Literatur vs Trivialliteratur

Wer oder was entscheidet, dass ein Autor wie Goethe Literatur schrieb und Doris Eicke Trivialliteratur. Was sind die Bedingungen? Ist es die Quantität, die Qualität der Bücher? Wer kann mir helfen? Wer definiert mir die beiden Begriffe?

Hi,

Wer oder was entscheidet, dass ein Autor wie Goethe Literatur
schrieb und Doris Eicke Trivialliteratur.

Die Kritiker, die Leser, der Inhalt…

Was sind die Bedingungen?

Schwer zu sagen. Es ist ja bei sog. Groschenromanen, die absolut niveaulos sind, kein Problem, sie als Trivialliteratur einzuordnen, ebenso wie wohl jemand Goethes Faust den Status der „richtigen“ Literatur verwehren wird. Aber dazwischen gibt es eine riesige Grauzone, über die man sich eigentlich keine besonderen Gedanken machen sollte. Der Zwang alles in E- (ernst) und U (unterhaltend) einteilen zu wollen, ist imho ein typisch deutsches Phänomen. Da der (kultur-)deutsche sich selbst seit jeher, insbesondere seit der Romantik als besonders tiefgründigen Menschen zu sehen neigt, wird Unterhaltung gewissermaßen abgewertet (wenn auch immer noch gerne konsumiert).

Ist es die Quantität, die Qualität der Bücher?

Die Quantität sicherlich nicht. Shakespierre hat zum Beispiel Unmengen produziert, wovon das meiste zweifellos als Literatur gelten MUSS, obwohl es unterhaltend ist :wink:
Die Qualität ist sicherlich das entscheidende Kriterium, die Frage ist nur, wie man die Qualität eines literarischen Werkes bewertet.
Auch in der Trivialliteratur gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede, beispielsweise bezüglich der Spannung, der Emotionalität, der Recherchequalität,…
Der Unterschied, den man wohl definitorisch nennen kann, ist aber der, daß Trivialliteratur AUSSCHLIESSLICH der Unterhaltung dient, „richtige Literatur“ jedoch noch höhere sprachliche und vor allem inhaltliche Anforderungen erfüllt. Kurz gesagt, sie muß etwas aussagen. Ob es jetzt beispielsweise eine psychologische Darstellung meinetwegen eines Lebensgefühls (Werther), eine Art Geschichtsschreibung in Romanform (Der Untertan - zudem eine herrliche Satire) oder anderes ist, ist dabei einigermaßen unwichtig.

Wer kann mir helfen? Wer definiert mir die beiden Begriffe?

Hoffe ein paar halbwegs brauchbare Hinweise gegeben zu haben, ein festes Schema gibt es sicherlich nicht.

Gruß
L.

Hallo,

hier ein paar Links dazu:

http://www.gymnasium-meschede.de/projekte/romantik/t…
http://www.censuriana.de/see/
http://home.t-online.de/home/coroner/trivia.htm

kritisch:
http://www.germa.unibas.ch/Deusem/Gezetera/gez99-1/0…

Herzliche Grüße

Thomas Miller

offtopic an Lohengrin
Hallo Lohengrin!
Ich weiß, man soll nicht über die Tippfehler seiner Mitmenschen lachen, und es ist ja auch das Forum „Deutsche Sprache“, und nicht englische (oder französische :wink: )

aber „Shakespierre“ ist schon ein Brüller:smile:)
Nix für ungut,

Martina

Shakespierre hat zum Beispiel

AUTSCH!

Hallo Lohengrin!

N`Abend Martina

Ich weiß, man soll nicht über die Tippfehler seiner
Mitmenschen lachen, und es ist ja auch das Forum „Deutsche
Sprache“, und nicht englische (oder französische :wink: )
aber „Shakespierre“ ist schon ein Brüller:smile:)
Nix für ungut,

Au weia, vielleicht sollte ich mir doch einmal angewöhnen, die Artikel, die ich schreibe, vor dem Absenden noch einmal zu lesen. Das ist ja wirklich peinlich, keine Ahnung, welcher Teufel mich da geritten hat, den Namen ausgerechnet Shakespeares so zu verunglimpfen.
Zumal ich - ob du mir das nun glaubst oder nicht - eigentlich natürlich weiß, wie sich der gute Herr schreibt. (Ich hab mir nämlich als Schüler damals überlegt, daß es auf Deutsch „Schüttelspeer“ oder so hieße - aber auf keinen Fall „Schüttelfels“)
Das ist das erste mal, daß ich froh bin, hier unter Pseudonym zu schreiben.

verstörte Grüße
L.
*übermichselbstdenkopfschüttel*

Komplexität
Hallo auch,

was Lohengrin da geschrieben hat, ist ja schon sehr aussagekräftig, ich möchte nur noch hinzufügen, dass ein (eines von vielen) Merkmal zur Unterscheidung zwischen Nichttrivialliteratur („richtige Literatur“ mag ich nicht schreiben, weil Trivialliteratur auch ihren Wert und ihr Wichtigkeit hat) und Trivialliteratur die Komplexität des Textes ist. Das geht in Richtung „Trivialliteratur will nur unterhalten, Nichttrivialliteratur will was aussagen“, meint aber vor allem formale Aspekte, wie der Plot aufgebaut ist, ob es sprachlich Kunstgriffe, Leitmotive, die den Text durchziehen, gibt etc.

