Moin Marion,
Ich dachte, da wird geschwiegen 
eisern und verbissen - aber erst nach Ansage 
Jetzt suche ich noch speziell Informationen zur
Bhumisparsa-Mudra. Man sieht diese im Zusammenhang mit dem
Sieg über Mara ja häufig bei Buddha-Statuen, allerdings sind
die Informationen dazu reichlich dünn.
Ich kenne eine Erklärungsversion, in der Buddha die Erde als
Zeuge anruft, dass er Erleuchtung erlangt hat und eine
andere Erklärung, dass Buddha die Erde als Zeuge anruft, dass
er sich überhaupt anmaßen kann, Erleuchtung
anzustreben , da er entsprechende Tugenden und
Fähigkeiten angesammelt hat (z.B. in früheren Leben, scheint
mir typisch mahayana zu sein). Für beides fehlt mir jedoch
eine gescheite Quelle.
die fehlt mir leider auch. Es gibt hier in der Tat zwei Traditionen in der Schilderung des maravijaya (des Sieges über Mara), der eben durch die Erdberührungsgeste (bhumisparsa-mudra) symbolisiert wird. Nach der einen Tradition (die mir die ältere zu sein scheint) leugnet Mara das Erwachen Shakyamunis und dieser ruft die Erde als Zeuge an. Die Geste findet also nach anuttara samyak sambodhi (der ‚Erleuchtung‘) statt.
In der anderen Version ist die Geste Höhepunkt und Ende des mara-yuddha. Buddha ruft die Erde als Zeuge dafür an, das er durch die Übung der parami (‚Tugenden‘) in zahllosen Existenzen das Recht erworben habe, nun moksha (Befreiung) zu erlangen. Dieses Recht bestreitet Mara, der sich als unumschränkter und unüberwindlicher Herrscher des samsara betrachtet und Shakyamuni allenfalls den Rang eines cakravartin, eines höchsten und absoluten Weltenherrschers zugestehen will. Dies zu Deiner Schlußfrage
Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang wäre, wieso Mara
meint, ihm seinen Platz streitig machen zu können. Mara
behauptet, dass Gautama auf dem ihm (Mara) zustehenden Platz
säße.
Es geht also um die grundsätzliche Fragestellung, ob moksha, also ein Ausweg aus samsara und damit ein Überwinden Maras überhaupt möglich ist. Diesen Anspruch erhebt Buddha, als er sich mit dem festen Vorsatz unter dem Bodhibaum niederlässt, sich erst wieder zu erheben, wenn er Befreiung erlangt hat.
Zurück zum bhumisparsa - auf die Anrufung der Erde als Zeugin erscheint die Erdgöttin Torani (oder Thorani), die das Wasser aus ihrem nassen, schwarzen Haar wringt und so Mara und seine Scharen ertränkt. Hier ist das bhumisparsa-mudra also vor dem eigentlichen Erwachen bzw. leitet es ein.
Trotz der sehr ausgeschmückten und bildreichen Erzählung ist diese Version nicht( ! ) (jedenfalls nicht ausschließlich) dem Mahayana zuzuordnen - sie findet sich als bildliche Darstellung z.B. in thailändischen (also theravadischen) Tempeln (vgl. etwa http://www.umich.edu/~hartspc/acsaa/Acsaa/LLabelPdf/… - leider ohne die zugehörigen Bilder). ‚Torani‘ ist vermutlich die thailändische Lesart von Prthvi(?). Wie gesagt, kenne ich keine schriftliche Quelle für diese Version des mara-yuddha - möglicherweise ist sie verloren gegangen oder es handelt sich gar um eine ausschließlich mündlich tradierte ikonographische Tradition.
