Literaturübersetzung als Zitate getarnt

Hi.

Ich möchte ein ca. 120-seitiges US-amerikanisches Buch von 1976 ins Deutsche übersetzen mit einem hochbrisanten Thema, das hier nichts zur Sache tut (der spektakulärste Kriminalfall der Geschichte, so viel sei angedeutet). Der Verlag scheint bisher nicht gewillt, mir eine Genehmigung zu erteilen.

Nun habe ich mal gelesen, dass eine Genehmigung bis zu einem gewissen Grad umgangen werden kann, indem man den Originaltext nicht als Primärtext behandelt, sondern als zitierten Text in einer eigenen Abhandlung, d.h. der Text wird von einem eigenen Primärtext gerahmt und bedarf als ein in mehreren Abschnitten über das Buch veteiltes Zitat (egal ob englisch oder deutsch übersetzt) keiner Genehmigung. Ideen für einen eigenen Primärtext hätte ich in Hülle und Fülle, das wäre kein Problem. Dennoch wäre mir eine Komplettübersetzung mit vorangestellter Einführung lieber.

Unklar ist mir, in welchem Gesamtumfang solche Zitate legal sind, ohne als verdeckte (nicht genehmigte) Übersetzung des Originals zu gelten. Beispiel:: Wären 30 Prozent oder 50 Prozent oder gar 70 Prozent oder noch mehr vertretbar?

Hat jemand dazu eine Idee?

Ja. Es kommt nicht auf irgendeinen Gesamtumfang an, sondern auf den Charakter des Gesamtwerkes. Und danit steht die Antwort schon in deiner Frage: Wenn das ganze nur dazu dient, das Copyright zu umgehen, ist es nicht zulässig.

Beste Grüße,
Max

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Danke, aber das erscheint mir in 2 Punkten nicht logisch.

(1)Wenn es nicht auf den Umfang (d.h. der prozentuale Anteil der Zitate am Originaltext - um DEN Umfang geht es) ankäme, könnte ich ja 100 % des Textes übersetzen, was mit Sicherheit nicht legal wäre, egal welchen „Charakter“ das Gesamtwerk hat.

Der Umfang des Gesamtwerks ist irrelevant, falls du darauf abgezielt hast. Es geht um den Umfang der Zitate!

(2) Es ist doch egal, wozu das Ganze „dient“, wenn die Zitate so gerahmt sind, dass das Gesamtwerk als eigenständiges Werk schlüssig ist, unabhängig von der Absicht, eine Genehmigung zu umgehen. Eine solche Absicht wäre dann vielleicht zu vermuten, aber nicht zu beweisen. Und das würde ich mit Sicherheit hinbekommen, da ich ohnehin dabei bin, ein eigenständiges Werk zum Thema zu verfassen, unabhängig vom Übersetzungsprojekt.

Grundsätzlich bin ich bei dir, aber hier müsste eigentlich das amerikanische Copyright Law (welches ich inhaltlich nicht kenne) gelten und nicht das deutsche Urheberrechtsgesetz, oder?

Viele Grüße
Christa

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Ja, stimmt.

Doch, zumindest im deutschen Urheberrecht kann so etwas als Großzitat legal sein. Das hängt, wie gesagt, vom Gesamtcharakter ab. Dann muss aber die Eigenleistung deutlich mehr als bloß ein „Rahmen“ sein.

wenn die Zitate so gerahmt sind, dass das Gesamtwerk als eigenständiges Werk schlüssig ist,

… dann widerspricht mE schon die Bezeichnung Rahmen der Annahme, dass es sich um ein selbständiges wissenschaftliches Werk handelt. Die Frage ist immer: Was ist eigentlich die Hauptsache? :slight_smile:

Eine solche Absicht wäre dann vielleicht zu vermuten, aber nicht zu beweisen.

Du hast nach der Legalität gefragt. Es ist nicht legal, die Kirschen von Nachbars Baum zu nehmen, auch wenn man es nicht beweisen kann. Wenn Du allerdings den Nachbarn vorher gefragt hattest und er „Nein“ gesagt hast, du auffallend viele Gläser mit Kirschmarmelade im Keller hast und außerdem in einem Forum gefragt hast, ob es legal ist, die Kirschen von Nachbrs Baum zu nehmem, auch wenn er Nein gesagt hat, dann könnte ein Richtrer in freier Beweiswürdigung der Ansicht sein, dass das ein Diebstahl war.

Kurz gesagt: Es hängt davon ab, wie das Werk am Ende aussieht, und wie das ein Richter beurteilt. Wenn das ganze danach aussieht, dass Du bloß eine Übersetzung mit einem Rahmen tarnen wolltest, ist es nicht legal. Wenn es sich dagegen eine selbstständige wissenschaftliche Arbeit ist handelt, bei der es sinnvolle Gründe gab, ein Großzitat zu verwenden (zum Bespiel, weil der Text sehr unbekannt und auch nicht erhältlich ist und man ihn im Gesamten lesen muss, um deine Auseinandersetzung damit zu erstehen), dann ist es legal. Großzitate kommen z.B. häufiger mal bei literaturwissenschaftlichen Werken vor, die sich mit langen Gedichten oder Balladen beschäftigen.

Zitat ist alles, was notwendig ist, deine eigene Argumentation bei der Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk zu belegen. Im Vordergrund steht deine eigene Arbeit.

Das gilt aber, wie gesagt, im deutschen Urheberrecht. Und Christa hat vermutlich recht, das hier amerikanisches Recht gilt.

Grüße,
Max

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Das amerikanische Gegenstück dazu ist die Fair-Use-Doktrin:

„Courts evaluate fair use claims on a case-by-case basis, and the outcome of any given case depends on the specific facts of that case. There is no formula to ensure that a predetermined percentage or amount of a work—or specific number of words, lines, pages, copies—may be used without permission.“

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