Zitat aus Stimmts
Von Christoph Drösser
Stimmt nicht. Die Legende ist ein
Beispiel dafür, wie hartnäckig sich ein
Gerücht halten kann, das doch
eigentlich recht einfach zu überprüfen
ist. Vielleicht liegt es, wie die
niederländischen Forscher Geert Jan
van Oldenborgh und Fernando L. J. Vos
schreiben, an „der
Unwahrscheinlichkeit, zwei halbleere
Flaschen in einer relativ kleinen Region
der Raumzeit zu haben“. Mit anderen
Worten: Man leert Champagnerflaschen
nacheinander, so daß immer höchstens
eine angebrochene übrigbleibt.
Die beiden Physiker beschlossen 1995,
die Hypothese wissenschaftlich zu
testen. Da sie über keinen
Forschungsetat für derartige Projekte
verfügten, mußten sie ihr Experiment
mit Cidre durchführen. Sie glauben
aber, ihre Ergebnisse auf andere
moussierende Getränke übertragen zu
können. Van Oldenborgh und Vos
leerten zwei Flaschen des Apfelsekts je
zur Hälfte und ließen sie dann über
Nacht offen im Kühlschrank stehen -
eine mit Löffel, die andere ohne. Am
nächsten Tag mußten zehn Freiwillige
je fünf Zentiliter aus zwei Plastikbechern
trinken, die mit den Ziffern 1 und 2
versehen waren. Nur die beiden
Forscher wußten, welcher Cidre in
welchem Becher war. Ergebnis: Die
Tester konnten keinen Unterschied
feststellen.
Während dieser Versuch allein auf dem
subjektiven Urteil der Probanden
beruhte, berichtete die lothringische
Zeitung Le Republicain Lorrain bereits
am 17. März 1987 von härteren
wissenschaftlichen Untersuchungen,
durchgeführt mit einem sogenannten
Aphrometer, das den Kohlensäuredruck
in Flüssigkeiten feststellt. Der
Veranstalter dieses Tests war das
Komitee für den Wein der Champagne
in Epernay - ein kompetenteres Institut
ist also kaum vorstellbar.
Für diesen Versuch wurden sechs
Champagnerflaschen geopfert - zwei
wurden mit einem Korken
verschlossen, zwei mit einem Teelöffel
versehen, zwei einfach so in den
Kühlschrank gestellt, nachdem je ein
Glas Schampus entnommen worden
war. Nach 24 Stunden wurde der
Gasdruck gemessen. Ergebnis: Alle
sechs Flaschen hatten Druck verloren,
die verkorkten Flaschen mit Abstand am
wenigsten. Zwischen den offenen
Flaschen und denen mit Löffel war kein
signifikanter Unterschied festzustellen.
Die Lehre aus diesen Experimenten:
Man sollte Sekt- und
Champagnerflaschen am besten leer
trinken. Wenn wirklich etwas übrigbleibt,
wirkt nur ein hermetischer Verschluß
blasenerhaltend. Ein Löffel dagegen
nutzt gar nichts. Schade eigentlich,
hätte doch ein Wirksamkeitsnachweis
nach den Worten der holländischen
Forscher „zur Reduzierung der
CO2-Emissionen beigetragen“.
Nachtrag (aus dem Buch „Stimmt’s -
Moderne Legenden im Test“): So weit,
so negativ. Jetzt hat sich die Redaktion
der ARD-Quizsendung „Kopfball“ noch
einmal des Themas experimentell
angenommen - und konnte tatsächlich
einen Effekt messen. Die
Fernsehmacher stellten zwei
angebrochene Flaschen über Nacht in
den Kühlschrank, je eine mit und ohne
Löffel. Am nächsten Tag wurde durch
Erhitzen aus beiden Sektflaschen die
Kohlensäure komplett entfernt und
deren Volumen gemessen. „In der
Silberlöffelflasche war eindeutig mehr
Kohlendioxid“, berichtet der
WDR-Redakteur Ranga Yogeshwar.
Die naheliegendste wissenschaftliche
Erklärung: Die Sache wirkt nur, wenn
man die bereits warm gewordene
Flasche auch tatsächlich in den
Kühlschrank stellt. Der Löffel wirkt dann
als ein Wärmeleiter, der die Wärme
schneller aus der Flasche transportiert.
So kühlt der Sekt schneller ab, und in
kaltem Sekt bleibt mehr Kohlensäure
gelöst. Bestätigt wird diese Theorie
durch ein weiteres Ergebnis der Kölner
Hobbyforscher: Nach einer Stunde im
Kühlschrank war die Löffelflasche um
drei Grad kälter als die andere. Aus
dieser Erklärung folgt sofort, daß der
Löffel aus einem Material bestehen
sollte, das möglichst gut die Wärme
leitet. Plastiklöffel bringen also gar
nichts, es muß schon Metall sein - und
da gehört tatsächlich der oft
beschworene Silberlöffel zu den
besseren Leitern.

Rainer