Lungenatmung bei Meeresbewohnern

Obwohl Sie schon seit langer Zeit vollständig im Wasser leben, haben Wale, Seekühe etc. die Lungenamtung nicht aufgegeben, obwohl sie sich ja sonst sehr stark verändert und an den Lebensraum Wasser angepasst haben.

Warum? Ist die Hürde beim Übergang
Lungenatmung -> Sauerstoff aus dem Wasser holen
höher als beim umgekehrten Weg? Gibt es bei Gliedertieren oder sonstwo Beispiele dafür, dass Tiere „wieder“ auf Kiemen gekommen sind? „Zurückgekehrte“ Gliedertiere wie Wasserkäfer und Spinnen schleppen m.W. auch Luftblasen mit sich rum, richtig? Und bei Amphibien ist der Weg auch immer 1. Kiemen 2. Lunge, stimmt’s? (teilweise mit einer „sowohl-als-auch-Phase“?)

Ist es einfacher oder energetisch vorteilhafter, den Sauerstoff aus Luft zu holen als aus Wasser? Wenn es nur an dieser „Dolloschen Regel“
liegt (hier: /t/walfische/3239780/5

So viele dumme Fragen - aber hier gibts ja auch viele Experten - danke schonmal für Eure Antworten!

bis denn

Simon

Hallo!

Warum? Ist die Hürde beim Übergang
Lungenatmung -> Sauerstoff aus dem Wasser holen
höher als beim umgekehrten Weg?

Ich glaube: Ja.

Gibt es bei Gliedertieren oder
sonstwo Beispiele dafür, dass Tiere „wieder“ auf Kiemen
gekommen sind? „Zurückgekehrte“ Gliedertiere wie Wasserkäfer
und Spinnen schleppen m.W. auch Luftblasen mit sich rum,
richtig?

Interessanterweise scheint das bei den adulten Tieren zu stimmen. Wasserlebende Larven (z. B. Libellen) atmen aber sehr wohl über Kiemen.

Und bei Amphibien ist der Weg auch immer 1. Kiemen
2. Lunge, stimmt’s? (teilweise mit einer
„sowohl-als-auch-Phase“?)

Stimmt.

Nun zu der Begründung: Für Kiemen ist es erforderlich, dass die Diffusionsstrecke vom Wasser zum Blutkreislauf sehr kurz ist. Meeressäugetiere haben aber aus verschiedenen Gründen (Thermoregulation, Schutz vor Verletzungen, …) eine recht derbe Haut. Die Bildung von Kiemen würde also sofort andere Nachteile mit sich bringen, weil kaum zu erwarten ist, dass der ganze Apparat mit Kiemenbögen und Kiemendeckeln auf einen Schlag entstehen könnte.

Ich habe mal einen sehr anschaulichen Vergleich gehört: Die Evolution verhält sich ähnlich wie eine Kugel in einer Landschaft. Sie neigt dazu immer bergab zu rollen. Die Mutationen sorgen dafür, dass die Kugel ab und zu etwas zur Seite springt. Auf diese Weise wird die Kugel - obwohl sie keine Intelligenz besitzt - sicher den Weg ins Tal finden. … Es sei denn: Sie fällt auf ihrem Weg nach unten in eine Mulde (lokales Minimum). Das muss nicht die bestmögliche Anpassung sein, aber alle Veränderungen hätten vorübergehend eine Verschlechterung zur Folge, so dass sich die Evolution hier in einer Sackgasse befindet. Vielleicht ist das mit den Meeressäugern geschehen.

Hinzu kommt, dass der Sauerstoffgehalt der Luft viel größer ist als die Konzentration des gelösten Sauerstoffs im Wasser (Deswegen wissen Aquarianer, dass man viel Luft in der Plastiktüte mit einpacken muss, wenn man einen Fisch kauft). Lungen müssen daher wesentlich weniger effizient arbeiten als Kiemen.

Deswegen war es für die Natur „einfacher“, Lungen zu bilden und Kiemen zu verlieren als umgekehrt.

Warum sind dann nicht von Anfang an Lungen entstanden? Naja, das Leben stammt halt aus dem Wasser und hat sich aus Lebewesen entwickelt, die ihren Atemsauerstoff über die Außenhaut aufgenommen haben. Das geht bei den heutigen großen Wirbeltieren nicht mehr.

Wenn es nur an
dieser „Dolloschen Regel“
liegt (hier:
/t/walfische/3239780/5
wo ist dann der Grund für die?

