Lyrik

Liebe/-r Experte/-in,
Interpretation 2er gedichte

Guten Tag,

Könnten Sie mir bitte helfen bei der Interpretation dieser Gedichte?

Trakl : Rondel

Verflossen ist das Gold der Tage,
Des Abends braun und blaue Farben:
Des Hirten sanfte Flöten starben
Des Abends blau und braune Farben
Verflossen ist das Gold der Tage.

Hesse : Zu Spät

Da ich in Jugendnot und Scham
Zu dir mit leiser Bitte kam,
Hast du gelacht
Und hast aus meiner Liebe
Ein Spiel gemacht.

Nun bist du müd und spielst nicht mehr,
Mit dunklen Augen blickst du her
Aus deiner Not,
Und willst die Liebe haben,
Die ich dir damals bot.

Ach, die ist lang verglommen
Und kann nicht wiederkommen -
Einst war sie dein!
Nun kennt sie keine Namen mehr
Und will alleine sein.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir helfen könnten!

Herzliche Grüsse,

Thomas Matter

Trakl – Rondel

Verflossen ist das Gold der Tage,

Des Abends braun und blaue Farben:

Des Hirten sanfte Flöten starben

Des Abends blau und braune Farben

Verflossen ist das Gold der Tage.

Interpretation

Der Glanz der Jugend ist vorbei, starke Farbsymbolik. Braun ist dann erdig, Lebensende, obwohl er so jung, hat er zu früh den Todes“kelch“ gekostet… Blaue Farbe, Trauer, seit Hölderlins „blauer Blume“ ist es die Sehnsucht der Romantik, das Unerreichbare, die ihn
Begleiten… Der Hirte ist aktiv, fröhlich, am Tag hütet er seine Schäfchen… , aber abends
Wird es still. Die abendliche Sehnsucht, die Todessehnsucht, die Trakl so stark spürte und
Ihn tatsächlich auch mit 27 Jahren ereilte… – lässt ihn zur Erde werden. Das Gold des Lebens
verliert den Glanz, wird nur noch bräunlich… Der Kreis schliesst sich, wie er begann, so endet das Gedicht.

Hallo ausas,
es handelt sich um Altersgedichte der genannten Autoren,
deren Interpretation sich aus dem Text selbst ergeben sollte.
Um dabei „Hesse“ zu begreifen, empfehle ich die Lesung
der Gedichte aus seinem Buche " Hermann Hesse: Krisis-Ein Stück Tagebuch,
Suhrkamp Verlag Frankfurt".
Viel Vergnügen an dem genannten Buche, wenn Du über 50 Jahre alt bist.

Anmerkung: Daß dieser
vorstehende Titel zu kurz
sein soll und nicht angenommen
wird, weil er nicht aus
mindestens 15 Buchstaben besteht,
finde ich etwas „merkwürdig“.
Wie heisst ein bekanntes Sprichwort:
IN DER KÜRZE LIEGT DIE WÜRZE:
Gruß von Rapuli (Rapuli ist eine
Schwester des bekannten
58%igen Ingwerbranntweines „RATZEPUTZ“:

Nur ein paar kurze Anmerkungen:

Der Trakl ist natürlich wunderbar. Die Rondell-Form symbolisiert meiner Ansicht nach die unerbittliche, karussellartige Wiederkehr des Abschieds von schönen Tagen, die der Dichter erlebt hat und erlebt (rein biografisch waren das wohl nicht viele). Man könnte dieses Gedicht auch eine Klage über die Unwiederbringbarkeit des Glückes nennen. Rein formal wäre hier auch die Menge der Synästhesien zu beachten – typisch für Trakl.

Auch das Hessegedicht (das ich übrigens, was seinen literarischen Wert angeht, wie so vieles von Hesse etwa auf der „Höhe“ eines Schlagertextes ansiedeln würde) behandelt eine Erinnerung an eine Jugendliebe, die jetzt vergangen ist, bei der aber die früher Geliebte sich ebenso wie die des Autors die Wiederkehr dieser Liebe so wie sie früher einmal war sehnlich wünscht. Also auch hier die Klage über die Unwiederbringbarkeit des Glücks.

Jeder hat das ja schon einmal erlebt, man besucht Orte oder Personen, an (bzw. bei denen) man einmal höchste Glücksmomente erlebt hat. An dem Glücksort steht jetzt ein Supermarkt und die Geliebte von früher ist jetzt fett und hat vier Kinder. C’est la vie!

Hallo ausas,

das sind zwei wunderschöne Gedichte, die Sie da ausgesucht haben!
Georg Trakl (1887-1914), ein also recht jung verstorbener Dichter, dessen Mutter drogenabhängig war, stand zeitlebens unter dem starken Eindruck von Tod und Vergänglichkeit.
Sein Gedicht „Rondel“ ist ein gutes Beispiel für die Sicht-und Schreibweise Georg Trakls.
„Verflossen ist das Gold der Tage“- die goldene Jugend ist vorbei, es gibt kein Strahlen und Leuchten mehr.Der (Lebens-)Abend ist eingekehrt,es zeigen sich dunkle Farben.
Des Hirten sanfte Flöten starben-die Weichheit, die Beschützheit und Sanftheit der Jugend ist vorbei, das Alter naht mit seinen Schroffheiten.

