Ein bisschen theoretische Elektrodynamik
Hallo Viktor!
In diesem Posting geht es mir um den Verlauf von elektrostatischen und magnetostatischen Feldern. Wenn ich Dich recht verstanden habe, vertraust Du darauf, dass beide Felder durch einen ähnlichen Wirkmechanismus beschrieben werden können. Du stellst Dir dazu wie auch immer geartete Feldquanten vor, die sich entlang der Fellinien bewegen und auf Objekte auf diesen Feldlinien stoßen. Dadurch erfahren die Objekte eine Kraft in Richtung der Feldlinie. Dass es anziehende und abstoßende Kräfte gibt, versuchst Du dadurch zu erklären, dass die Feldlinien in Wirklichkeit geschlossen sind, so dass Objekte, die scheinbar angezogen werden, von „hinten“ zu dem Pol gedrückt werden.
Ich hoffe, dass Ich Deine Gedanken hier richtig zusammengefasst habe. (Wenn es stimmt: Warum haben wir dann von Dir noch keine derartige Zusammenfassung gehört?)
Magnetostatische Felder werden durch geschlossene Feldlinien dargestellt. Sie haben weder Quellen noch Senken (Fachausdruck für Anfangs- und Endpunkte). Elektrostatische Felder habend diese Anfangs und Endpunkte. Diese heißen Ladungen. Elektrostatische Felder sind außerdem wirbelfrei. Das bedeutet, dass es keine geschlossenen elektrischen Feldlinien geben kann. (Das ist in Worten der Inhalt der Maxwellschen Gleichungen für dB/dt=0 und dE/dt=0).
Und nun wird es hochtheoretisch. Ich hoffe, dass ich es so erklären kann, dass Du mir folgen kannst:
Weil das elektrische Feld wirbelfrei ist, kann man es als Gradient eines Potenzials darstellen. Das Potenzial misst quasi die elektrische Energie einer Probeladung an einem Punkt. Der Gradient dieses Potenzials - das ist das quasi das Gefälle des Postenzials - gibt Richtung und Stärke der Kraft auf die Probeladung an. Bewegt sich eine Ladung in einem Potenzialfeld auf einer beliebigen geschlossenen Bahn zu seinem Ursprung zurück, so ist die Energie der Probeladung am Ende gleich wie am Anfang. Kräfte, die diese Eigenschaft haben, nennt man auch „konservativ“. Die Gravitationskraft ist ebenfalls eine konservative Kraft.
Damit ist klar, dass es keine geschlossenen elektrischen Feldlinien geben kann. Hätte man eine Probeladung, die einer geschlossenen Feldlinie folgen würde, so hätte sie am Ende mehr Energie als am Anfang, und zwar genau die Energiemenge, die das Umlaufintegral entlang der Feldlinie ergibt.
Statische Magnetfelder haben aber durchaus geschlossene Feldlinien. Das ist aber kein Problem, weil es keine magnetischen Monopole geben könnte, die auf diese Weise Energie aus dem Nichts zaubern könnten. Die hypothetische Kraft eines Magnetfelds auf einen magnetischen Monopol wäre demnach keine konservative Kraft. Folglich kann man auch kein magnetisches Potenzial analog zum elektrischen Potenzial definieren.
Aufgrund dieses Unterschieds sollte es klar sein, dass man Magnetfelder und elektrische Felder nicht auf denselben Mechanismus zurückführen kann. Sie sind zwei Paar Stiefel.
Und nun zur eigentlichen Pointe der Geschichte: Magnetfelder werden durch bewegte elektrische Ladungen verursacht. Man wähle nun ein Bezugssystem, in dem die elektrischen Ladungen ruhen. Für den Bezugssystemwechsel verwende man die Lorentz-Transformation. Pötzlich findet man sich in einer Welt wieder, in der es keinen Magnetismus gibt, sondern nur elektrische Felder! Das bedeutet, dass der Magnetismus nichts anderes ist als die relativistische Verzerrung von elektrischen Feldern, wenn sich die Ladungen sehr schnell bewegen.
Aufgrund dieser Entdeckung nannte Einstein seine Arbeit: „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ und nicht etwa „Die spezielle Relativitätstheorie“.
Ich weiß, dass Du nicht an die spezielle Relativitätstheorie glaubst. Wenn man sie aber verstanden hat, dann bildet die erstaunliche Verwandtschaft von elektrischen und magnetischen Feldern (ausgedrückt durch die Formel c² = 1/(εμ)) keinen merkwürdigen Zufall mehr, sondern ist nur eine Selbstverständlichkeit. Lässt man die SRT fallen, dann auch um den Preis, dass man nicht mehr versteht, was elektrische Felder und magnetische Felder mit einander zu tun haben!
Du glaubst, dass Dein naturwissenschaftliches Interesse weiter geht, weil es eine „Erklärung“ für die Felder sucht. In Wirklichkeit kann Deine mechanistische Vorstellung der Wirkung nicht einmal eine Erklärung für Phänomene erahnen, die für eine relativistische Elektrodynamik gar kein Problem darstellen.
Michael