Liebe Frau Kant, lieber Herr Miller,
ich unterstütze das Lob für Herrn Miller in
voller Überzeugung, auch wenn die heideggersche
Gelassenheit zeitweise an Emotionsverweigerung
grenzt (welche nicht nur statthaft ist, sondern
für diesen Job maximale Zuträglichkeit beinhaltet.)
Die Millersche Einschätzung Sartres gerät letztlich
jedoch zu freundlich.
Ob er sich als Resistance-Angehöriger ausgab (große
Lüge!) oder als „Erfinder des Existentialismus“ - er
erscheint in allem seinem Tun als Geisel des eigenen
Aufmerksamkeitsbedüftisses: Hätte er Stammheim besucht,
wenn keine Presse davon gewußt hätte?! Hätte er den
Nobelpreis abgelehnt, wenn ihm nicht die personifizierte
Authentizität namens Albert Camus, der ECHTE Resistancler,
das ECHTE Arbeiterkind, diesen Schneid (wie in so vielen
Dingen) abgekauft hätte?!!
Sartre war ein Modekasper, ein Wellenreiter. Während Camus
den Ungarn-Aufstand ´56 als geistiges Problem der Linken
problematisierte, formulierte Sartre für die französische
KP Russland-Oden. (Nicht zufällig kommt das „Schwarzbuch
des Kommunismus“ aus Frankreich!)
Der Wellenreiter Sartre erscheint heute als Hauptvertreter
des „Existentialismus“ und ist doch nur dessen lauteste
Stimme. Daß der Begriff „Existentialismus“ so Bedeutungs-
leer ist, wie das Wort „Dosenpfand“, stört dabei offensicht-
lich niemanden.(?)
Eine Philosophie die zeitverbunden ist, ist keine. Der auf
den Moden seiner Zeit reitende Stalin- und Baader-Freund
Sartre ist Objekt - nicht Subjekt seiner Zeit. Man kann ihn,
ähnlich Adorno, nur noch als Zeitzeugen wahrnehmen.
Sartre ist ein wenig aus der Mode gekommen, weil er mit
einigen vergangenen Fixpunkten der Geschichte zusammenhängt,
die nicht mehr im Zentrum des Interesses stehen: mit dem Kampf
gegen den Nationalsozialismus und der Nachkriegskonfrontation
zwischen Ost und West, mit der 68er-Generation, die sich
inzwischen selbst überlegt hat, mit der Phänomenologie, die er
nie methodisch sonderlich weit verfolgt hat, und die eher zu
ihren Wurzeln zurückgekehrt ist (Husserl usw.) und sich nicht
mehr politisch versteht.
Man kann kurz sagen, daß Sartre KEINE WIRKLICH philosophische
Aussage hatte?!! Sein Kampf gegen den Nationalsozialismus ist
legendär - dürftig bis nicht vorhanden; sein Bemühen um die
Ost-West-, wie auch die Rinks-Lechts-Spaltung vorbildlich stali-
nistisch; sein Bemühen um die 68ger-Generation ging nach hinten
los: Man muß kein großer Historiker sein, um festzustellen, daß
Sartre zum Dieter Bohlen der ersten Hälfte der Siebziger mutier-
te: Hauptsache publicity, hauptsache wichtig!
Dass er keineswegs vergessen ist, bezeugt diese Bibliographie:
http://www.pdcnet.org/sartre.html (fast 250 Seiten
Literaturangaben für nur 12 Jahre!).
Kann es sein, daß dies alles der Müll ist, den die 68ger Lehr-
kräfte in Hirne pflanzten? Die Ernte ist voluminös. Der Er-
trag auch? (Was interessiert einen Weltverbesserer der „Ertrag“,
wenn er seine Experimente vom „Großkapital“ auf Kredit finanziert
bekommt?!)
Der beste Satz von Sartre der mir gerade einfällt ist:
„Der schlimmste Mörder ist der der bereut“.
(Passt auch wieder.)
Ansonsten mau.
x-nada