Mast- und Stengebruch

Guten Abend,

ich hätte mal eine Frage, auf die man im Internet kaum eine Antwort bekommen kann: Was bedeutete es wirklich für ein Segelschiff, das im 17./18./19. Jh. auf den Weltmeeren unterwegs war, und in einem Sturm in Seenot geriet?

Das schlimmste, was man sich vorstellen kann, war wahrscheinlich, daß einer der Masten gebrochen war. Wobei man sicherlich auch mit weniger Masten vorwärtskommt und auch eingeschränkt navigieren kann.

Aber was, wenn das Ruder gebrochen war? Hatte man die Möglichkeit, solche Schäden an Bord zu reparieren? Welche Möglichkeiten hatte man überhaupt in einem solchen Fall?

Vielleicht kann mir der eine oder andere ein paar Details erklären, oder vielleicht ein Buch oder einen Film empfehlen, wo eine solche Situation realistisch gezeigt wird?

Besten Dank schonmal!
Richard

Moin moin
Wie du in deiner Frage schon sagtest, so ein Mast oder Ruder bricht normalerweise nicht bei ruhiger See und blauen Himmel sondern bei Sturm und hohen Wellengang. Segelschiffe versuchten normalerweise so einen Orkan „abzuwettern“, also mit wenig Segeln vorm Wind zu laufen um den Seegang von achtern oder noch besser von vorn zu kriegen. Brach in so einer Situation das Ruder oder ein Mast, drehte das Schiff und bot dem Wind die Breitseite. Dann konnte es sehr schnell kentern und untergehen. Sollte man den Sturm aber überstehen, war es durchaus möglich, ein Notruder anzubringen oder mit einem Notmast den nächsten Hafen zu erreichen. Dafür war meist genug Material an Bord.
Vielleicht solltest du dir mal den Film über den Untergang der Pamir ansehen, dort ist das recht gut dargestellt worden.

mfg

Hallo,

vielen Dank für deine Ausführungen, Orakel-Jones. Den Film werde ich mir mal anschauen. In der Zwischenzeit hätte ich noch ein paar Fragen dazu.

Was kann man sich unter einem Notmast bzw. einem Notruder vorstellen? Im Wikipedia-Artikel zur HMS Guardian steht bspw., daß nach einer Kollision mit einem Eisberg das Ruder gebrochen war und man ein Seil zum Steuern verwendete. Wie funktioniert soetwas? Hilft evtl. auch ein Treibanker, das Schiff so auszurichten, daß es während einem Sturm den Seegang von vorn oder von achtern zu bekommen?

Wenn der Kapitän dann den Befehl gegeben hat, das Schiff aufzugeben und die Mannschaft in die Beiboote steigen mußte, wie hat man den Platz in den Booten verteilt, ohne daß es zu einer Meuterei kam? Auf Schiffen wie der Guardian war ja kaum Platz für die gesamte Mannschaft in den wenigen Booten.

Schöne Grüße,
Richard

Moin moin
Also, der Reihe nach.
Ein Notmast war in der Regel eine Großrah, also die Stenge, an der das größte Segel angebracht war. Davon hatte man oft Ersatz unter Deck. Das Ding war natürlich bei weitem kleiner und nicht so stabil, aber es war ja auch ein Notfall und man schlich dann förmlich zum nächsten Hafen.
Beim Ruder war es wohl der häufigste Schaden, dass der Ruderkopf, also die Verbindung des großen Ruderblattes zum Schiff abbrach und man mit dem Steuerrad keine Verbindung mehr zum Ruder hatte. Dann bohrte man ins Ruderblatt Löcher an denen man Seile befestigte, die dann am Heck Backbord und Steuerbord bedient wurden. Das war natürlich arbeitsaufwändiger und ungenauer als die normale Ruderanlage. Ganz alte Schiffe hatten das Ruder auch noch an der Seite, daher der Begriff Steuerbord, aber das war noch schwieriger zu bedienen und war für enge Manöver ungeeignet.
Treibanker wurden meines Wissens nach nur benutzt, um nicht auf Grund zu laufen, wenn man in Küstennähe manövrierunfähig wurde. In einem Orkan war das eher gefährlich, weil das Schiff dann dem Wind die Breitseite bieten konnte und eventuell kenterte. Den selben Effekt hat übrigens ein abgebrocherner Mast, der über Bord geht und noch durch die Takelage mit dem Schiff verbunden ist. Der Vorwärtstrieb geht verloren und damit auch die Ruderwirkung, denn um das Ruder zu benutzen, musste das Schiff Fahrt machen.
Wenn das Schiff verlassen werden muss, ist das natürlich eine besondere Situation, bei der gerade im Sturm viel schiefgehen kann.
Bestes Beispiel ist hier wohl die Titanic, bei der das sogar bei spiegelglatter See schief ging. Aber eine Mannschaft aus erfahreren Matrosen hielt in der damaligen Zeit oft besser zusammen oder gehorchte zumindest den Befehlen ihrer Offiziere. Aber der Faktor Mensch ist halt unberechenbar und in Notsituationen kommen oft die besten aber auch die schlechtesten Eigenschaften zu Tage.
So, ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen und verbleibe mit

Mast- und Schotbruch

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Vielen Dank, da hast du mir schon ein ganzes Stück weitergeholfen!