Lex specialis vs lex generalis

Hallo,

die Gesetzgebungskompetenz für Denkmalschutz und Denkmalpflege liegt bei den Bundesländern. Nehmen wir an, dass das Strafgesetzbuch bestimmte Vergehen bezüglich des Denkmalschutzes unter Strafe stellt, während das Denkmalschutzgesetz keine Strafbestimmungen enthielt, wäre dann der Artikel des StGB lex specialis in Hinblick auf das Denkmalschutzgesetz, oder kann von lex specialis immer nur dann gesprochen werden, wenn dieses spezielle Gesetz ein anderes Gesetz (lex generalis) verdrängt, also die beiden Gesetze die gleiche Materie regeln nur eben, dass das lex specialis einfach viel genauere Regelungen enthält? Dann müssten die Artikeln im Denkmalschutzgesetz, wenn dieses auch Strafbestimmungen enthält, den einschlägigen Bestimmungen im StGB vorgehen, weil das Denkmalschutzgesetz spezifischer ist? Stimmt das so?

Danke an euch allen

Martin Unterholzner

Hallo

du, Entschuldigung, Sie sind ja vielseitig interessiert.

Gruß

Hallo Martin,

die Gesetzgebungskompetenz für Denkmalschutz und Denkmalpflege
liegt bei den Bundesländern. Nehmen wir an, dass das
Strafgesetzbuch bestimmte Vergehen bezüglich des
Denkmalschutzes unter Strafe stellt, während das
Denkmalschutzgesetz keine Strafbestimmungen enthielt, wäre
dann der Artikel des StGB lex specialis in Hinblick auf das
Denkmalschutzgesetz, oder kann von lex specialis immer nur
dann gesprochen werden, wenn dieses spezielle Gesetz ein
anderes Gesetz (lex generalis) verdrängt, also die beiden
Gesetze die gleiche Materie regeln nur eben, dass das lex
specialis einfach viel genauere Regelungen enthält? Dann
müssten die Artikeln im Denkmalschutzgesetz, wenn dieses auch
Strafbestimmungen enthält, den einschlägigen Bestimmungen im
StGB vorgehen, weil das Denkmalschutzgesetz spezifischer ist?
Stimmt das so?

Cool, mal eine richtige Rechtsfrage! Ich bin begeistert!!
Also im Prinzip hast Du Recht. Aber: ich weiß nicht, was Du mit
Strafbestimmungen meinst.Deshalb bin ich mir unsicher. Denn: die
Gesetzgebungskompetenz fürs Strafrecht liegt beim Bund (Art. 74 Abs.
1 Nr. 1 GG, wahrgenommen eben durch das StGB). Gäbe es nun eine Norm
im LandesDenkmalschutzG, die nicht bloß Ordnungswidrigkeiten regelt,
dann wäre sie zwar spezieller, würde aber dennoch vom StGB verdängt.
Denn Bundesrecht bricht Landesrecht. Und dieser Grundsatz geht dem
Grundsatz lex specialis derogat lex generalis vor.

Gruß - Jaschiii

Das kann man so nicht stehen lassen. Das Strafrecht gehört zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können also eigene Regeln erlassen. Es muss nur jeweils gefragt werden, ob das bereits erlassene Bundesrecht insofern abschließend ist.

Levay

Hallo Levay,

ist langee her :wink:
Habe ich keine Anrede verdient?

Das kann man so nicht stehen lassen. Das Strafrecht gehört zum
Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können
also eigene Regeln erlassen. Es muss nur jeweils gefragt
werden, ob das bereits erlassene Bundesrecht insofern
abschließend ist.

Sorry, abver auch das ist inkorrekt. Denn wenn, wie hier, von
GGebungskompetenz gebrauch gemacht wurde, ist keine Kompetenz mehr
ünrig, auch nicht für nicht geregelte Bereiche. Die Sperrwirkung ist
absolut. Das hätten die Länder zwar gerne, halt aber regelmäßig
einer Normenkontrolle nicht stand…

Gruß - Jaschiii

*seufz*
Ich weiß nicht, wieso du dir nicht die Mühe machst, meine Äußerungen zu überprüfen, deine also kritisch zu hinterfragen, ehe du einfach nur erwiderst, dass ich falsch liege. Da eine Diskussion unter diesen Umständen - zumal hinsichtlich eines unstreitigen Gegenstandes - keinen Sinn macht, spare ich mir dieselbe. Hier noch einmal ein paar Hinweise für dich, die zu verarbeiten ich dir überlasse; wenn du einfach nur noch mal schreiben willst, dass du aber Recht hattest, dann sei es.