Ich muss dazu allerdings sagen, dass Hagiographie nicht so sehr mein Ding ist - Lalitavistara und Mahavastu z.B. kenne ich nicht. An das Buddhacarita bin ich eigentlich auch nur geraten, weil es im selben Band wie F. Max Müllers Übersetzungen des Hrdaya-sutra und des Vajraccheddika (Sacred Books of the East Bd. 49) veröffentlicht wurde. Damals, im finsteren Mittelalter, gab es noch kein Internet - man bestellte solche Bücher bei Motilal Banarsidas in Varanasi und wartete dann ein Vierteljahr auf die Lieferung und ließ sich damit überraschen, was man da eigentlich gekauft hatte …
Manchmal eine Erd"göttin" „Sthavara“ erwähnt. Handelt es sich
hier tatsächlich um eine Gottheit (wenn ja, aus welcher
Mythologie) oder ist das eine Fehlinterpretation und Sthavara
steht lediglich für die Erde (wie kann diese dann etwas
„bezeugen“)?
‚Sthavara‘ ist mir eigentlich nur als Gattungsbegriff bekannt (Herleitung von ‚stha‘, stehen). Also das Stehende, das Unbewegliche - es wird für Pflanzen benutzt im Gegensatz zu den ‚beweglichen‘ Lebewesen, den ‚Gehern‘ (Jangama).
Auf Prthvi, die hinduistische Erdgöttin, habe ich ja schon verwiesen. Der Name belegt, dass der Mythos verhältnismäßig jungen Datums ist, da der Veda (genauer: die Sanhitas) diese Göttin noch nicht kennen. Gerade hier wird deutlich, dass die vedische Religion die Religion von viehzüchtenden Nomaden war, nicht von Bauern. Zwar findet hier der nährende Aspekt auch seinen Ausdruck in weiblichen Göttergestalten, doch sind diese nicht chthonisch, sondern ‚kuhgestaltig‘ (Ida und Aditi).
Es gibt freilich im Atharvaveda den großartigen Hymnus an die Erde (Atharvaveda XII,1), die hier als ‚Herrscherin‘ und vor allem als ‚Mutter‘ adressiert wird - doch trägt sie darüber hinaus kaum anthropomorphe Züge; es ist mE sehr zweifelhaft, ob sie überhaupt als devi aufgefasst wurde; sie hat auch keinen speziellen Namen sondern ist einfach ‚Erde‘, bhumi. Allenfalls wäre als Gegenargument anzuführen, dass ihr als ‚Mutter‘ der Gewittergott Parjanya als Vaterfigur beigegeben wird. Dies verweist deutlich auf den zugrundeliegenden sexuell gefärbten Fruchtbarkeitsmythos - der die Erde befruchtende Regen. Nun trägt Parjanya allerdings ebenfalls nur schwach anthropomorphe Züge - vor allem im Vergleich zu dem weitaus bedeutenderen (offensichtlich jüngeren) Gewittergott Indra. Es ist wohl ein sehr altes Substrat, das da stellenweise in den vedischen Hymnen aufscheint - Parjanya scheint noch indoeuropäischen (proto-indoarischen) Ursprungs (*perk(w)unos) und verwandt mit dem litauischen Perkunas und dem altnordischen Wettergott Fjörgyn zu sein (lt. Oldenberg).
Ansonsten haben die vedischen ‚Erdgötter‘ deutlich männliche Züge, so Vastoshpati (‚Herr der Stätte‘) und Kshetrasya pati (‚Herr des Feldes‘). Diese gehören nicht zu den ‚großen‘ vedischen Göttern; vermutlich handelt es sich auch nicht um einzelne Götter sondern um verschiedene Typen von Genii loci.
Hier lässt sich nun wiederum eine Brücke schlagen zum frühen Buddhismus, finden wir doch im Vinaya (Mahavagga, Khandaka I,6.30) als unterste Klasse der devas die bhumma deva (‚in der Erde wohnenden Götter‘) erwähnt - gefolgt von den devas der höheren devalokas, unter ihnen (auf dritter Stufe) die tavatimsa deva, die 33 ‚großen‘ vedischen Götter. Langer Rede kurzer Sinn - zu Buddhas Lebzeiten (und wohl noch lange danach) war eine anthropomorphe Erdgöttin welchen Namens auch immer mit ziemlicher Sicherheit unbekannt. Die Legende von der Anrufung der Erdgöttin mit der bhumisparsa - Geste ist mE eindeutig eine recht späte, stark hinduistisch geprägte Bildung.
Liebe Grüße,
Ralf