Lektüre über die RAF Politik

Hallo Community,

für meine Seminararbeit waehlte ich das Thema: Helmut Schmidt - Die bewaeltigung der RAF-Krise.

Dabei entschloss ich mich, folgende 2 Fragen versuchen zu bearbeiten:

  • Wirkte seine Politik eskalierend?
  • Inwieweit kam die Demokratie in Gefahr

Meine 2 Fragen dazu sind:

Findet Ihr, dass dies gut ist für eine Seminararbeit über 15 Seiten und vorallem, kennt ihr Lektüre, die sich wirklich mit diesen Themenstellungen beschaeftigt.

Grüße
Sebastian

Hi,

für meine Seminararbeit waehlte ich das Thema: Helmut Schmidt

  • Die bewaeltigung der RAF-Krise.

Naja…Schmidt hat die RAF nicht bewältigt, er hat sie miterlebt. Immerhin geht die 3. Generation der RAF bis 1998 (?).

  • Wirkte seine Politik eskalierend?
  • Inwieweit kam die Demokratie in Gefahr

Meine 2 Fragen dazu sind:

Findet Ihr, dass dies gut ist für eine Seminararbeit über 15
Seiten und vorallem, kennt ihr Lektüre, die sich wirklich mit
diesen Themenstellungen beschaeftigt.

Willst du nur Infos über die Ära Schmidt oder alg. RAF oder eine spezielle Generation darüber (gab ja 3 „Generationen“)?
Ich kann dir u.a. (https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3980372901/ballermannsyndic]eine) kurze Zusammenfassung der taz ans Herz legen, die auch weitere Literaturhinweise geben. Mit 5€ macht man da nigs verkehrt.

Bekommst du die 15 Seiten voll…hmm…kleine Einführung in die RAF, Deutscher Herbst angeschnitten(also andere Attentate außerhalb v. Schmidts Periode), Politik der Zeit, und Situation Deutschlands und dann Politik von Schmidt. Also 15 Seiten würdest du voll kriegen.

Deine Frage mit der Gefahr der Demokratie, wie meinst du das? Durch das „Erpressen“ von Terroristen? Oder das der ganze Staat gestürzt wird?

mfg,

Hanzo

Hallo Sebastian,

für meine Seminararbeit waehlte ich das Thema: Helmut Schmidt - Die bewaeltigung der RAF-Krise

wie schon angemerkt wurde, ist der Titel missverständlich. Ich vermute, mit „RAF-Krise“ meinst Du die Ereignisse im September und Oktober 1977. Da wäre als Titel vielleicht ‚Helmut Schmidt und der Deutsche Herbst‘ eindeutiger. Vom Umfang her ist das Thema für eine 15-seitige Arbeit mE angemessen - für eine Gesamtdarstellung der RAF oder auch nur der ersten Generation wäre der Rahmen deutlich zu eng.

Dabei entschloss ich mich, folgende 2 Fragen versuchen zu bearbeiten:

  • Wirkte seine Politik eskalierend?
  • Inwieweit kam die Demokratie in Gefahr

Eigentlich sind beide Fragen nicht offen. Ja, natürlich war Schmidts Politik eskalierend; seine Entscheidung, auf keinen Fall auszutauschen sondern „mit aller notwendigen Härte zu antworten“. Er hat für diese kompromisslose Haltung viel Lob geerntet - ob das auch so gewesen wäre, wenn die Geiselbefreiung in Mogadischu nicht so glücklich verlaufen wäre, ist eher fraglich. Politisch hatte er allerdings mE ohnehin gar keine anderen Optionen.

