Hallo Thierry,
zuerst einmal bist Du mir nichts schuldig. Und dann, bevor ich Dir antworte, sage ich Dir schon einmal, dass ich nur noch bis Montag erreichbar bin und dann erst wieder ab 30. August.
Nun zu Deinen Fragen:
Unter „Cross-Presentation“ versteht man die Präsentation von phagozytiertem Antigen über MHC-Klasse I (normalerweise werden diese ja über MHC-Klasse II präsentiert) durch Antigen-präsentierende Zellen. In vivo ist dieser Prozess nur sicher für Dendritische Zellen bewiesen (Für Makrophagen sicher in vitro und vermutlich für B-Zellen).
Und damit wären wir auch schon beim größten Problem. Obwohl der Prozess vor 25 Jahren entdeckt wurde, gibt es dazu heute mehr Unklarheiten als Bewiesenes. Deshalb beschränke ich mich auf gut abgesicherte Daten.
„Cross-Presentation“ dient der Kommunikation von Antigen-präsentierenden Zellen (APZs) mit cytotoxischen (CD8)T-Zellen. Sie kann sowohl zur Aktivierung dieser Zellen führen, als auch zur Anergie („Abschaltung“).
Dies erklärt sich aus dem Sinn, den die „Cross-Presentation“ für die Immunabwehr darstellt. CD8-T-Zellen erkennen ja nur MHC-Klasse I und NICHT MHC-Klasse II. Das macht insofern Sinn, als dass Peptide von Viren und Tumorzellen, da sie im Cytoplasma vorliegen und prozessiert werden, über MHC-Klasse I präsentiert werden. CD8-T-Zellen zeigen aber nur eine geringe Zytotoxizität gegenüber Zellen, die Ihnen „ihr“ Antigen präsentieren, solange sie nicht von APZs aktiviert wurden (ihre „Brüder“, die T-Helfer-Zellen sind sogar darauf angewiesen, um überhaupt aktiv zu werden). Nun befällt aber nicht jeder Virus auch APZs und die wenigsten Tumoren entstehen aus APZs selbst. Wie soll also eine effektive Immunantwort gegen virusbefallene Zellen bzw. Tumorzellen erfolgen, wenn die APZs die CD8-T-Zellen nicht aktivieren können, weil sie die freigesetzten Viren und Tumorantigene zwar fressen, aber den CD8-T-Zellen nicht zeigen können, weil alles was phagozytiert wird über MHC-Klasse II präsentiert wird?
Die perfekte Lösung hierfür ist die „Cross-Presentation“, also das was gefressen wird über MHC-Klasse I zu präsentieren.
Bis hierhin ist die Sache logisch und schön, aber dann beginnen auch schon die Unklarheiten und zu den meisten Fragen gibt es bis heute keine befriedigenden Antworten.
Ein Beispiel, dass einem sofort einfällt, wäre:
Wie entscheidet die APZ, ob das phagozytierte Antigen über MHCI oder MHCII präsentiert wird oder wird es einfach über beide präsentiert?
Dazu kann ich Dir sagen, dass es keine „reine“ CD8 oder CD4-Antwort gibt. Es lassen sich immer Antikörper und spezifische CD8-T-Zellen gegen Viren und Tumorantigene nachweisen. Aber das Immunsystem ist in der Lage, den Schwerpunkt der Antwort klar in die eine oder andere Richtung zu verschieben. Wie genau das geht, ist nicht geklärt (die bekannten Fragmente lass ich an dieser Stelle mal beiseite, aber eine entscheidende Rolle spielen hierbei sicherlich die sogenannten „pattern recognition receptors“ und „toll-like receptors“, von denen man weiß, dass sie für verschiedene Arten von Antigenen spezifische sind).