Ich glaube nicht, dass man diese Regel so stehen lassen kann. Allerdings ist es so, dass der Verlust von etwas viel wahrscheinlicher ist als das Wiederfinden dessen. (Das gilt übrigens, egal ob man über Gene oder Handschuhe spricht).

Michael

hallo Michael,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Nun zu der Begründung: Für Kiemen ist es erforderlich, dass
die Diffusionsstrecke vom Wasser zum Blutkreislauf sehr kurz
ist. Meeressäugetiere haben aber aus verschiedenen Gründen
(Thermoregulation, Schutz vor Verletzungen, …) eine recht
derbe Haut.

Hmm. Wie steht es dann mit Walhaien oder anderen großen Fischen, die haben das Problem ja auch gelöst?

Die Bildung von Kiemen würde also sofort andere
Nachteile mit sich bringen, weil kaum zu erwarten ist, dass
der ganze Apparat mit Kiemenbögen und Kiemendeckeln auf einen
Schlag entstehen könnte.

Ich habe mal einen sehr anschaulichen Vergleich gehört: Die
Evolution verhält sich ähnlich wie eine Kugel in einer
Landschaft.

Wenn ich es recht verstanden habe, gibt es keine großen Sprünge in der Evolution, sondern viele kleine (weshalb das Kreationistenargument „es gibt keine halben Flügel“ ja auch nicht zieht) - und oft gibt ist der Weg von A (Kiemenatmung) nach B (Lungenatmung) nur möglich, weil ein Organ mehrere Funktionen ausüben und umgekehrt eine Körperfunktion von mehreren Organen ausgeübt werden kann, richtig? Insofern wäre aber die evolutionäre Hürde für die Weiterentwicklung von Lungentieren zu (zusätzlicher?) Wasseratmung auch nicht höher als sonstwo, will mir scheinen. Beim Übergang von Fisch zu Amphipien ist ja auch nicht der Lungenatmungs-Apparat mit einem Schlag entstanden.

Aber natürlich ist vielleicht die Frage „Warum macht die Evolution/der Zufalll/Mutter Natur/der liebe Gott es nicht so und so?“ vielleicht einfach von vornherein etwas albern …

Hallo!

Hmm. Wie steht es dann mit Walhaien oder anderen großen
Fischen, die haben das Problem ja auch gelöst?

Deren Vorfahren hatten ja schon Kiemen und mussten sie nicht neu erfinden.

Wenn ich es recht verstanden habe, gibt es keine großen
Sprünge in der Evolution, sondern viele kleine (weshalb das
Kreationistenargument „es gibt keine halben Flügel“ ja auch
nicht zieht) - und oft gibt ist der Weg von A (Kiemenatmung)
nach B (Lungenatmung) nur möglich, weil ein Organ mehrere
Funktionen ausüben und umgekehrt eine Körperfunktion von
mehreren Organen ausgeübt werden kann, richtig?

Ja.

Insofern wäre
aber die evolutionäre Hürde für die Weiterentwicklung von
Lungentieren zu (zusätzlicher?) Wasseratmung auch nicht höher
als sonstwo, will mir scheinen. Beim Übergang von Fisch zu
Amphipien ist ja auch nicht der Lungenatmungs-Apparat mit
einem Schlag entstanden.

Eben. Vermutlich ging das so:

Einfaltung des Kiemendarms → Schwimblase → Amphibienlunge → Lunge mit Lungenbläschen (Säugetiere) bzw. Vogellunge.

Aber aus welchem Orgen sollte sich eine Kieme entwickeln?

Und schließlich: Wer möchte Ausschließen, dass die Nachfahren unserer heutigen Wale in 100 Mio. Jahren (wenn wir sie vorher nicht ausrotten) Kiemen haben werden? Es ist halt nur nicht wahrscheinlich, aber die Entstehung des Lebens war an sich schon ziemlich unwahrscheinlich…

Michael

Obwohl Sie schon seit langer Zeit vollständig im Wasser leben,
haben Wale, Seekühe etc. die Lungenamtung nicht aufgegeben,
obwohl sie sich ja sonst sehr stark verändert und an den
Lebensraum Wasser angepasst haben.
Warum?

Es gibt nur wechselwarme Tiere mit Kiemen. Warmblüter haben hohe Ansprüche an die Sauerstoffversorgung. Wasser enthält nur 10mg Sauerstoff pro Liter. Vielleicht kann ein großes Säugetier damit nicht auskommen oder bräuchte riesige Kiemenanlagen, was auch wieder ein Hindernis wäre ?
Udo Becker