Das nur zur Ergänzung
Lg,
E.

Hallo miteinander,

Als jemand, der mal ein bisschen zu dem Thema „Trivialliteratur“ forschen durfte und musste, möchte ich nun auch meinen Senf dazu geben.

Also, „Trivialliteratur“ stammt von lat. „trivium“ = Dreiweg/Dreigabelung ab, also ein Platz, an dem drei Straßen zusammenlaufen und an dem früher das ganze Dorf zusammenkam zum Verkaufen, Feilschen usw. Hier wird also schon der Massencharakter wiedergespiegelt.

Bis Ende der 60er Jahre galt Trivilliteratur (TL) als verpönt und grundsätzlich schlecht im Gegensatz zur „echten“ Literatur, und ab den 70er Jahren trifft man dann die Dreiteilung in „echte“ Lit., Unterhaltungsliteratur (UL), TL, wobei TL in Serie erscheinende Groschenromane (Perry Cotton, Arztromane usw.) bezeichnete, während UL sowas wie Konsalik, Stephen Kind u. a. meint. Meines Erachtens nach ist UL ein äußerst unglücklicher Begriff, da hier die Absicht, die man mit der Lektüre eines Buches ohnehin verfolgt (sehr oft zumindest), genannt wird: Man will sich einfach unterhalten, Spaß haben, und wer sagt, dass man nicht auch an Goethes Werken seine Freude haben kann? Auch den Begriff TL halte ich für nicht so geschickt, da er schon immer abwertend gebraucht wurde und eigentlich nichts über den Inhalt, die Form oder die Ästhetik eines Buches aussagt. Daher taucht ab Ende der 70er Jahre der Begriff „Schemaliteratur“ (SL) auf, der sich vor allem auf die sog. Groschenhefte bezieht, die alle eben nach einem bestimmten Schema geschrieben sind: Ähnliche Figuren, ähnliche Handlungsabläufe usw., womit sich nicht nur der Autor, sondern vor allem der am Verkauf interessierte Verlag bedingungslos auf die Erwartungshaltung der Leser einstellt.

Du merkst also, der Begriff TL ist nicht 100%ig definierbar, vor allem da sich die Vorstellungen über die Ästhetik stark verändern können. Beispiel: Der „Robinson-Crusoe“-Roman (1819) hat in ganz Europa zahlreiche Nachahmer gefunden - die sog. Robinsonaden. Aus heutiger Sicht könnte man (mit etwas Vorsicht) viele Meisterwerke der Weltliteratur als TL bezeichnen: „Dracula“, „Frankenstein“, die Sherlock-Holmes-Romane, viele Geschichten von Edgar Allan Poe, die James-Austen-Romane, die romantischen Poeme Lord Byrons, von dem sich einst Puschkin bezaubern und beeinflussen ließ, „Vom Winde verweht“ und viele andere auch. Die romantischen Poeme Byrons sind Schmuckstücke der Weltliteratur, die heute wohl so kaum noch einer schreiben würde, aus Angst, man könne es als TL bezeichnen. Und die Karl-May-Bücher: Ist das „echte“ Literatur oder TL?

Schoene Gruesse von A. B.!

Wer oder was entscheidet, dass ein Autor wie Goethe Literatur
schrieb und Doris Eicke Trivialliteratur. Was sind die
Bedingungen? Ist es die Quantität, die Qualität der Bücher?
Wer kann mir helfen? Wer definiert mir die beiden Begriffe?

Hallo André,

vielen Dank für Karl May (nichtverwandtnichtverschwägert), mit Blick auf seine Kreation eines (damals) neuen „Schemas“, also obwohl unmittelbar spannend und auch spaßig - aaigentlich - keineswegs trivial.

Gegenprobe: Das schon zu damaliger Zeit schlechte Deutsch „als wie zuvor“ lassen wir mal auf der Seite, und den Gingko Biloba auch (wenn man sich in Weimar das sog. „Gingko-Museum“ nur von fern anschaut, wirds bereits gruselig). Dann bleibt vom „Faust“ des Herrn Geheymen Raths eher Rath-losigkeit: Eine große Krabbelkiste, die fürtrefflich dazu geeignet ist, daß jeder Leser sich in irgendeiner Weise und an irgendeiner Stelle - schematisiert - wiederfinden mag. Besonders in der Gretchenstory, in der der Autor so subjektiv befangen ist (vgl. sein abscheuliches Verhalten als Minister betreffend die Behandlung von „Kindsmörderinnen“), daß ihm die Story das ganze Konzept kaputthaut und er es auch nicht wiederfindet („Gelingt es diesmal mir, Euch festzuhalten?“).

Wie oft haben wir in jugendlich-alkoholangereicherten Jahren am Morgen nach der Fete zitiert: „Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten…“

Nicht trivial?

fragt, gerne eines Besseren sich belehren lassend

MM