Nun zu Deiner Frage mit der Hemmung der Antigenpräsentation. Es gibt zahlreiche Erreger (Bakterien, Parasiten), die im Inneren von Zellen leben (sogenannte intrazelluläre Erreger, nicht Viren). Zu den bekanntesten gehören der Tuberkulose-Erreger (Mycobakterium) und Malariaerreger (Plasmodien [Parasit!]), aber es gibt noch viel mehr. Sie stellen für das Immunsystem eine unglaubliche Herausforderung dar. Generell obliegt die Bekämpfung intrazellulärer Erreger den Komponenten der zellulären Immunabwehr. Dazu gehören Natürliche-Killer-(NK)-Zellen, cytotoxische CD8-T-Zellen und T-Helfer-1-Zellen (letztere sind die, die den Makrophagen helfen, den gefressenen Erreger auch wirklich töten und verdauen zu können). Nun ist es aber so, dass intrazelluläre Erreger oft normale Körperzellen befallen oder sich sogar extra von APZs fressen lassen, weil sie in den Phagosomen leben. Und hier zeigt sich die Bedeutung der „Cross-Presentation“, um die CD8-T-Zellen mit ins Boot zu holen.
Es gibt tatsächlich Erreger, die dem Immunsystem über diesen Weg entkommen, weil sie die Fusion von Phagosom und Lysosom (erst hierdurch werden die gefressenen Sachen zerstört) in der APZ verhindern (Mycobakterien).
An dieser Stelle tauchen bestimmt unglaublich Fragen auf, die ich Dir auch teilweise beantworten kann, aber vielleicht verarbeitest Du erstmal das hier Gesagte und betrachtest das scheinbare Durcheinander am Schluss unter dem Aspekt, dass jeder Weg den das Immunsystem einschlagen kann und jede Zelle, die daran beteiligt ist wie eine Waffengattung bei einer Armee ist. Das Immunsystem versucht die gegen den Feind effektivste Waffe vermehrt in den Kampf zu schicken, aber wenn der Erreger einen Mechanismus entwickelt hat, seinen gefährlichsten Gegner auszutricksen, dann gibt es zumindest noch die anderen Waffen, die zwar weniger effektiv sind, aber immerhin verhindern, dass wir den Kampf verlieren.
Ich hoffe, das reicht Dir bis September und freue mich immer, von Dir zu hören.
Beste Grüße,
Klaus
Hallo Klaus!
Eine weitere Frage:
Bei der sogenannten „Cross-presentation“, handelt es sich um
einen Prozess, bei dem ein Antigen phagozitiert wird und
danach allerdings zusammen mit dem Klasse I MHC
Molekülpräsentiert wird.
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Ist diese Definition richtig, bzw. könnte man noch etwas
wichtiges hinzufügen?
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Bezieht sich das „cross“ darauf, das Proteine, die
eigentlich mit dem Klasse II MHC Molekül präsentiert werden,
nun „übers Kreuz“ vom Klasse I präsentiert werden?
Ich habe auch schon gelesen, dass darunter auch der Prozess
verstanden Wird, dass ein Protein innerhalb der einen Zelle
von einer anderen Zelle präsentiert wird (MHC I oder II?). Ist
diese zweite Version falsch? Ist ziemlich unterschiedlich von
der ersten Version…
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Welchen nutzen hat diese Fähigkeit?
Anscheinend können damit Pathogene bekämpft werden, die sich
i) in immunzellen „verstecken“ und ii) die
Antigenprozessierung hemmen.
zu i): Alle Zellen exprimieren MHC I, wie kann man sich da
verstecken?
zu ii): Falls die Antigenprozessierung gehemmt ist, wie hilft
dann ein Zellen oder MHC Wechsel? Prozessiert muss es ja
trotzdem werden…
Ich merke gerade, dass der Prozess vielleicht nur von gesunden
Zellen ausgeführt werden kann, die sozusagen der kranken Zelle
helfen. Ist das richtig? Aber: MHC I-präsentation führt ja zu
eingeleiteter Apoptose, dann würde ja nur die gesunde Zelle
abgetötet werden und das Pathogen fröhlich weiterleben…
Ich habe noch keinem Experten so viele Fragen gestellt:smile:
Bin dir langsam was schuldig…
Gruss
Thierry