Trakl als expressionistischer und symbolischer Dichter hatte eine sehr bildhafte Sprache, die voller Symbole steckte und so auch voller Kraft- bei aller „Blumigkeit“ der Sprache.

Hermann Hesse (1877-1962) widmet ich in seinem Gedicht „Zu spät“ ebenso der Vergänglichkeit, hier allerdings nicht nur der Vergänglichkeit des Lebens, sondern auch der Vergänglichkeit der Liebe.
Auch Hesse beschäftigte zeitlebens die Vergänglichkeit, das Gedicht „Zu spät“ ist ein Paradebeispiel dafür.
Einer alten Jugendliebe begegnend, erinnert er sich daran, wie er in jungen Jahren dieser Liebe gegenüber trat und dabei missachtet wurde. („da ich in Jugendnot und Scham…“)
Der junge Hesse schämte sich offenbar seiner damaligen Gefühle („Jugendnot und Scham“), seine Liebe wurde auch nicht erwidert, sondern förmlich ausgelacht und als Spiel genommen.
Später, im Alter, wollte Hesses Jugendliebe an Hesses frühe Gefühle anknüpfen und mochte die Liebe haben, die sie in jungen Jahren verlachte.
Nun aber war die Jugendliebe selbst alt und müde geworden, die Augen waren dunkel und matt.
Nun mochte Hesse dieses Liebesflehen nicht mehr erwidern, weil der Reiz seines Gegenübers vergangen war und der Stachel der einstmaligen Ablehnung immer noch tief saß.
Seine Jugendliebe konnte nicht mehr zurückkehren- auch, weil sie keine Namen mehr kannte (Vergesslichkeit des Alters) und nur noch alleine sein KONNTE (Vereinsamung durch Demenz und Verfall)

Hallo Herr Matter,

ich würde die Interpretation/ den Vergleich rund um den Begriff Vergänglichkeit oder Unwiederbringlichkeit aufbauen, wobei im zweiten Gedicht (Hesse) das lyrische Ich unabhängig erscheint und Sehnsucht und unerfülltes Verlangen bei seinem Gegenüber angesiedelt ist, während im ersten Gedicht die Melancholie ohne Du-Perspektive erscheint. Auch der Gegenstand des Sehnens unterscheidet sich, beim zweiten Gedicht ist es die Zuneigung/Liebe eines Menschen, im ersten geht es um weniger Bestimmtes.
Viel Erfolg beim Interpretieren!

Die Fragestellung eines sicherlich intelligenten Mannes ist zu dumm und zu albern,
als dass man zu deren Beantwortung die Zeit vergeuden sollte.
Geht es „wer-weis-was“ nur darum, sein Forum auszufüllen? Dann würde
es „wer weiss was“ am geistigen Niveau fehlen.
Nichts für ungut - Rapuli

Ja, mein Lieber Thomas: Du bist warscheinlich Schüler oder Student und hast diese Aufgabe im Rahmen Deiner Ausbildung bekommen. Nun ist es ja erst einmal nichts Verwerfliches, sich Hilfe zu suchen - allerdings kann niemand erwarten, daß andere Leute die eigentlich ihm obliegende Arbeit verrichten.
Gleichwohl will ich zwei Anregungen geben als Einstieg: Trakl verwendet hier eine Form, die sozusagen von vorn und von hinten gedanklich gleich zu lesen ist, eine Art Palindrom. Musikalisch wird das entweder als KREBS (Themenverarbeitung in einer Fuge) bezeichnet oder seriell als Rondo/Rondeau. Unter diesen Begriffen wird Wikipedia einiges hergeben…
Was das Hesse-Gedicht anlangt, so nimmt er hier den Gedanken Schillers auf: „Was du von der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück“, bzw. den Vers „was hat sich denn entwickelt, sagt mir an, das man zur rechten Zeit nicht selber hat getan?“
Und die Idee „Er will, sie nicht“ wird nicht unter dem Aspekt Liebe oder Schicksal betrachtet, sondern unter dem Aspekt MACHT. Unreifes Jüngelchen gegenüber der attraktiven jungen Frau, die meint, ihr stünde die Welt offen. Später: Er: arrivierter Mann, Sie: verblüht und ohne Partner. Das teilt er ihr mit! Situation wie bei Wilhelm Busch, in der Knop-Trilogie „Abenteuer eines Junggesellen“: Als erstes sucht er auf Brautschau seine alte FLamme wieder auf - was gründlichst danebengeht…
Diese Anregungen mögen als Einstieg genügen.
Viel Erfolg bei der Ausarbeitung.
Hartmut Calenberg