, dann brauchen wir noch:

  1. das Bundesland, in dem das alles spielt;

  2. eine Angabe, wer hier eigentlich die Erschließung durchführen will (Gemeinde, ein Eigentümer, drei Eigentümer);

  3. eine Angabe, ob es sich um öffentliches Recht oder Zivilrecht handeln soll.

  4. die Gründe, wie Eigentümer 2) die Erschließung eigentlich verhindern will und ob und wie er selbst erschlossen ist.

  5. die Gründe, warum Eigentümer 3) und 4) plötzlich nach 69 Jahren ein Abwasserrohr haben wollen und

  6. die Herkunft des Wortes „Notleitungsrecht“.

Kleiner Tip: Drittschützende Wirkung des Wasserhaushaltsgesetzes in Verbindung mit landesrechtlichen Vorschriften. Im öffentlichen Recht mit Verpflichtungsklage, im Zivilrecht mit Duldungsklage durchzusetzen.

Und wenn meine bösartige Unterstellung nicht zutrifft, braucht man auch die obigen Angaben und die Angabe, was eigentlich im Baulastenverzeichnis und im Grundbuch eingetragen ist.

mfg
ralph

Der Fall ereignet sich z.Zt. in NRW, in Dortmund.

Die Gemeinde führt die Erschließungsmaßnahmen durch - bis zum privaten Weg. Der Rest ist (?) Sache der Hauseigentümer.

Die Verhinderung durch 2 geschieht dadurch, daß er seine Zustimmung verweigern will, daß über den restlichen Weg zu 3 und 4 ein Rohr verlegt wird.

Die gesamte Maßnahmen geschieht, um eine zeitgemäße Entsorgung zu herzustellen. Bisher wurde über Gruben entsorgt.

Notleitungsrecht: ergibt sich aus § 917 BGB und wird auch bei den Gerichten verwendet, somit in der Rechtssprechung.

Duldungsklage: dauert zu lange.

Im Baulastenverzeichnis der Stadt ist keine verzeichnet, wurde 1930 vergessen.

Hallo Ralf,

mal sehen, ob ich weiterhelfen kann, wenngleich es gleich sehr weitschweifig – weil grundsätzlich – werden wird.

Das Wort „Notleitungsrecht“ habe ich tatsächlich gefunden. Es wird aber in der Fachliteratur sehr verschämt gebraucht. Es scheint wohl zuerst vom BGH im Jahre 1981 geprägt worden zu sein (BGH NJW 1981, 1036). Aber zuerst einmal der Wortlaut des § 917 Abs. 1 BGB, damit die anderen auch was davon haben:

„Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von dem Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichen Falles durch Urteil bestimmt.“

Nun hat der Gesetzgeber im Jahre 1900 dabei sicherlich nur an einen Weg – also eine oberirdische Anlage zur gelegentlichen Benutzung – und nicht an unterirdische Kanäle gedacht. Es gibt im Zivilrecht die Möglichkeit, Gesetze zu dynamisieren, indem man sie „analog“ auf andere Sachverhalte anwendet. Bei einer sauberen analogen Anwendung käme folgender Satz heraus: "Fehlt dem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Beseitigung von Abwasser nötige Verbindung zu einem öffentlichen Abwasserkanal, so kann der Eigentümer von Nachbarn verlangen … ". Soweit ich sehe, ist der BGH nicht den Weg der Analogie gegangen, sondern hat den Abwasserkanal direkt als Notweg angesehen:

„Ein Notwegrecht kann zum Inhalt haben, daß der Nachbar die Verlegung eines unterirdischen Abwasserkanals durch sein Grundstück dulden muß“ (BGH NJW 1960, 93 = LM § 917 Nr. 3)

Und damit sind wir beim Knackpunkt der Sache: Solange die Abwasserbeseitung über das Nachbargrundstück gewährleistet ist, solange braucht der Nachbar keine weiteren Maßnahmen zu dulden. Die bisherigen Gruben können abgepumpt und mittels LKW über das Nachbargrundstück entsorgt werden. Oder mit dem BGH gesprochen:

„Der Notweganspruch setzt also eine durch das Fehlen einer Verbindung nach außen hervorgerufene Notlage des Grundstücks voraus. Hinsichtlich dieser Notlage sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie besteht nicht, wenn eine andere Verbindungsmöglichkeit vorhanden ist, die ebenfalls ordnungsgemäße Grundstücksbenutzung gewährleistet.“ (BGH NJW 1964, 1322)

Würde man die Gemeinde oder eine Wasserbehörde dazu bringen, die Gruben zu verbieten, so hätten wir eine solche Notlage. Könnte man beweisen, daß die Gruben eine gesetzwidrige Grundwasserbeeinträchtigung darstellen, hätte man auch eine solche Notlage. Dazu müßte man sich das Wassergesetz NW genau anschauen, das ich allerdings nicht habe (hat vielleicht jemand einen Link?). Denkbar wäre auch, daß die Gemeinde einen Anschluß- und Benutzungszwang durchsetzt. Dazu brauchst aber jemanden, der sich intim mit dem Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen auskennt und das bin ich leider nicht.

Eventuell kann man die Gemeinde dazu bringen, auch die hinteren Häuser zu erschließen. Ob es sich bei dem Privatweg um eine öffentliche Straße handelt, hängt von dessen Erscheinungsbild ab. Allerdings hat man keinen Rechtsanspruch gegen die Gemeinde auf Erschließung (§ 123 Abs. 3 BauGB).

Wenn Dir die Duldungsklage gegen den Nachbarn zu lang dauert, brauchst Du für eine einstweilige Verfügung (eV) verdammt gute Gründe. Es würde sich hierbei nämlich nicht mehr um eine einstweilige Regelung handeln, sondern um eine „Vorwegnahme der Hauptsache“. Dazu muß Dir die Sch… im wörtlichsten Sinne bis zum Hals stehen. Mein Gefühl sagt mir, daß Du mit einer eV niemals durchkommst. Selbst wenn die Gruben undicht sind, kannst Du sie noch reparieren lassen und das Hauptverfahren durchziehen (sagt der Richter).

Mir fällt da noch eine besonders gemeine Lösung ein, die hier auch nur zum Besten gebe, weil es sich hier ja wohl um einen Nachbarstreit handelt, der von Generation zu Generation vererbt wird und ich nicht verstehe, was Nachbar 2) eigentlich gegen einen Abwasserkanal hat. Dazu muß man sich allerdings mit der Gemeinde gutstellen und den Eigentümer 1) irgendwie auf seine Seite ziehen. Wenn das Eigentum an dem Privatweg gemeinschaftlich ist und es keine Sondervereinbarungen zwischen den Eigentümern gibt, so hat Eigentümer 1) jederzeit das Recht, die Auflösung der Gemeinschaft zu verlangen. Das Grundstück wird in diesem Fall zwangsversteigert und der Erlös geteilt. Ersteigert wird das Grundstück von der Gemeinde, die dort einen öffentlichen Weg einrichtet, alle 4 Grundstücke erschließt und die Erschließungskosten auf die 4 Eigentümer verteilt. Allerdings könnte die Gemeinde auch auf die Idee kommen, gleich eine ganze Wohnstraße zu bauen, und damit wäre Schluß mit der ländlichen Idylle.

mfg
ralph

Guten Tag,
schönen Dank, daß Du Dich mit der Materie so ausführlich befaßt hast, lieber Ralph.

Ich denke in der vorliegenden Angelegenheit spielt das sog. öff. Interesse eine bedeutende Rolle. Ein Anschluß- und Benutzungszwang an öffentliche Erschließungsanlagen besteht in der BRD ohnhin. Dieses kann u.U. per Ortsrecht (Bebauungsplan = Satzung) aufgehoben werden, z.B. bei Regenwasserversickerung. Im vorliegenden Fall ist es ebenfalls von Bedeutung, daß innerhalb von 30 Jahren nicht gegen den heutigen Zustand (Wegerecht) geklagt wurde.

Aber es gibt wohl kaum eine bestehende gesetzliche Regelung, die eine einfache Lösung beinhaltet.

Viele Grüße

Ralf W.