Magen-Op und Psyche

Moin pollux,

Ahja, … jetzt sagst du was wirklich Sache ist. Du denkst
'Die Fetten haben halt keine Disziplin!

Was soll das? Erstens ist das überhaupt nicht mein Thema (Es ging in meinem UP um psychische Themen NACH einer Magen-OP) und zweitens lag meiner Beschreibung die Aussage der Leiterin einer Adipositas SHG, die selbst eine Magen-Bypass-OP hatte, zugrunde: Sinngemäß erinnere ich, dass sie es für (sich) schwer bis unmöglich erachtete, jene Disziplin, welche sie nach der OP zwingend einhalten müsse, ohne selbige einhalten zu können . . .

Und nein, so einfach ist es nicht. Keine Ahnung, welchen
Leibesumfang du hast und wie viele dicke Menschen du wirklich
kennst, meine Erfahrung und die Erfahrung von vielen anderen
mit denen ich zusammenarbeite und aus unterschiedlichsten
Gründen über dieses Thema gesprochen habe ist, dass Menschen
mit diesem Problem oft mehr Disziplin in Bezug auf Essen haben
als Dünne.

Das bezweifle ich doch gar nicht . . . und dennoch geht ja (so waren - meine ich - Deine Worte) mehr rein als raus.

Und wie ich schon geschrieben hatte, ‚Esssucht‘ ist eben nicht
wie Alkohol oder andere Drogen - diese Stoffe kann man nämlich
meiden. Nahrung nicht. Daher ist mit einer Essstörung
besonders schwierig umzugehen.

Ohne Zweifel - allerdings auch ohne Bezug zu meinem UP, wie es um die Psyche der Betroffenen nach einer Magen-OP bestellt ist.

Das hat nichts, aber auch gar nicht mit ‚Disziplin‘ zu tun

Ich habe das auch nicht behauptet!

Aber ich bekomme den Eindruck, dass du deine Meinung schon
gefasst hast und eine differenzierte Sicht der Dinge passt da
anscheinend nicht rein.

Offen gestanden habe ich eher den Eindruck, dass Du bei allem vermeintlichen Fachwissen zu dem Thema meines UP (auch) nichts Erhellendes beisteuern kannst?!

Bis jetzt hast du noch keinerlei Belege für deinen ‚Eindruck‘
gebracht.

immer häufiger werden in jüngster Zeit mitunter recht massiv :operative Eingriffe bei schwer- und schwerst-Übergewichtigen als :vermeintliches Allheilmittel beworben (Stichwort: Magenband, :Schlauchmagen, Magen-Bypass)

Wo sollte das sein? Beim Discounter hab ich bis jetzt noch
kein Angebot gesehen. Bis jetzt habe ich noch gar keine
‚Werbung‘ dafür gesehen.
Sonderangebot - Heute zwei Magenbänder für den Preis von
einem! Einmaliges Angebot!

Ich selbst habe diesen Eindruck live bei einer öffentlichen Publikumsveranstaltung zum Thema Adipositas in der „Glocke“ in Bremen im Herbst 2011 erlebt und dieser wurde von Fachleuten (Sport- und Ernährungsmediziner, Oecotrophologin, Adipositas-SHG-Leiter/innen) bestätigt und durch deren Erfahrungen diesbezüglich bestätigt, ja verstärkt.

Es ist wohl kaum zu leugnen, dass bei immer mehr Übergewichtigen dieser Markt überaus lukrativ erscheint . . . :wink:

Allerdings wollte und will ich darauf gar nicht hinaus: Meine Frage aus meinem UP bleibt: Was geschieht psychisch nach der Magen-OP mit den Betroffenen? Lösen sich psychische Probleme, die ggf. ausschlaggebend/auslösend für die Adipositas waren, mit der OP quasi automatisch auf oder suchen die Betroffenen „Ersatz-Süchte“?

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Liebe Jule,

vielen Dank für Deinen Beitrag!

Nicht ganz außer Acht zu lassen ist auch hier das potentielle
Problem der Suchtverlagerung. Wenn bestimmte Mechanismen
verinnerlicht sind, kann es schon passieren, dass aus einem
ehemals Fettleibigen vielleicht ein Laufsüchtiger wird oder
eine andere Form des Suchtverhaltens sich ausbildet.

Haben demnach nur wenige dieses Problem der Suchtverlagerung - ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen?

Dennoch ist eine solche OP ganz sicher keine
„Ramschtisch-Aktion“, die man eben mal in Anspruch nimmt, weil
man zu faul zum Arbeiten ist.