„Die Demokratie“ - wenn Du darunter den bundesrepublikanischen Staat verstehst - kam nicht durch den Deutschen Herbst in Gefahr. Sie kam unter anderem durch die Notstandsgesetze (einen der Hauptauslöser der Unruhen 1968) in Gefahr und durch die allgemeine Gesinnungsschnüffelei (1,4 Millionen deutsche Bürger wurden durch den Verfassungsschutz überprüft) in Folge des sog. Radikalenerlasses von 1972. Weiteres findest Du in dem unten verlinkten Interview mit Helmut Schmidt.

kennt ihr Lektüre, die sich wirklich mit diesen Themenstellungen beschaeftigt

Direkt nicht - weil das, wie gesagt, eigentlich gar keine offenen Fragen sind. Ansonsten - Standardwerk ist immer noch:

Stefan Aust
Der Baader-Meinhof-Komplex
Goldmann Verlag 1998 (Erweiterte und aktualisierte Auflage)
ISBN 3442129532 Buch anschauen

  • die Erweiterung und Aktualisierung war durch die Auswertung der DDR-Archive möglich.

Außerdem mE unverzichtbare Primärquellen:

Rote Armee Fraktion
Texte und Materialien zur Geschichte der RAF
Id-Verlag 1997
ISBN 3894080655 Buch anschauen

Für Dein spezielles Thema sicher brauchbar:

Stefan Wisniewski
Wir waren so unheimlich konsequent:
Ein Gespräch zur Geschichte der RAF mit Stefan Wisniewski
Id-Verlag 1997
ISBN 3894080744 Buch anschauen

Wisnieski wurde (u.a.) wegen Entführung und Ermordung Schleyers verurteilt. Ein Gespräch mit einem anderen Protagonisten gibt es Online:
http://www.zeit.de/2007/36/Interview-Helmut-Schmidt

  • dazu eine kleine Anmerkung: Helmut Schmidt sagt über Schleyer: „Von seiner Geschichte bis 1945 habe ich damals nichts gewusst“. Die Leute von RAF hingegen wussten trotz deutlich schlechteren Zugangs zu Informationsquellen, mit wem sie es zu tun hatten: ein NS-Karrierist; mit 18 in die SS eingetreten, bei Auflösung der SS im Rang eines SS-Führers. Als Refe­rent für den Zen­tral­ver­band der Indus­trie in Böh­men und Mäh­ren einer der Hauptverantwortlichen für die Ausplünderung (‚Arisierung‘) der tschechischen Wirtschaft und für das Funktionieren der deut­schen Rüs­tungs­wirt­schaft im Pro­tek­to­rat mit den Mitteln von Zwangsarbeit und Terror. Ein Marodeur - in halbwegs ziviliserten Armeen werden solche solche Leute standrechtlich erschossen. Der hier wurde '48 als ‚Mitläufer‘ eingestuft und machte weiter Karriere. Eine typisch bundesrepublikanische Karriere.

Das war der Mann, der nun der einflussreichste deutsche Wirtschaftsführer war und gelegentlich bei Kanzlers zum Abendessen eingeladen wurde. Und der nach '77 passenderweise zum Märtyrer der deutschen Demokratie hochstilisiert wurde und '83 mit einer Veranstaltungshalle in Stuttgart (u.a. passenderweise für CDU-Parteitage genutzt) ein protziges Denkmal gesetzt bekam. Wie gesagt - Schmidt wusste das angeblich nicht. Es interessierte ihn wohl auch nicht. Wer es jedoch wissen wollte, der konnte es auch wissen - nicht anders als vor '45. Auch das eine deutsche Kontinuität. In der Bild-Zeitung, der FAZ oder der Welt konnte (und kann) man das freilich nicht lesen …

Aktuelles Werk dazu:

Erich Später
Villa Waigner
Hanns Martin Schleyer und die
deutsche Vernichtungselite in Prag 1939–45
Konkret Verlag 2009
ISBN 3930786575 Buch anschauen

Wenn Dich interessiert, aus welcher gesellschaftlichen Situation heraus die RAF entstand, solltest Du Folgendes lesen:

Ulrike Marie Meinhof
Die Würde des Menschen ist antastbar
Aufsätze und Polemiken
Wagenbach 2008
ISBN 3803124913 Buch anschauen

  • es handelt sich um Texte, die vor Abtauchen von Ulrike Meinhof in den Untergrund in der Konkret veröffentlicht wurden.