Die Länder sind im Fall der konkurrierenden Gesetzgebung zuständig, wenn der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Gebrauch machen kann zweierlei bedeuten: 1. die positive Regelung einer bestimmten Materie, 2. durch Unterlassen einer Regelung, wenn damit die Erklärung einhergeht, der übrigens Regelungsbereich sei abschließend, die Regelung solle also gerade ohne spezielles Gesetz bleiben.

Für das Privatrecht z. B. wird angenommen, dass es sich um eine grds. abschließende Regelung handelt. Das folg aus Art. 1 II, 55, 218 EGBGB. Die Länder sind nur zur Regelung befugt, wenn ein Vorbehalt nach Art. 55 ff. EGBGB besteht. Diese Ansicht sind entwa: BVerfG NKW 1988, 2593; Jarass NVwZ 1996, 1042.

Und nun Preisfrage für dich: Warum beschäftigen sich Juristen mit der Frage, ob das Zivilrecht abschließend geregelt ist? Na? Kommst du drauf? RICHTIG! Weil das nicht zwingend ist. Was du uns hier verkaufen willst, ist folgende Logik: Wenn Strafrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist, entfällt die Länderzuständigkeit, sobald der Bund auch nur eine Strafnorm erlassen hat. Das ist nun mal nicht richtig, auch wenn du es nicht einsehen willst. Der Bund hat das Strasfrecht sogar recht umfangreich geregelt und trotzdem existiert Landesstrafrecht.

Im Skript Alpann / Schmidt, Verfassungsrecht, 10. Auflage 2004 kannst du übrigens nachlesen, dass die Frage, ob eine Regelung des Bundes abschließend sei, zu den schwierigen Fragen der konkurrierenden Gesetzgebung gehört. Absolut richtig.

Vielleicht diskutieren ja noch andere mit dir über das Thema. Ich finde es müßig.

Levay

Was du uns hier verkaufen willst, ist folgende Logik: Wenn
Strafrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist,
entfällt die Länderzuständigkeit, sobald der Bund auch nur
eine Strafnorm erlassen hat. Das ist nun mal nicht richtig,
auch wenn du es nicht einsehen willst. Der Bund hat das
Strasfrecht sogar recht umfangreich geregelt und trotzdem
existiert Landesstrafrecht.

Servus Levay,

Aber Ipsen schreibt (Staatsrecht I), Rz 551 „Die großen Gesetzgebungswerke des Zivil- und Strafrechts treffen für ihr Sachgebiet eine abschließende Regelung, sofern die Einführungsgesetze keine Vorbehalte zungunsten des Landesrechts enthalten. Sie sind kodifikatorisch, nämlich für ihren Sachbereich erschöpfend. […]“

–> Die Landesstrafrechtsnormen dürften m.E.

a) Vorkonstitutionell sein oder
b) auf anderer Kompetenz beruhen

Begründung zu b): m.E. sind Strafandrohungen im Landesrecht nicht auf darauf gestützt, dass die Kodifikation nicht abschließend sei, sondern diese sind Annex zur ureigenen Landeskompetenz, weil viele Gesetze nur via OWi- oder Strafandrohung durchsetzbar sind.

Das meine Meinung. Da Berliner Gesetze nur Owi-Androhungen enthalten, Frage an dich: hast du mal einen Link zu irgendeinem Landesgesetz mit Strafandrohung?

Mfg vom

showbee

Hallo Showbee,

ich nehme die Behauptung, es existiere Landesstrafrecht, zurück; denn tatsächlich kenne ich dafür kein Beispiel. Es gibt aber z. B. in Bayern ein „Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“; für die Existenz des Landesstrafrechts spricht also einiges.

Ich mache mir nicht die Mühe, das zu recherchieren, weil es für die Diskussion mit Jaschiii keine Rolle spielt. Das Beispiel des Landesstrafrechts mag unglücklich gewählt gewesen sein, an dem Tenor meiner Aussage ändert sich dadurch aber gar nichts. Es ist eben nicht richtig zu sagen, die Länder dürften schon deswegen keine Strafnormen mehr erlassen, weil der Bund das bereits getan hat. Die Frage ist vielmehr vom Einzelfall zu stellen: Ist die konkrete Materie, um die es geht, schon vom Bund geregelt? Wenn nein, liegt schon in der Nichtregelung die Entscheidung, dass der konkrete Fall eben nicht geregelt werden soll (Herleitung aus Normen, die einen anderen Bereich regeln und - vielleicht - abschließend sind).