Das ist schon klar - das ergibt sich schon aus den Preisen und sonstigen Risiken und Nebenwirkungen solcher Eingriffe.

Hallo,

Haben demnach nur wenige dieses Problem der Suchtverlagerung -ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen?

Ich kann leider nicht mit entsprechenden Statistiken dienen. Eine der Bedingungen für eine Kostenübernahme durch die KK ist Folgende:

Keine schwerwiegenden psychischen Störungen, keine Alkohol oder Drogensucht, keine Demenz, keine Allergien, Entzündungen etc,

Das mag eine gewisse Sicherheit bieten.

Was ich aus der persönlichen Kenntnis einiger Fälle weiß ist, dass bei diesen die aufzubringende Disziplin nach der OP vergleichsweise einfach zu bewältigen war. Die Anstrengungen, die sie vorher zu stemmen hatten, erschienen ihnen weit größer.

In einem Fall (Gewichtsverlust nach OP 175 Kilo) hat sich eine ausgeprägte Sportsucht entwickelt, welche vom Betroffenen allerdings nicht als solche wahrgenommen wird. Seine Lebensqualität ist allerdings weit höher als sie zu Zeiten des Dickseins war.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo Tom,

Der hypothetische Fall,in dem deine Mutmaßung zuträfe,wäre gegeben,wenn durch einen unbewußten Mechanismus die negativen Auswirkungen der Esssucht in irgend einer Form gesucht würden.
So wie vielleicht der ein oder andere Allergiker oder Phobiker seine unbewußten Ängste in einem symptomatischen Vermeidungsverhalten kanalisiert.
Was das Leiden keineswegs einschränkt,jedoch greifbarer macht und in einem Projektionsraum der Angst quasi abkapselt.
In einem Fall in dem das zuträfe was du sagst könnte-jetzt als konstruiertes Beispiel-der Rückzug und die Isolation nicht die Folge der Esssucht,sondern das bereits unbewußt gesuchte Abwehrverhalten,hinter dem eine versteckte Sozialphobie(als eine von vielen Möglichkeiten)stünde.Das Symptom alleine läßt aber keinen Rückschluß auf den verborgenen Mechanismus zu.Welches Symptom ausgebildet wird,hängt von der körperlichen Disposition und der individuellen Erfahrungsgeschichte eines Menschen ab.Ich habe zwar keine Erfahrungen mit Adipositas,aber ich kenne etliche Fälle von anderen Somatisierungen.Unter solchen Voraussetzungen könnte ich mir vorstellen,dass die Herausbildung eines Ersatzsymptoms relativ wahrscheinlich wäre.
Die Frage ist,ob so ein Folgesymptom in der langfristigen Beobachtung einer Person,die ein Magenband o.ä.erhalten hat,überhaupt erkannt wird,oder damit in Verbindung gebracht wird.Denn es muß sich nicht um ein erkennbares Suchtsymptom handeln.Die Wege der Abwehrmechanismen können äußerst abstrus sein.Ein Symptom bildet sich i.d.R.aus,um einen gefährdeten Ursprungszustand wieder herzustellen.
Ob solche oder ähnliche Vermeidungsstrategien oder autoaggressive Mechanismen in Einzelfällen dahinterstehen,kann aber nur durch psychologische Betreuung der betreffenden Person erfahren werden.
Über einen Kamm scheren darf man hier absolut nichts.
Es gibt mit Sicherheit jede Menge medizinischer Gründe für Adipositas,wobei auch hier der Körper vermutlich in der Lage isteigenständigzu somatisieren.

liebe Grüße
Heidi

Guten Abend!

Was passiert (psychisch) nach einer solchen OP bei Menschen,
deren Übergewicht psychosomatisch bedingt war, die also das
Essen quasi als Ventil genutzt haben?

Wenn ich das so verstehen darf, dass es um Menschen geht, bei denen das Übergewicht Folge einer profunden Essstörung ist, dann beantworte ich die Frage damit, dass ein Magenband und dergleichen an der Essstörung des Ädipösen genau so viel ändert wie die Sondenernährung an der Essstörung der Anorektikerin. Bestenfalls wird die Essstörung damit nicht verschlimmert, schlimmstenfalls schon.
Im Untergewichtsbereich ist es Konsens, dass es langfristig fatal ist, wenn im klinischen Setting Sondenernährung STATT „normaler“ Nahrung angeboten wird (also nicht bloß als notwendige Ergänzung), um möglichst schnell Gewichtszunahme zu erreichen.
Ich denke, das kann man per Analogieschluss auf den Übergewichtsbereich übertragen.
A und O ist die Normalisierung des Essverhaltens.

