märchen und mittelalter

liebe gemeinde,
ich arbeite an einer unterrichtseinheit über märchen und ihre entstehung im mittelalter resp. der kleinen eiszeit.

wer möchte mit mir diskutieren?

waren die zwerge kinderarbeiter in bergwerken?
waren die hexen alte frauen ohne familie?
waren die räuber vogelfreie?

woher kommt das kasperle?
gibt es bei ikea noch diesen märchenkram in der kinderabteilung?

was symbolisiert das märchen für kinder am meisten?

tilli
p.s. bin nur biologin

Hallo Tilli,

nach einem Nachmittag beim Kinderkleidermarkt ist mir gerade so gar nicht märchenhaft zumute, drum nur ein Lektüretipp, der Dir zusagen könnten:

http://bluecher.agunlimited.at/index.php?/archives/6… *

Grimmige Grüße

=^…^=

* http://www.amazon.de/product-reviews/3499150921

Hallo Tilli,

nach einem Nachmittag beim Kinderkleidermarkt ist mir gerade
so gar nicht märchenhaft zumute, drum nur ein Lektüretipp, der
Dir zusangen könnten:

http://bluecher.agunlimited.at/index.php?/archives/6…
*

grinsekatz.
den traxler hab ich irgendwo. aber kinder sind da eher nüchtern. aber ich bin nicht nüchtern, also morgen mehr.

tilli

Hallo

ich arbeite an einer unterrichtseinheit über märchen und ihre entstehung im mittelalter resp. der kleinen eiszeit.

Wer sagt denn, dass sie dann entstanden sind? Oder willst du damit eingrenzen, von welchen Märchen die Rede sein soll?

Man (genauer: die Gebrüder Grimm) fing ja an, Märchen aufzuschreiben, als das Mittelalter Mode wurde, und zwar im 19. Jahrhundert, der Romantik. Da hat man vielleicht die Entstehung der Märchen einfach ins Mittelalter gelegt, ich denke aber nicht, dass es dafür Belege geben kann, jedenfalls nicht bei den Märchen, die mündliche überliefert waren.

wer möchte mit mir diskutieren?

Worüber genau?
Sollte unsere Meinung irgendwie von Tatsachen belastet werden?

waren die zwerge kinderarbeiter in bergwerken?

Glaub ich nicht.
Was ich mir leicht vorstellen kann, dass es früher mal, als die verschiedenen Völker und Stämme noch nicht durch Reisetätigkeiten so oft Kontakt miteinander hatten, recht deutlich größere und kleinere Völker gab, und die großen waren Riesen (z. B. die Ureinwohner Großbritanniens), die kleineren vielleicht Zwerge.

Vielleicht gab es auch irgendwo ein kleinwüchsiges Volk, das sich mit Bergbau beschäftigt hat. Aber nicht jeder Zwerg im Märchen betreibt Bergbau, das war nur beim Ring der Nibelungen so. Ich meine sogar, dass Alberich und Mime nur bei Richard Wagner Zwerge sind, im altdeutschen Nibelungenlied nicht.

Bei den richtig kleinen Zwergen a la Heizelmännchen denke ich eigentlich, dass es sich dabei oft auch um ein Wunschdenken handelt. Es wäre doch einfach schön, wenn es so kleine nette Taschenmenschen gäbe, und dann erzählt man einfach Geschichten von ihnen.

Andererseits gibt es im deutschen Aberglauben auch den bösen zauberkräftigen Zwerg, der auch oft eine rote Mütze aufhat. Nun, den würde ich zurückführen auf den kleinwüchsigen gemobbten und von daher bösartigen Prügelknaben, der möglicherweise so getan hat, als könnte er zaubern, um sich zu schützen oder zu rächen. Oder er verkörpert vielleicht die Angst vor der unsichtbaren Gefahr, denn ein Zwerg kann sich ja gut verstecken. Und irgendwas Rotes entdeckt man ja schon mal leicht im Gebüsch, was dann für eine Zwergenmütze gehalten werden kann.

waren die hexen alte frauen ohne familie?