Dein Ipsen-Zitat steht dem auch nicht entgegen. Im Gegenteil: Hier wird ausdrücklich von einer abschließenden Regelung gesprochen. Argument e contrario: Die Regel müsste verfassungsrechtsdogmatisch gar nicht abschließend sein.

Jaschiii aber behauptet doch genau das: Wenn auf einem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund eine Regelung geschaffen sei, dann sei weiteres Landesrecht per se ausgeschlossen. Wieso, frage ich, stellen sich dann noch Fragen wie die, ob eine Bundesregelung im Einzelfall abschließend gemeint ist?

Levay

PS
Übrigens: Du selbst erwähnst ja das Landesordnungswidrigkeitenrecht. Dabei handelt es sich im verfassungsrechtlichen Sinn um „Strafrecht“, vgl. Kunig in: v.Münch, GG, Art. 74 Rn. 12. Noch ein Argument für meine Behauptung.

Levay

Hi,

ich nehme die Behauptung, es existiere Landesstrafrecht,
zurück; denn tatsächlich kenne ich dafür kein Beispiel.

nicht so schnell! :wink:

Schau mal:
http://bundesrecht.juris.de/stgbeg/art_4.html

Dort ist ausdrücklich immer „Landesrecht zum Schutz von Feld und Forst“ genannt. Hier wird es wohl auch Strafrecht BT auf Landesebene geben. Da gibts was bzw. gabs mal was. Ich tippe auf Bayern :wink:

Gib mal google ein „Bayerisches Forststrafrecht“ zumindest ein Treffer aus dem Bibliothekskatalog der Max-P-Gesell. kommt!

Nunja, was meinst du im übrigen, sind nicht OWi-Bestimmungen im Landesgesetz eher Annex-Regel zur Hauptmaterie? Oder werden diese auf konkurrierende zu 74 I 1. gestellt? Das Owi unter Strafrecht fällt ist schon klar :wink:

Ok, schönes Wochenende,

showbee

Nunja, was meinst du im übrigen, sind nicht OWi-Bestimmungen
im Landesgesetz eher Annex-Regel zur Hauptmaterie? Oder werden
diese auf konkurrierende zu 74 I 1. gestellt?

Am Beispiel Steuerstrafrecht nach Degenhart in Sachs, GG, Art. 74 Rn. 12, 14: „Daher ist das Steuerstrafrecht auf [Art. 74 I] Nr. 1 und nicht auf Art. 105 zu stützen.“ Mit anderen Worten: Der Bund braucht keine Annexkompetenz, er hat schon die Kompetenz aus Art. 74.

Levay

Quellenangabe für dich
Ich habe hier noch ein Zitat für dich: „Die Sperrwirkung des Bundesgesetzes ist rechtsgutbezogen zu bestimmen […]; auch deswegen bleibt kaum [!] noch Raum für ein Kriminalstrafrecht der Länder - anders als im Ordnungswidrigkeitenrecht.“ Degenhart in Sachs, GG, Art. 74, Rn. 12, 14.

„kaum noch“ = das ist kein allgemeiner Grundsatz, sondern Einzelfallfrage

Levay

vergessen:
Der zititerte Satz stammt aus einem GG-Kommentar.

Levay

Am Beispiel Steuerstrafrecht nach Degenhart in Sachs, GG, Art.
74 Rn. 12, 14: „Daher ist das Steuerstrafrecht auf [Art. 74 I]
Nr. 1 und nicht auf Art. 105 zu stützen.“ Mit anderen Worten:
Der Bund braucht keine Annexkompetenz, er hat schon die
Kompetenz aus Art. 74.

Hay Levay!

also vorweg: Sachs-GG kenn ich :wink: Aber ich meinte Owi-Bestimmungen der Ländern, diese sind doch gar nicht in „Konkurrenz“ zum Bund (m.E.) und müssten deshalb nicht mit der Kodifikation zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG konkurrieren, weil sie doch Annex sind zur ureigensten Landesmaterie.

Also bspw. bei OWi-Bestimmung in LBauO ist doch bestimmt nicht geprüft worden, ob StGB mit § 305 STGB konkurriert und abschließend ist, oder?

Tschö mit ö,

showbee