E.T.

Hallo,

Im Untergewichtsbereich ist es Konsens, dass es langfristig fatal ist, wenn im klinischen Setting Sondenernährung STATT"normaler" Nahrung angeboten wird…Ich denke, das kann man per Analogieschluss auf denÜbergewichtsbereich übertragen. A und O ist die Normalisierung des Essverhaltens.

Aber genau das passiert ja allein dadurch, dass die immensen Mengen, die stark übergewichtige Personen zu sich nehmen, gar nicht mehr aufgenommen werden können.

Die Betroffenen machen (oft zum ersten Mal nach vielen Jahren) die Erfahrung, wie ein Sättigungsgefühl sich anfühlt. Da sie gezwungen sind, kleine Mengen zu sich zu nehmen, haben sie eine Chance, die Gewöhnung an übervolle Teller und die Aufnahme von Riesenportionen abzulegen. Dies wiederum ist hilfreich in Hinsicht auf die langfristige Umstellung auf normale (und natürlich möglichst gesundeI) Nahrungsmengen.

Da das Legen eines Magenbandes in aller Regel mit der Auflage eines begleitenden Bewegungs- und Ernährungsprogramms verbunden ist, sind die Aussichten auf langfristigen Erfolg durchaus gegeben. Natürlich ist die OP eine Krücke - aber eine, die einem das Vorwärtskommen durchaus erleichtern kann.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo!

Da das Legen eines Magenbandes in aller Regel mit der Auflage
eines begleitenden Bewegungs- und Ernährungsprogramms
verbunden ist, sind die Aussichten auf langfristigen Erfolg
durchaus gegeben. Natürlich ist die OP eine Krücke - aber
eine, die einem das Vorwärtskommen durchaus erleichtern kann.

Gerade auf letzteren Satz können wir uns eigentlich schon einigen.

Ich habe ja versucht, die Kategorie „Übergewichtige“ zu verkleinern auf „Übergewicht als Folge einer profunden Essstörung“, und merke gerade, dass man weiter verkleinern müsste, indem man die Essstörungen weiter unterteilt. Ich denke v.a. an die sog. Binge Eater, die sicherlich einen beträchtlichen Teil der extrem Übergewichtigen ausmachen (man spricht von 20-50% je nach Definition), und für die ein Magenband mit Sicherheit keine sonderlich hilfreiche „Krücke“ sein kann, weil es bestenfalls die „absolute Befüllungsgrenze“ verschiebt, aber kein bißchen auf den Fressanfall selbst wirkt. Das beim Binge Eating verloren gegangene Sättigungsgefühl lässt sich durch ein Magenband mit Sicherheit auch nur sehr temporär wieder herstellen, insofern gebe ich diesem Argument wenig Gewicht.

E.T.

Hinzu kommt die Scham. Abgesehen davon, dass man als dicker
Mensch kaum ordentliche Sportkleidung bekommt, löst allein der
Anblick eines Dicken in Bewegung bei vielen Menschen zumindest
Heiterkeit aus. Die mitleidigen bis abschätzigen Blicke, die
ein Dicker allein durch seine Anwesenheit in bestimmten
Lokalitäten - dazu zählen auch und besonders Sportstudios -
auslöst, muss man ertragen können.

Das alles mag vielleicht für wirklich fette Menschen gelten. Und dass Adipöse eher selten zur Kundschaft eines Sportstudios gehören, wird neben der Scham mindestens auch medizinische Gründe haben. Wer schon mit 100 Meter Gehen und 20 Treppenstufen Probleme hat, bedarf vermutlich zunächst anderer körperlicher (Re-)Aktivierung als Stemmen von Freihanteln und Wuchten an Kraftmaschinen.

Für Dicke gilt das jedenfalls so nicht! Sportshirts, -jacken und -hosen gibt es auch in XXL. In einem „normalen“ Sportstudio, d.h. einem mit gemischtem Publikum, springen zwischen den Normalgewichtigen genau so viele Dicke wie Spindeldürre herum.

Und ihr Anblick sorgt bei den normalgewichtigen Studio-Mitgliedern keinesfalls für Heiterkeit, sondern für gehörigen Respekt - nämlich für die Disziplin, die die Dicken im Training aufbringen anstatt sich einfach hängen zu lassen.

Hallo,

Das alles mag vielleicht für wirklich fette Menschen gelten.

Stimmt. Die im UP angesprochenen Operationen werden auch nur an diesen Menschen durchgeführt.

Schöne Grüße,
Jule

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