In der Zeit der Hexenverfolgung natürlich vorwiegend, aber nicht nur. Es konnte jeder sein, denn die Inquisiteure bekamen Geld pro überführter Hexe.

Die Hexenverfolgung hatte aber ihren Höhepunkt am Beginn der Neuzeit, und begann erst gegen Ende des Mittelalters.

Ich denke, im Hochmittelalter, zu Zeiten oder Gegenden, zu denen Hexen nicht verfolgt wurden und an Hexerei auch oft nicht geglaubt wurde, haben viele Frauen schon mal behauptet, sie würden nachts durch die Luft fliegen und könnten zaubern (in manchen Gegenden natürlich nur, es war ja noch nicht globalisiert). Wenn sowas geglaubt oder wenigstens für möglich gehalten wird, dann verleiht das ja immerhin eine gewisse Macht, oder wenigstens Schutz. Ich habe jedenfalls mal gelesen, dass manche Herzoge es unter Strafe verboten haben, solche Geschichten von sich(!) zu erzählen, daraus kann man ja schließen, dass die Frauen sie selber erzählt haben.

waren die räuber vogelfreie?

Die Frage verstehe ich nicht. Wenn sie vogelfrei erklärt wurden, dann waren sie vogelfrei, natürlich. Aber natürlich nur in dem jeweiligen Land, in dem sie für vogelfrei erklärt wurden.

woher kommt das kasperle?

http://de.wikipedia.org/wiki/Kasper

was symbolisiert das märchen für kinder am meisten?

DAS Märchen?
Ich dachte, es gibt mehr als eins.

Viele Grüße

Moin,

ich arbeite an einer unterrichtseinheit über märchen und ihre
entstehung im mittelalter resp. der kleinen eiszeit.

Märchen waren ursprünglich in keiner Weise für Kinder gedacht.

Es gibt einen ganzen Forschungszweig ‚Märchenforschung‘ der sich mit Deinen Fragen beschäftigt.
Nun bin ich auch so gar kein Sprachwissenschaftler, aber mit diesem Suchwort und den Deinen sollte sich einiges finden lassen.

Gandalf

Hallo

Wer sagt denn, dass sie dann entstanden sind? Oder willst du
damit eingrenzen, von welchen Märchen die Rede sein soll?

nicht wirklich entstanden. aber in ihre form gebracht, was die mageren, ärmlichen lebensumstände angeht. die grimms haben dann nochmal ein bißchen zeitgeist 1850 draufgelegt, was experten da aber heraustrennen können.

denke aber nicht, dass es dafür Belege geben kann, jedenfalls
nicht bei den Märchen, die mündliche überliefert waren.

nicht per literatur vielleicht, aber über die klimatologie und und die biologie. die genannten speisen lassen auf methoden der landwirtschaft schließen und z.b. die verbreitung der wölfe. das wiederum ist mit alten aufzeichungen gegentestbar.

Worüber genau?
Sollte unsere Meinung irgendwie von Tatsachen belastet werden?

ich würde einfach gerne mal gedanken über märchen lesen, sofern jemand sich damit beschäftigt hat.
google spuckt unmengen aus.

aber vielleicht ist hier ja jemand, der sich mit dem mittelalter beschäftigt und z.b. einordnen kann, wie sich das mit den goldenen tellern im märchen verhält. hatten die könige wirklich welche oder ist das eine metapher?
gab es wirklich so viele räuber im wald?
wie kommen die hexen ins märchen? waren das waldarbeiterinnen?

waren die zwerge kinderarbeiter in bergwerken?

Glaub ich nicht.
Was ich mir leicht vorstellen kann, dass es früher mal, als
die verschiedenen Völker und Stämme noch nicht durch
Reisetätigkeiten so oft Kontakt miteinander hatten, recht
deutlich größere und kleinere Völker gab, und die großen waren
Riesen (z. B. die Ureinwohner Großbritanniens), die kleineren
vielleicht Zwerge.

sowas z.b. dank!