Weitere Zeugnisse ehemaliger RAF-Angehöriger (eher für eine tiefergehende Untersuchung der RAF und ihrer Geschichte geeignet):

Oliver Tolmein
‚RAF. Das war für uns Befreiung‘
Ein Gespräch über bewaffneten Kampf, Knast und die Linke mit Irmgard Möller
Konkret Literatur Verlag 2005 (Aktualisierte und überarbeitete Neuauflage)
ISBN 3894582170 Buch anschauen

Karl-Heinz Dellwo
Das Projektil sind wir:
Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen
Edition Nautilus 2007
ISBN 389401556X Buch anschauen

Inge Viett
Nie war ich furchtloser
Autobiographie
Edition Nautilus 2005 (Sonderausgabe)
ISBN 3894014601 Buch anschauen

Gudrun Ensslin
Zieht den Trennungsstrich, jede Minute
Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried
aus dem Gefängnis 1972 - 1973
Konkret Literatur Verlag 2005
ISBN 3894582391 Buch anschauen

Freundliche Grüße,
Ralf

Servus,

das sprengt freilich den Rahmen für so ein Referat - als flankierende Lektüre sollte aber meiner Meinung noch dazu:

Pieter H. Bakker Schut - „Stammheim“: Ein zunächst neutraler, unvoreingenommener Jurist aus den Niederlanden erlebt in Stammheim, wie das, was er für einen seit 1949 annähernd vorbildlichen Rechtsstaat angesehen hat, sich vor seinen sehenden Augen verabschiedet.

Heinrich Albertz - „Blumen für Stukenbrock“: Ein Pastor, mit Helmut Schmidt durch sein Parteibuch verbunden, der aber die Chance wahrgenommen hat, während der Bekleidung politischer Ämter zu lernen, schreibt in einigen Abschnitten seines Tagebuchs zu den Themen „Schleyer“ und „Mogadischu“ aus seiner Sicht.

Ulrike Meinhof - „Bambule“: Drehbuch zu einem Fernsehspiel, im öffentlich-rechtlichen Südwestfunk aufgeführt, bevor sich die Sendeanstalt „proaktiv“ zur FDGO bekennen musste.

Bommi Baumann - „Wie alles anfing“: Hilfreich, um aus heutiger Perspektive den Unterschied zwischen RAF und „2. Juni“ zu sehen, und damit auch zwischen RAF und „zweiter und dritter Generation“.

Und vor allem auch ein Interview von Sebastian Cobler mit dem BKA-Präsidenten Horst Herold, das - wenn ich mich recht erinnere, 1980 - unter dem Titel „Herold gegen alle“ in der Zeitschrift „Transatlantik“ erschienen ist. Herold beschreibt das Verhältnis der Exekutive, die vorausschauend „mögliche Tatbestände“ antizipieren muss, zum rechtsstaatlichen Prinzip, in dem der Schwerpunkt eher auf verwirklichten Tatbeständen liegt.

– und wenn jetzt unser Archiv funktionieren würde, hätte dieser Schrieb sogar eine Art „Wert“ –

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Als Literatur kann ich dir vor allem die Konkret Bücher und Texte empfehlen. Und Helmut Schmidt hat die Lage alles andere als eskalieren lassen. versteh auch nicht, wie man den bis heute einladen kann

Also,

vielen Dank erstmal für die zahlreiche Lektüre, dass hat mich schonmal enorm weitergebracht.

Fand auch den Einwand berechtigt, dass Thema einzuschraenken: „Helmut Schmidt und der Deutsche Herbst“

Zu den von euch gestellten Fragen:

„Wie meinst du dass mit dem demokratischen Rahmen?“

Hierzu habe ich mir folgende Aspekte überlegt:
War die Unterbringung in Stammheim gerechtfertigt?
Waren die von Helmut Schmidt erlassenen Gesetze ok?
War es ok, einen Menschen für viele zu Opfern? (Wenn ein Menschenleben unendlich viel Wert ist, kann man es dann Opfern für mehrere, die ebenfalls unendlich viel Wert sind?)

