Hi Sandrinchen,
zunächst danke ich Dir für diese Frage, da sie mir eine amüsante Phantasie schenkte. Ich hatte das Bild vor mir, es gäbe gar keine alkoholkranken Männer und Frauen, wären da nicht die selbstwertgebeutelten PartnerInnen, die immer und immer wieder die Frage stellen: „Liebst Du mich noch? Sag’, liebst Du mich noch? Wie sehr liebst Du mich?“
Etwas amüsiert stelle ich ebenso fest, daß das was Ann geschrieben hat, ich auch dächte, ginge es dabei um mich. Doch da ich hier Außenstehende bin, sehe ich es anders. Du hast nicht geschrieben, daß Dein Partner die Liebeserklärung besonders betont habe, sondern einfach häufiger gesagt hat. Darin sehe ich einen Unterschied. Würde er seine Liebe besonders betont haben, würde ich auch denken, es steckt etwas dahinter, das er nicht gesagt hat. Das können unterschiedliche Dinge sein: schlechtes Gewissen, Angst Dich zu verlieren… Ich kenne alkoholisierte Menschen, die eine Sache dann einfach öfter wiederholen, weil sie sie offenbar gerade beschäftigt, sie langsamer denken oder was auch immer.
Der Alkohol ist ein Enthemmer und so geschieht es halt, daß manches das nüchtern unter Kontrolle und Verschluß ist, somit zum Ausdruck kommen kann: manche Leute fühlen sich als wären sie die Größten wenn sie alkoholisiert sind. Das sagte mir mal ein Alkoholiker über sich selbst. Andere Leute die trinken, trauen sich dann einfach mehr und können ihre Schüchternheit überwinden und z.B. Kontakte knüpfen. Andere Leute werden wieder sehr rührsellig, lustig oder einfach nur müde. Und, und, und…
Du kennst Deinen Partner am besten. Natürlich kann Ann richtig liegen, es kann jedoch auch ganz anders sein. Möglicherweise kann er seine Gefühle im nüchternen Zustand nicht so zeigen und in diesem alkoholisierten Zustand war es ihm möglich. Eventuell ist er gerade durch ein Erlebnis oder durch die Bewußtwerdung einer Sache mehr mit Dir zusammen gewachsen. Vielleicht ist es auch umgekehrt, und er fürchtet, Du würdest ihn betrügen oder bald verlassen können, weil Du Dich vielleicht zu freundlich von einem Mann verabschiedet hast? Vieles ist möglich. Doch nur Du kannst die Wahrheit selbst wissen bzw. herausfinden.
Sollte Dich die Frage weiterhin interessieren und beschäftigen, so mache mit Deinem Freund eine Beziehungsarbeit. Nehmt Euch für ein vorab vereinbartes Gespräch Zeit und erzählt Euch im gegenseitigen Wechsel wie es Euch gegenwärtig miteinander geht, wie sich z.B. die Beziehung im Laufe der Zeit gegebenenfalls verändert / entwickelt hat… Lebt Ihr miteinander oder nebeneinander her? Entwickelt Ihr Euch in Eurer Beziehung weiter oder stagniert Ihr?
Sprecht von Euch und Euren Gefühlen und Gedanken, ohne Vorwürfe zu machen. Wenn es Probleme gibt oder vor allem wenn schon mehr Probleme die Beziehung belasten, fällt das gerade schwer. Hierfür könntet Ihr ein Zeichen für eine Auszeit vereinbaren. Was gibt Euch Eure Beziehung, was nicht? Was vermißt Ihr und ließe sich das integrieren? Solche Fragen können teils auch recht schmerzhaft sein, doch sie könnten auch eine Chance für mehr Leben und für mehr Liebe sein.
Und nun noch, was interessiert Dich an der Frage? Geht es um Alkohol und seine Auswirkungen? So wäre die Frage im Suchtbrett besser aufgehoben gewesen. Oder geht es Dir doch eher - wie ich mutmaße - darum, warum Dein Freund alkoholisiert mehr seine Liebe beteuert? Argwöhnst Du etwas? Vermißt Du sonst etwas? Was läßt Dich diese Frage stellen?
Ciao,
Romana