Vielleicht gab es auch irgendwo ein kleinwüchsiges Volk, das
sich mit Bergbau beschäftigt hat. Aber nicht jeder Zwerg im
Märchen betreibt Bergbau, das war nur beim Ring der Nibelungen
so. Ich meine sogar, dass Alberich und Mime nur bei Richard
Wagner Zwerge sind, im altdeutschen Nibelungenlied nicht.

schnewittchen? die gehen doch auch in den berg, oder?

Bei den richtig kleinen Zwergen a la Heizelmännchen denke ich
eigentlich, dass es sich dabei oft auch um ein Wunschdenken
handelt. Es wäre doch einfach schön, wenn es so kleine nette
Taschenmenschen gäbe, und dann erzählt man einfach Geschichten
von ihnen.

oh ja!

Andererseits gibt es im deutschen Aberglauben auch den bösen
zauberkräftigen Zwerg, der auch oft eine rote Mütze aufhat.

das ist ein gutes stichwort: vielleicht wissen die MA-kundigen, wer damals rote mützen trug und warum? rot war schließlich ein sehr teurer farbstoff, damals.

Es konnte jeder sein, denn die Inquisiteure bekamen
Geld pro überführter Hexe.

danke. sehr schöne stichworte.
ich drucks mal aus…

Die Hexenverfolgung hatte aber ihren Höhepunkt am Beginn der
Neuzeit, und begann erst gegen Ende des Mittelalters.

waren die räuber vogelfreie?

Die Frage verstehe ich nicht. Wenn sie vogelfrei erklärt
wurden, dann waren sie vogelfrei, natürlich. Aber natürlich
nur in dem jeweiligen Land, in dem sie für vogelfrei erklärt
wurden.

genau: und vogelfreie mußten doch rauben, oder nicht? und in den wäldern leben?

was symbolisiert das märchen für kinder am meisten?

DAS Märchen?
Ich dachte, es gibt mehr als eins.

das märchen als solches. das märchen per se.

:wink:

tilli

Hallo Tilli,

so, jetzt noch ein ernsthafte Buchempfehlung:

Lutz Röhrich. Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Sagen, Märchen, Exempel und Schwänke. Bern/München 1962/1967.

Das müsste problemlos über die Bibliothek Deines Vertrauens bekommbar sein.

Märchenhafte Grüße

=^…^=

Hallo Tilli,

so, jetzt noch ein ernsthafte Buchempfehlung:

Lutz Röhrich. Erzählungen des späten Mittelalters und ihr
Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart.
Sagen, Märchen, Exempel und Schwänke. Bern/München 1962/1967.

ei da!!

vielen dung auch.

stern für dich.

tilli

Hallo,

p.s. bin nur biologin

dann erzähl doch was über das Märchen des Kreationismus.

Gruß
Torsten

Hallo,

p.s. bin nur biologin

dann erzähl doch was über das Märchen des Kreationismus.

dafür zwei sterne?
was ist denn das hier für ein publikum?

tilli

Hallo,

waren die zwerge kinderarbeiter in bergwerken?

wohl kaum. Bergleute waren idR gesuchte Spezialisten. Das Bergbauregal war eine bedeutende Einnahmequelle und die darüber verfügenden Fürsten suchten häufig durch die Vergabe besonderer Privilegien (vor allem Abgabenfreiheit) Bergleute anzuwerben. Der Beruf war daher durchaus angesehen und ein besonderes ‚Kastendenken‘ hat sich bis in unsere Tage erhalten.