Das Problem hierbei ist, dass ich wirklich nur auf RAF Aspekte in verbindung mit Helmut Schmidt eingehen kann, weil die Aufgabenstellung lautet: Ein Bundeskanzler der BRD bis Schmidt und ein Problem, dass Ihn beschaeftigt hat.

Das bedeutet, dass Stammheim eigentlich auch wieder wegfaellt, denn für die Haftverhaeltnisse dort konnte er ja nichts.

Es bleibt also zu Fragen, ob es moralisch vertrettbar war, dass er Schleyer opferte.

Oder welche Auswirkungen der Deutsche Herbst auf seine restliche Kanzlerlaufbahn hatte.

Für all dies brauch ich Quellen, weil meine eigene Meinung dazu ist für eine wissenschaftliche Arbeit zu wenig :smile:

Aber bei dem von euch genannten ist schon ein bisschen was dabei, wo ich mir vorstellen kann, dass es mir hilft.
Grüße
Sebastian

Hallo Sebastian!

„Wie meinst du dass mit dem demokratischen Rahmen?“
Hierzu habe ich mir folgende Aspekte überlegt:
Waren die von Helmut Schmidt erlassenen Gesetze ok?

An dieser Stelle begibst du dich auf Abwege, die eine Arbeit vollständig entwerten können. Weder Helmut Schmidt noch sonst irgendein Kanzler der Bundesrepublik hat jemals ein Gesetz erlassen. Dafür ist der Kanzler nicht zuständig und die Befugnis hat er nicht.

Die Organe der Gesetzgebung, also die Legislative, sind Bundestag und Länderparlamente. Kanzler, Ministerpräsidenten, regierende Bürgermeister, Minister und Senatoren sowie die Verwaltung gehören zu einer anderen Staatsgewalt, nämlich der vollziehenden Gewalt, also der Exekutive. Von all dem unabhängig ist (oder soll sein) die Rechtsprechung, also die Judikative.

Einer der Vorgänger im Kanzleramt (wenn auch nicht der Bundesrepublik Deutschland), Adolf Hitler, konnte am Parlament vorbei Gesetze erlassen. Ermöglicht wurde dies durch das vom Parlament beschlossene Ermächtigungsgesetz, mit dem sich das Parlament selbst entmachtete und aus dem Deutschen Reich eine Diktatur machte.

In der Weimarer Republik regierten Regierungen zeitweise mit Notverordnungen am Parlament vorbei. Eine entfernt ähnliche Möglichkeit gibt es in der Bundesrepublik mit den Notstandsgesetzen für den Verteidigungsfall, den Spannungsfall, den inneren Notstand und den Katastrophenfall, sofern das Parlament nicht zusammentreten kann. Dann kann der Kanzler immer noch keine Gesetze erlassen, aber die Aufgaben des Parlaments gehen auf einen gemeinsamen Ausschuss aus Mitgliedern von Bundesrat und Bundestag über. Die Notstandsgesetze von 1968 kamen noch nie zur Anwendung.

Gruß
Wolfgang

Hi,

ahm…ich habe nie behauptet,das Schmidt die Sache hat eskalieren lassen…ansonsten wäre das alles viel blutiger ausgegangen, als es schon war.

mfg,

Hanzo

Auch wenn er inzwischen unsäglich verfilmt wurde, gehört Austs „Der Baader-Meinhof-Komplex“ auf jeden Fall zu Standardlektüre in Sachen RAF.

Stammheim sollte auf jeden Fall Thema sein, aber natürlich auch die Schleyer-Entführung und die harte Haltung der Bundesregierung in diesem Fall inklusive Landshut und Mogadischu und den Deals die da im Vorfeld der Geiselbefreiung gelaufen sind. Zudem würde ich mir auch das Bundesverfassungsgericht Urteil anschauen, dass den Eilantrag der Schleyer Familie abgelehnt hat - auch hier kann die Urteilsbegründung sicher aufschlussreich für deine Arbeit sein.