Richtig ist, dass Bergleute allem Anschein nach häufig kleiner waren als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das ist evolutionär einfach zu erklären - kleinwüchsige Menschen waren für diese Arbeit besonders geeignet und tendierten eher dazu, einen solchen Beruf zu ergreifen. Viele Formen der Nanosomie wiederum sind erblich und da im Mittelalter in der Regel der Beruf des Vaters übernommen wurde und häufig auch innerhalb der Zunft geheiratet wurde, verstärkte sich die Tendenz zu Kleinwüchsigkeit. Gerade Endogamie spielt hier eine große Rolle (‚Inzucht‘) und sie dürfte gerade unter Bergleuten besonders verbreitet gewesen sein, da trotz der erwähnten Privilegien die speziellen Lebensumstände der Bergmannsfamilien für Außenstehende eher unattraktiv waren. Hier ist an die Staublunge (Silikose) zu denken und an die extreme Tageslichtempfindlichkeit, die häufig zu Erblindung schon im mittleren Mannesalter führte - man kannte ja noch keine lichtstarken Grubenlampen. Frauen in Bergmannsfamilien waren also überdurchschnittlich mit Pflege älterer Familienmitglieder belastet - für Mädchen, die nicht in so einer Familie aufgewachsen waren, dürfte ein junger Bergmann kein besonders attraktiver Partner gewesen sein.

Dass auch chronische Vergiftung z.B. durch Quecksilber in Kupfer- und Silberminen eine Rolle bei Nanosomie spielte, wird vermutet, ist mW aber nicht bewiesen.

Kinderarbeit in Bergwerken - und zwar in Kohlebergwerken, wo Kinder von erst 5, 6 Jahren bis zu 16 Stunden täglich arbeiten mussten - ist vor allem eine ‚Errungenschaft‘ der Neuzeit, speziell des Kapitalismus.

waren die hexen alte frauen ohne familie?

Von Hexenverfolgungen waren sowohl Frauen wie Männer betroffen, wenn auch überdurchschnittlich Frauen und da wiederum vor allem alleinstehende Frauen. Das hat vor allem etwas mit deren Schutzlosigkeit in rechtlicher Hinsicht zu tun. Das Alter spielte da keine Rolle. Im Übrigen liegst Du auch hier mit ‚Mittelalter‘ falsch - die großen Hexenverfolgungen sind eine Sache der Neuzeit.

waren die räuber vogelfreie?

Wie ist es denn heute? Sitzen Diebe im Gefängnis? Manche ja, manche nein. ‚Vogelfrei‘ ist jemand, der geächtet ist und die Acht wiederum war eine Rechtsfolge, die eintrat, wenn ein Beschuldigter nicht vor Gericht gestellt werden konnte. D.h. ein Räuber musste zunächst einmal namentlich identifiziert und von einem Geschädigten bei einem Gericht angezeigt werden. Konnte man des Beschuldigten nicht habhaft werden und kam er der Aufforderung nicht nach, sich einem Verfahren zu stellen, wurde er idR geächtet und vogelfrei erklärt. Was nichts anderes heisst, als dass jeder aufgefordert und berechtigt war, bei entsprechender Gelegenheit und ohne besonderen Anlass (z.B. Notwehr) Selbstjustiz zu üben ohne dafür selbst gerichtlich z.B. wegen Totschlags belangt zu werden.

‚Vogelfreie‘ Räuber hatten es mithin also schon zu einer gewissen ‚Prominenz‘ gebracht - aber nicht jeder Räuber war automatisch schon vogelfrei. ‚Vogelfrei‘ übrigens, weil die Jagd auf Vögel Allen erlaubt war - anders als die Jagd auf Großwild, die ein Privileg war.

Freundliche Grüße,
Ralf

danke,

natürlich weiß ich, dass meine fragen viel zu grob waren, es ging mir mehr um eure gedanken und stichworte zum sammeln.

die hagreiterin ist keine neuzeitliche erfindung und die intensivnutzung der landwirtschaft mit der folge, dass giftpflanzen reichhaltig an der hecke (dem hag) sprossen, auch nicht.

tilli

p.s. nun bitte nicht intensivlandwirtschaft mit dem heutigen begriff verwechseln.